Ein kurzer Moment der Stille – die Musik klingt nach, alle Augen der Sängerinnen und Sänger sind auf Domkapellmeister Eberhard Metternich am Dirigentenpult gerichtet. Noch kurz hält er die Arme nach dem Schlussakkord oben, lässt sie schließlich langsam sinken, nickt fast unmerklich, lächelt. Dann kommt begeisterter Applaus von den Zuhörern. Und damit ist es vorbei; das letzte Konzert im Kölner Dom nach fast vierzig Jahren als Domkapellmeister.

Wir Chorsängerinnen und Chorsänger erleben Metternich zuvor noch einmal wie in all den Jahren: sein präzises Dirigat, die energiegeladene musikalische Führung der Solisten, Chöre und Orchester, die für anderthalb Stunden zu einer musikalischen Einheit verschmelzen.
Kirchenmusik in allen Facetten
Das Konzert wollen viele live erleben, schon eine Stunde vor Konzertbeginn bildet sich eine lange Menschenschlange über die Domplatte. Ab 20 Uhr und einer herzlichen Begrüßung durch Domdechant Robert Kleine gibt es dann rund 90 Minuten unter dem Stichwort "Himmelwärts" geistliche Musik von Mozart und Verdi mit allen Facetten; mit leisen, klagenden Tönen, dann wieder feierlich-festlich-fortissimo, vor allem beim Te Deum des italienischen Komponisten Giuseppe Verdi.
Wie eigentlich immer hat sich der langjährige Domkapellmeister auch für sein letztes Konzert etwas Besonderes für den speziellen Raum des Kölner Domes überlegt. Die beiden Erwachsenenchöre Domkantorei und Vokalensemble Kölner Dom singen von vorne der Vierung aus, davor das Gürzenich-Orchester. Dazu kommen die Solisten Theresa Klose, Katarina Morfa, Felix Tudorache und Konstantin Paganetti. Links vor dem Clarenaltar im nördlichen Seitenschiff singt der Domchor als Knabenchor unter der Leitung von Metternichs Assistenten Simon Schuttemeier, der Mädchenchor steht recht auf dem Chorpodest, dirigiert von Domkantor Oliver Sperling, dem langjährigen Weggefährten Metternichs in der Dommusik. Die Zuhörerinnen und Zuhörer bekommen so einen "Chor-3-D-Klang", der die ganze Kathedrale erfüllt.
Wehmut bei den Chören
So beeindruckend das Konzert mit Verdis klangvollen "Quattro pezzi sacri" und der virtuosen c-moll-Messe von Mozart auch ist – als Sänger im Vokalensemble Kölner Dom, der 16 Jahre bei Eberhard Metternich gesungen hat, mischt sich bei mir doch erheblich Wehmut dazu. Denn der knapp 66-Jährige hat in den Proben zu dem Konzert noch einmal all seine Qualitäten gezeigt; als Mensch und Musiker.
Von Anspannung oder Nervosität vor seinem letzten Konzert merke ich bei den gemeinsamen Proben mit der Domkantorei und dem Vokalensemble nichts. Eigentlich war es so wie immer: Metternich baut regelmäßig kleine Scherze und Anekdoten in die Probe ein ("Das sind schwere Stellen, man muss aber nicht hören, dass sie schwer sind"), nimmt sich selbst nicht zu ernst und doch achtet er auf die musikalische Qualität, benennt Fehler, aber korrigiert so, dass es fair ist, dass alle an einem Strang für ein gutes Konzert ziehen.
Schwierige Passagen singt er auch mit Mitte 60 immer noch perfekt vor, ich frage mich zwischendurch, wie jemand mit so viel Energie überhaupt in den Ruhestand gehen kann.
Jahrelanger Aufbau der Dommusik
Aber natürlich haben die Jahrzehnte am Kölner Dom Kraft gekostet. Die Besetzung seines letzten Konzertes spiegeln den enormen Aufschwung der Dommusik in den vergangenen Jahren deutlich wieder: Rund dreihundert Sänger im Einsatz, dazu vier Gesangssolisten, die alle einen engen Bezug zur Dommusik haben und früher teilweise in den Chören mitgesungen haben, und das Gürzenich-Orchester Köln. Gab es 1987 nur einen Chor, sind es heute vier. Die Domsingschule in Lindenthal existierte zwar schon seit kurzer Zeit, aber Metternich erweiterte sie nach und nach, heute bietet das Chorzentrum im Kardinal-Höffner-Haus in Köln-Lindenthal die Grundschule, eine Musikschule, diverse Probenräume, eine Mensa und vieles mehr.

Auch wenn der Schwerpunkt aller Chöre das Singen im Gottesdienst und geistliche Konzerte ist, baute Metternich Kooperationen mit der Oper, der Philharmonie, dem Kölner Kammerorchester und dem Gürzenich-Orchester auf. Der Kölner Dom, die Dommusik strahlt so in die Stadtgesellschaft, bringt Menschen mit geistlicher Musik in Berührung, die vielleicht sonst nicht erreicht würden.
Uns Sängern hat er stets die Freude am gemeinsamen Musizieren vermittelt, ist immer nahbar mit viel Humor geblieben. Nennen ihn die Knaben des Domchores respektvoll "Herr Metternich" ist er für viele ältere Sänger der Dommusik einfach "Eberhard", der weder den Domkapellmeister noch den Professor raushängen lässt.
Noch ist nicht Schluss
Am Ende seines letzten Konzertes klatschen nicht nur die Zuhörerinnen und Zuhörer Beifall, auch die Chormitglieder applaudieren dem scheidenden Domkapellmeister, der ein oder andere muss sich eine Träne verdrücken. Dass Metternich so im Zentrum steht, ist ihm selber gar nicht so recht. Er lässt im Konzert Domkantor Oliver Sperling die Werke für den Mädchenchor dirigieren, auch sein Assistent kommt zum Einsatz. Beim anschließenden Empfang betont Metternich, dass zum Aufschwung der Dommusik viele beigetragen haben.
Ganz Schluss ist aber noch nicht. Am 31. August wird Eberhard Metternich das letzte Mal seinen Domchor und das Vokalensemble in einer Messe im Dom dirigieren. Dass dann diese Ära tatsächlich vorbei ist, erscheint selbst nach seinem letzten Konzert immer noch unvorstellbar.