Kölner Erzbischof Woelki führt Kreisdechant Hülz in Rhein-Erft ein

"Ich bringe ein großes Herz für die Menschen mit"

Von nun an ist er für 225.000 Katholikinnen und Katholiken verantwortlich, denn an diesem Sonntag wird Hendrik Hülz von Kardinal Woelki in Bergheim in sein neues Amt als Kreisdechant eingeführt. Welche Herausforderungen erwarten ihn?

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Hendrik Hülz will als Seelsorger trotz neuer Aufgaben nah an den Menschen sein / © Beatrice Tomasetti (DR)
Hendrik Hülz will als Seelsorger trotz neuer Aufgaben nah an den Menschen sein / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Die Einheit, in der Sie von nun an seelsorglich arbeiten, ist groß. Mit der Fläche wachsen auch die Zuständigkeiten. Vor allem aber werden Sie im gesamten Kreisdekanat als Kirchenvertreter das kommunale und regionale gesellschaftliche Leben begleiten, was einen deutlichen Zugewinn an Verantwortung im Vergleich zu Ihrer Arbeit als leitender Pfarrer in Leverkusen bedeutet. Macht Ihnen das – angesichts immer größer werdender Gemeindezuschnitte – nicht auch ein Stück Sorge, den einzelnen Menschen noch gerecht werden zu können bzw. überhaupt ansprechbar zu bleiben?

Hendrik Hülz (neuernannter Pfarrer in Bergheim und Kreisdechant in Rhein-Erft): Zunächst möchte ich erst einmal die Menschen mit ihren Fragen und Sorgen hier in Bergheim und in den anderen Gemeinden sowie die verschiedenen Traditionen am Ort kennenlernen. Ich möchte wahrnehmen und zuhören. Wenn ein neuer Pfarrer kommt, sind ja erst einmal alle Augen auf ihn gerichtet, und da fragt man sich natürlich: Wie ist der denn, was bringt er mit? Wohnen werde ich im Pfarrhaus an St. Remigius, was künftig nach der Fusion im Januar auch die Pfarrkirche der neugegründeten Pfarrei St. Barbara sein wird. 

Erst einmal schauen, was ich vorfinde, betrifft natürlich genauso meine zweite neue Aufgabe als Kreisdechant. Da es sich in der Tat um ein Gebiet von enormer Ausdehnung – von Bedburg bis Wesseling, zwischen Kerpen und Hürth, Bergheim und Brühl – handelt, kann ich nicht den Anspruch haben, wirklich alle Menschen kennenzulernen, und trotzdem will ich natürlich möglichst bald die einzelnen pastoralen Einheiten besuchen, vor allem auch mit den leitenden Pfarrern sprechen, um zu erfahren, was die Menschen primär beschäftigt, wie sie den aktuellen Transformationsprozess gestalten und welche Form von Unterstützung und Zusammenarbeit sie benötigen. 

Pfarrer Hendrik Hülz

"Beziehungsarbeit ist in diesen größer werdenden Einheiten schwieriger geworden, weil die Menschen nur noch punktuell die Möglichkeit haben, ihren Pastor zu treffen."

Jede pastorale Einheit, jede Stadt hat andere Schwerpunkte oder Herausforderungen. In einem Kreisdekanat geht es ja sehr heterogen zu. Und daher will ich jeweils gemeinsam mit den Verantwortlichen am Ort, den Haupt- und Ehrenamtlichen, schauen, wie wir uns diesen Themen stellen können, damit die Menschen in ihrem Glauben gestärkt werden und mit dem Evangelium in Berührung kommen. Das ist sicher auch meine größte Sorge, dass es uns in der Kirche weiterhin gelingen mag, unmittelbar Kontakt zu den Gläubigen herzustellen. Vielleicht müssen wir dafür auch nach neuen Wegen suchen. Jedenfalls habe ich nicht mehr den Anspruch – wie es früher noch in meiner Kaplanszeit der Fall war – dass der Pastor ganz nah bei den Menschen sein kann. Ich würde es mir wünschen, aber wir haben in unserem Erzbistum wie überall in der Kirche eine neue Ausgangslage, und deshalb muss ich versuchen, die herkömmliche Vorstellung von Gemeindeleitung auf andere Weise zu füllen. Denn schließlich bin und bleibe ich ja Priester. Das heißt, ich bin in erster Linie Seelsorger und möchte für die Menschen da sein. Aber Beziehungsarbeit ist in diesen größer werdenden Einheiten schwieriger geworden, weil die Menschen nur noch punktuell die Möglichkeit haben, ihren Pastor zu treffen. Und damit ändert sich natürlich auch ein Stück weit das eigene Selbstverständnis.

