DOMRADIO.DE: Es gibt dieses Projekt "KöKiPAT – Kölner Kinder-Patenschaften" seit einiger Zeit. Sie konnten schon 600 Kinder und Paten zusammenbringen, haben selber auch eine einjährige Patenschaft gehabt. Welche Kinder können in Ihrem Projekt einen Paten kriegen?
Leon Oerder (Mitarbeiter bei "KöKiPAT" – "Kölner Kinder-Patenschaften"): Es sind vor allem Kinder, die noch nicht so gut in die Stadtgesellschaft integriert sind. Die Schulen melden sich bei uns, dass die Kinder Bedarf haben, noch nicht viele Freunde haben, sprachlich auch noch nicht gut dabei sind. Die melden sich bei unseren Kollegen vom Kölner Flüchtlingsrat.
DOMRADIO.DE: Sie arbeiten auch mit der Caritas zusammen. Wie umfangreich ist eine Betreuung, wenn jemand das machen möchte?
Oerder: Die Betreuung umfasst ungefähr drei bis fünf Stunden pro Woche. Es gibt einen Termin in der Woche, den man individuell mit den Kindern beziehungsweise mit den Eltern vereinbart. Diese Patenschaft geht über ein Jahr. Das ist die Voraussetzung: Einmal die Woche, ein Jahr lang.
DOMRADIO.DE: Was ist der Inhalt? Sie haben sich selbst ein Jahr lang einem Kind angenommen. Geht man dann gemeinsam in den Zoo?
Oerder: Man kann auch in den Zoo gehen. Es gibt da viele Möglichkeiten. Viele Patinnen und Paten treten mit der Frage an uns heran, was sie denn in der nächsten Woche mit ihrem Patenkind machen sollen. Man gelangt doch recht schnell ans Ende der eigenen Ideen.
Es gibt aber viele Möglichkeiten in Köln. Wir haben auch immer wieder Austauschtreffen mit unseren Patinnen und Paten. Wir haben selbst eine ganze Liste voller Ideen. Man muss nicht einmal unbedingt Geld ausgeben. Man kann auch viele kostenlose Dinge machen kann.
Es ist immer schön, wenn man mit den Kindern hinausgeht und die Stadt entdeckt. Das ist auch eines der Probleme, dass die Kinder ihre neue Stadt Köln noch nicht so gut kennen. Da gibt es ganz viele Möglichkeiten und das kann jede Patin und jeder Pate selbst entscheiden.
DOMRADIO.DE: Eine davon ist ganz bestimmt ein Besuch im Kölner Dom, oder?
Oerder: Unter anderem. Das habe ich damals auch in meinem Patenkind gemacht als ich Pate war.
DOMRADIO.DE: Woher kam Ihr Kind?
Oerder: Mein Kind kam aus der Ukraine. Es war ein ukrainisches Mädchen, das kurz nach Kriegsausbruch in der Ukraine nach Deutschland kam und nach zwei Jahren immer noch nicht den Kölner Dom besichtigt hatte. Das habe ich damals mit ihr gemacht. Ich habe auch versucht, alle weiteren schönen Ecken in Köln zu erkunden.
DOMRADIO.DE: Das Projekt ist auf ein Jahr beschränkt, danach ist es vorbei. Für das Kind könnte das aber nicht so schön sein, oder?
Oerder: Die Kinder sind oftmals nicht besonders begeistert, wenn diese Patenschaft nach 12 Monaten endet. Wir haben aber die Möglichkeit, dass man um ein halbes Jahr verlängert. Wenn diese 18 Monate vorbei sind, ist die Patenschaft offiziell vorbei. Ganz oft aber laufen diese Patenschaften freundschaftlich weiter.
Oftmals entstehen Freundschaften, die über Jahre bestehen bleiben. Unsere ehemaligen Patinnen und Paten melden immer wieder zurück, dass sie nach einigen Jahren immer noch mit den Kindern und den Familien in Kontakt stehen und feste Freundschaften daraus entstehen. Das ist das Wunderschöne an diesem Projekt.
DOMRADIO.DE: Welche Hilfestellungen hat man als Pate oder Patin, wenn man in die KöKiPAT -Patenschaft eintritt?