Die Kirche St. Remigius in Bergheim ist 850 Jahre alt / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Kirche St. Remigius in Bergheim ist 850 Jahre alt / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Als Kreisdechant sind Sie immer auch die Schnittstelle zwischen Kirche, Staat und Gesellschaft. Da geht es unter anderem um die Festlegung von inhaltlichen Schwerpunkten und Richtlinien der pastoralen Planung. Haben Sie schon Ideen, welche (geistlichen) Impulse Ihnen in diesen Zeiten vielfältiger Krisen in Kirche und Welt besonders wichtig sind?

Hülz: Ich habe noch kein fertiges Konzept in der Tasche, aber ich will versuchen, im Sinne einer synodalen Kirche mit den Menschen meines Kreisdekanates gemeinsam unterwegs zu sein und ihnen gerade in dieser komplexen Lage, in der sich unsere Kirche und die Welt befinden, Mut zu machen und aufzuzeigen, dass wir nicht alleine, sondern von Jesus Christus begleitet sind. Wie die Emmaus-Jünger, die miteinander auf dem Weg sind, hadern, ihre Situation besprechen und nicht wissen, wie es weitergeht. Aber Jesus ist mit dabei und lässt sie nicht alleine. Letztlich zeigt er ihnen doch den Weg, der zu gehen ist. Und irgendwann gehen ihnen die Augen auf und sie merken, dass es Jesus war, der sie begleitet hat.

Bei allen Veränderungen und bei allen Herausforderungen, vor die wir aktuell gestellt sind, dürfen wir darauf vertrauen, dass auch wir die erforderlichen neuen Wege nicht alleine gehen, Christus immer mit dabei ist. Und da ist es dann an uns, seine Gegenwart in unserem Leben zu entdecken und sich ihrer zu vergewissern. Christus ist mit dabei, er geht diesen Weg mit, und ich darf darauf vertrauen, dass die Wege, die wir gehen – auch ins Unbekannte – geführt sind und sich in diesem Miteinander neue Erkenntnisse ergeben. Da muss man auch mutig sein und den Schritt wagen, etwas Neues auszuprobieren – im Vertrauen auf den Herrn. Ich glaube schon, dass wir dann unterwegs merken: Das hat auch sein Gutes, und vielleicht war das genau der richtige Weg. 

Pfarrer Hendrik Hülz

"Ich möchte versuchen, mit den Menschen des Kreisdekanates einen gemeinsamen Weg zu gehen, mit den Verbänden, mit der Caritas und allen, die dazu gehören und mir anvertraut sind."

Als Priester bin ich natürlich mit dem Menschen immer schon auf dem Weg, begleite sie in ihrer persönlichen Situation, in ihrer Trauer genauso wie bei freudigen Ereignissen. Und ich glaube, das ist auch meine Aufgabe als Kreisdechant: mit dem Menschen unterwegs zu sein, jeweils in den unterschiedlichen Gebieten des Kreisdekanates, auch wenn das immer nur punktuell sein kann. Trotzdem möchte ich aber versuchen, mit den Menschen des Kreisdekanates einen gemeinsamen Weg zu gehen, mit den Verbänden, mit der Caritas und allen, die dazu gehören und mir anvertraut sind.

DOMRADIO.DE: Einem Kreisdekanat vorzustehen verändert unter Umständen das eigene Selbstverständnis als Priester. Das deuten Sie selbst an. Der Radius wird größer, die Repräsentationspflichten nehmen zu. Außerdem sind mehr noch als vorher Managementqualitäten gefragt. Geweiht aber wurden Sie einmal, um Menschen in Freud und Leid beizustehen. Haben Sie nicht Sorge, dass Ihnen für diese kirchlichen Kernaufgaben gar nicht mehr genug Zeit und Ressourcen bleiben?

Hülz: Als Kreisdechant habe ich natürlich jetzt – anders als der leitende Pfarrer – mehr übergeordnete Aufgaben. Administrativ und auch was Repräsentation angeht, wird mehr zu tun sein. Ich werde bei vielen Gelegenheiten eingeladen – letztlich auch als Bindeglied zwischen Erzbischof und der konkreten Gemeinde am Ort. Ein Beispiel: Vor zwei Wochen habe ich in Pulheim das neue Pastoralteam eingeführt, die neuen Seelsorger vorgestellt und bin mit den Menschen dort ins Gespräch gekommen. Das war im Grunde ein Sprung ins kalte Wasser. In der Tat aber bin ich natürlich als Kreisdechant auch weiterhin Priester und Seelsorger, nur jetzt auf einer anderen Ebene. Ich arbeite jetzt nochmals anders mit den Verbänden zusammen, mit der Caritas oder dem Kreiskatholikenrat. Aber auch dort versuche ich nach wie vor selbstverständlich, meine Perspektive als Seelsorger einzubringen, nur demnächst bei noch mehr Anlässen und vielleicht vermehrt in politischen Kontexten. 

Außerdem nehme ich eine Art Brückenfunktion zwischen dem Erzbischof und den Gläubigen vor Ort wahr. Ich kann mich für die Anliegen der Menschen hier aus Rhein-Erft ganz anders einsetzen, sie unter Umständen auf die Bistumsebene mitnehmen und dort platzieren. Sorge habe ich allenfalls, dass ich dafür dann hier am Ort nicht mehr so sehr im operativen Geschäft bin. Aber in jedem Fall will ich hier regelmäßig die Gottesdienste feiern und die Sakramente spenden, also Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen feiern, soweit das irgendwie geht. Auf diese Weise erfahre ich gleichzeitig ja auch eine priesterliche Erdung, damit ich andererseits eben auch die Aufgaben auf dieser höheren Ebene gut bewerkstelligen kann.

DOMRADIO.DE: Viele Gemeinden erleben zurzeit, dass sie sich von manchem verabschieden müssen, was einmal ihr Kirche-Sein ausgemacht hat, indem Orte der Vertrautheit aufgegeben werden müssen, weil Gemeinden fusionieren und immer weniger Hauptamtliche für die Seelsorge zur Verfügung stehen. Wie erleben Sie das gerade?

Pfarrer Hendrik Hülz

"Meine Aufgabe als Priester und Seelsorger habe ich da immer schon so gesehen, dass ich für diese Menschen die Räume schaffe, damit sie ihre Ideen konkret an ihrem Kirchturm auch umsetzen können."

Hülz: Jedenfalls erlebe ich nicht, dass die Menschen jammern und klagen, dass früher alles besser war. Stattdessen nehme ich primär wahr, dass es viele gibt, die bei diesem Transformationsprozess mitmachen und Kirche gestalten wollen, die nach vorne schauen, Initiative entwickeln und etwas auf die Beine stellen wollen. Meine Aufgabe als Priester und Seelsorger habe ich da immer schon so gesehen, dass ich für diese Menschen die Räume schaffe, damit sie ihre Ideen konkret an ihrem Kirchturm auch umsetzen können. Denn ich möchte ermöglichen, ihnen da den Rücken stärken und Hilfe zukommen lassen. Wir werden ja auch in Zukunft Orte der Vertrautheit brauchen – sogar mehr denn je. Es gibt im Erzbistum bei dem momentanen Strategieprozess eine geistliche Vision, die besagt: Die Kirche von Köln wächst durch Orte der Vertrautheit. 

Der Tabernakel in St. Remigius, Bergheim / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der Tabernakel in St. Remigius, Bergheim / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Das heißt, unsere Aufgabe wird es in der Zukunft sein, in den größeren Strukturen ganz bewusst auch solche Orte der Vertrautheit zu stärken bzw. neue zu schaffen, was zum Beispiel auch durch Gemeindeteams möglich sein wird, die vom Bistum gefördert werden und die auch hier in Bergheim etabliert werden sollen. Das ist ein großes Thema und viele Menschen an den einzelnen Kirchtürmen brennen dafür, weil sie sich natürlich die Frage stellen, wie sieht es nach der Fusion an unserem Kirchturm aus, und wie können wir es schaffen, das kirchliche Leben weiterhin aufrecht zu erhalten? Solche Überlegungen unterstütze ich, indem ich die Menschen wirklich darin bestärke, Verantwortung vor Ort für ihre Gemeinde zu übernehmen.