Oerder: Die Hilfestellungen, die wir geben, sind vor allem diese begleitenden Treffen. Mein Kollege und ich bieten alle zwei Monate ein Austauschtreffen an, wo wir uns über alle Fragen der Patenschaft unterhalten. Wir sprechen über Probleme und Herausforderungen. Dadurch kann man die Perspektive ändern und erkennen, wie es in anderen Patenschaften läuft. Das weitet auch noch einmal die Perspektiven.
Wir bieten auch einen Workshop am Anfang der Patenschaft, der verpflichtend ist, um diese Patenschaft zu machen. Darüber hinaus bieten wir Thementreffen, wo wir bestimmte Fragen beantworten. Da sind Kinder und Medien zu Beispiel ein Thema. Da gibt es viele Angebote, die wir geben und auch begleitende Treffen.
DOMRADIO.DE: Wie ist denn das Verhältnis von Angebot und Nachfrage?
Oerder: Das sieht so aus, dass wir in den letzten Jahren immer noch ganz viele Kinder mit Bedarf haben. Wir haben immer mehr Kinder als Ehrenamtliche, obwohl das Niveau an Engagement und das Niveau an Ehrenamtlichen noch immer ungebrochen hoch ist. Wir können diesen Bedarf für Kinder nicht decken, die in irgendeiner Form für eine solche Patenschaft in Frage kommen.
DOMRADIO.DE: Das Projekt gibt es jetzt seit elf Jahren. In dieser Zeit hat man wahrscheinlich schon gelernt, wie man die Menschen, die eine Patenschaft übernehmen, unterstützen kann, oder?
Oerder: Die Erfahrung macht sich über die Jahre hinweg in der Gesellschaft in diesem Projekt bemerkbar. Viele Menschen gehen mittlerweile sehr erfahren damit um und wissen über viele Themen in Sachen Asyl, Flucht und Migration recht gut Bescheid. Das war vor zehn Jahren noch anders. Da haben wir auch mehr Wert darauf gelegt, viel mehr zu erklären, in welcher Situation die Menschen stecken. Mittlerweile sind viele Leute sehr gut informiert.
DOMRADIO.DE: Ein Kind, etwa aus Afghanistan, hat vielleicht erlebt, was kein Mensch je erleben sollte. Das spüren die Menschen?
Oerder: Genau, die Leute, die sich bei uns engagieren, rechnen damit, dass es teilweise ganz andere Lebensrealitäten sind, auf die sie treffen. Natürlich versuchen wir zu erläutern, in welchen Situationen diese Menschen stecken könnten. Das ist sehr unterschiedlich. Aber die Erwartungshaltung ist noch einmal eine andere als noch vor einigen Jahren.
DOMRADIO.DE: Das Projekt stärkt die Willkommenskultur. Für sechs Kinder werden noch Patinnen oder Paten gesucht. Der neue Durchgang startet Ende des Monats und dauert ein Jahr. Wie überzeugen Sie Berufstätige oder Rentner, mitzumachen?
Oerder: Ich appelliere daran, dass viele geflüchtete Kinder noch Unterstützung brauchen, sei es beim Deutschlernen, bei sozialer Vernetzung oder für mehr Selbstbewusstsein. Auch wenn die Zeit knapp ist, ist es eine bereichernde Erfahrung, ein Kind zu begleiten, eine andere Lebensrealität kennenzulernen und echte Wirkung zu spüren. Ich bewirke etwas, indem ich ein Kind begleite und jede Woche das Leuchten in den Augen dieses Kindes sehe und etwas verdammt Wertvolles beitragen kann.
DOMRADIO.DE: Bei Interesse bekommt man Hilfestellungen vom Kölner Freiwilligenprojekt. Sie haben einige Kinder, die noch Patinnen und Paten suchen. Wie matchen Sie das Kind und die Patin oder den Paten?
Oerder: Nach Anmeldung und Kennenlernen durchlaufen die Ehrenamtlichen einen Vorbereitungsworkshop. Erst danach werden sie passend zu den Kindern vermittelt, die über Schulen beim Kölner Flüchtlingsrat gemeldet wurden. Kurz vor Start der Patenschaft erfolgt das Matching – letzte Voraussetzung ist ein erweitertes Führungszeugnis.
Wer Interesse hat, kann sich gerne melden: mentoren@koeln-freiwillig.de .
Das Interview führte Uta Vorbrodt.