DOMRADIO.DE: Eine neue Aufgabe zu übernehmen, wird immer auch von Vorschussvertrauen begleitet. Da traut Ihnen jemand zu, dass Sie das können. Worauf freuen Sie sich am meisten? Und welche Eigenschaften bringen Sie für die neue Aufgabe mit?

Pfarrer Hendrik Hülz

"Nach vorne zu schauen, mit Menschen in die Zukunft zu gehen – das finde ich total spannend."

Hülz: Am meisten freue ich mich auf die Menschen, denen ich in den Pfarreien Bergheims und im Kreisdekanat begegnen werde. Mit ihnen von nun an auf dem Weg zu sein, ist etwas, was mich wirklich mit tiefer Freude erfüllt. Dann finde ich sehr reizvoll, mit ihnen zusammen innovative Ideen für die Pastoral zu entwickeln, gegebenenfalls auch zu experimentieren. So bin ich grundsätzlich für alternative Gottesdienstformen, wie wir sie schon in Leverkusen hatten, offen. Denn ich habe schon erlebt, dass aus einer fixen Idee ein ganz tolles Projekt geworden ist. Nach vorne zu schauen, mit Menschen in die Zukunft zu gehen – das finde ich total spannend.

Kardinal Woelki führt Pfarrer Hülz am Sonntag als neuen Kreisdechanten in Rhein-Erft ein / © Beatrice Tomasetti (DR)
Kardinal Woelki führt Pfarrer Hülz am Sonntag als neuen Kreisdechanten in Rhein-Erft ein / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Ja, was bringe ich mit? Ich denke, eine große Offenheit und ein großes Zutrauen in die Menschen, die ja in ihrem Glaubensleben meist schon eine ganze Weile unterwegs sind und bereits eine Geschichte mit ihrem Glauben haben, sie manchen Weg als getaufter und gefirmter Christ schon gegangen sind, so dass ich quasi nur hinzutrete und mitgehe. Dann bin ich auch ein Mensch, der gerne strukturiert arbeitet. Ich plane gerne vorausschauend und bin in der Regel gut organisiert, wohl wissend, dass andere anders sind und manches dann nicht unbedingt immer genau so funktionieren muss wie gedacht; Spontaneität kann dann auch schon mal eine Herausforderung für mich sein. Ich halte mich für tolerant und bringe ein Stück Bodenhaftung mit. Da ich auch gelernter Gärtner bin und aus der Landwirtschaft komme – aufgewachsen in Bornheim-Brenig – glaube ich, dass ich mir diese "Erdung" auch bewahrt habe und nicht unbedingt abhebe.

Mein Primizspruch stammt aus dem Galaterbrief und lautet: "Dient einander in Liebe!" Auch das Zitat des Propheten Nehemia leitet mich: "Die Freude an Gott ist unsere Kraft." Das sind Bibelworte, die mich in meinem priesterlichen Leben immer begleitet haben – wie auch die Haltung, die Menschen wirklich zu lieben. Das finde ich wichtig – genauso wie etwas nicht von oben herab zu machen oder schwarz-weiß zu denken. Immer geht es darum, den anderen versuchen, zu verstehen und dann auch eine Lösung zu finden. Ich brenne für das, was ich tue. Von daher denke ich schon, dass ich ein großes Herz für die Menschen mitbringe.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti.

Erzbistum Köln

Das Erzbistum Köln zählt zu den bedeutendsten Diözesen in Deutschland, hat jedoch seinen Status des mitgliederstärksten Bistums abgegeben. Mit rund 1,6 Millionen Katholikinnen und Katholiken steht es nun an zweiter Stelle hinter dem Bistum Münster gefolgt von Rottenburg-Stuttgart und Freiburg (je rund 1,5 Millionen). 

Das Vermögen liegt bei rund 3,8 Milliarden Euro (Stand 2023). Damit liegt Köln auf Platz drei hinter Paderborn (7,15 Milliarden Euro) und München-Freising (6,1 Milliarden Euro).

Blick auf den Kölner Dom / © saiko3p (shutterstock)
Quelle:
DR

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