Kölner Cornelius-Haus unterstützt suchtkranke Mütter

"Über allem steht das Kindeswohl"

Eltern sein ist anstrengend. Für Eltern, bei denen eine Suchterkrankung vorliegt, gilt das gleich doppelt. Das Kölner Cornelius-Haus unterstützt suchtkranke Mütter und ihre Kinder. Dabei ist das Thema oft mit einem großen Tabu belegt.

Mutter mit Kind (Symbolbild) / © altanaka (shutterstock)
Mutter mit Kind (Symbolbild) / © altanaka ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Welche Frauen kommen zu Ihnen in die Einrichtung?

Kaja Baumecker (Sozialarbeiterin im Cornelius-Haus Köln): Das sind Frauen mit einer Suchterkrankung. Die nehmen wir zum Teil schwanger auf, zum Teil aber auch, wenn das Kind schon geboren ist. Die Frauen sind zum Teil opiatabhängig, zum Teil amphetamin- oder cannabisabhängig oder auch mal ausschließlich alkoholabhängig.

Die Anfragen bekommen wir über das Jugendamt. Bundesweit, hauptsächlich aber aus Köln. Die Frauen kommen aus ganz verschiedenen Lebenssituationen. Zum Teil sind sie vorher wohnungslos gewesen oder in anderen prekären Lagen. Wir nehmen sie dann eben auf mit ihrem manchmal ersten Kind, häufiger ist es aber der Fall, dass es schon Kinder gibt, die zum Teil fremd untergebracht sind.

Zahl der Drogentoten auf Höchststand seit 20 Jahren

Die Zahl der Drogentoten ist weiter gestiegen. Im vergangenen Jahr starben nach Angaben des Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert, 1990 Menschen an den Folgen des Missbrauchs illegaler Drogen. Das waren 164 mehr als im Jahr davor. Der SPD-Politiker nannte die Zahlen "schockierend und alarmierend". "Sucht ist eine Krankheit, kein Stigma. Suchtkranke Menschen dürfen nicht länger ausgegrenzt werden. Deshalb müssen wir über Drogenkonsum, über eine bessere Suchthilfe und mehr Prävention sprechen", sagte Blienert.

Symbolbild Drogen / © monticello (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Alkohol und Drogen sind bei Ihnen in der Einrichtung absolut tabu. Ist das nicht dann ein Riesenproblem für hilfesuchende Frauen mit einer Suchtproblematik?

Baumecker: Es kann tatsächlich schwierig für die Frauen sein, dann abstinent leben zu müssen. Dafür bekommen sie ja bei uns dann Unterstützung oder werden in andere Hilfesystem vermittelt, zum Beispiel in die Suchtberatungsstellen oder therapeutische Maßnahmen, um da einen guten Umgang mit zu finden.

Wir arbeiten auch mit Rückfällen. Das bedeutet, wenn eine Mutter in unserer Einrichtung noch mal konsumiert, dann bedeutet das nicht, dass die Maßnahme sofort beendet wird. Da kommt es auf viele Faktoren an: Wie findet der Konsum statt? Ist das Kind versorgt oder ist es in der Einrichtung? Das sind verschiedene Sachen, die wir dann absprechen und auch mit der Frau besprechen. Aber grundsätzlich steht über allem das Kindeswohl und danach schauen wir immer.

DOMRADIO.DE: Und das Thema, eine gute Mutter zu sein, prägt das die Frauen auch?

Baumecker: Genau. Wir gehen bei den Müttern, die bei uns einziehen davon aus, dass sie eine verantwortungsvolle Mutterschaft erlernen oder einüben wollen. Die Mütter lieben ihre Kinder und wollen alles dafür tun. Es kann aber auch manchmal sein, dass das auch mit Unterstützung schwierig ist. Das ist keine Böswilligkeit der Mütter oder fehlendes Wollen, sondern das hat eben auch ganz viel damit zu tun, was die Suchterkrankung mit sich bringt, zum Teil auch andere psychische Erkrankungen.

Kaja Baumecker, Sozialarbeiterin im Cornelius-Haus Köln

"Das ist keine Böswilligkeit der Mütter oder fehlendes Wollen"

DOMRADIO.DE: Sie haben von der Kooperation mit anderen Stellen gesprochen, um die Problematik zum Beispiel in den Griff zu bekommen. Was bieten Sie vor Ort konkret an Hilfe an?

Baumecker: Wir sind ein multiprofessionelles Team. Es arbeiten Sozialarbeiterinnen, zu denen ich auch gehöre, im Cornelius-Haus. Eine Hebamme, eine Psychologin, eine Alltagsbegleitung. Und in der Nacht sind Erzieherinnen da, die ansprechbar für die Frauen sind. Und es gibt verschiedene Unterstützungen.

Zum Teil geht es darum, Tagesstrukturen zu schaffen, die mit einem Kind eingeübt werden können, Anbindung an andere Hilfen oder Eltern-Kind-Gruppen. Als Sozialarbeiterinnen sind wir für das Case-Management zuständig. Das bedeutet, Hilfen zu koordinieren, sich abzusprechen, mit dem Jugendamt in den Austausch zu gehen. Und meine Kolleginnen bieten dann in ihrem Fachbereich Unterstützung an.

DOMRADIO.DE: Das heißt, die Ziele, auf die Sie mit den Frauen hinarbeiten, sind sehr vielfältig über Sucht und Kinder hinaus?

Baumecker: Genau, das sind viele Sachen, die wir mit den Frauen angehen. Und das sind auch verschiedene Lebenslagen, was die Frauen dann eben brauchen.

DOMRADIO.DE: Wird diese Gruppe der alkohol- und drogenabhängigen Mütter oder Frauen in der Gesellschaft ausreichend wahrgenommen oder wird sie eher verdrängt?

Baumecker: Ich glaube, das wird zu wenig wahrgenommen, das geht sehr mit Tabus einher. Es ist ein Tabuthema, darüber zu sprechen. Elternschaft und eine Drogenabhängigkeit, eine Suchterkrankung, sind ein großes Stigma für die Frauen in unserem Fall oder auch für Väter, die auch betroffen sein können. Die Frauen, die bei uns ankommen, berichten sehr viel von Scham und Schuldgefühlen, die damit einhergehen, überhaupt offen darüber zu sprechen.

Kaja Baumecker, Sozialarbeiterin im Cornelius-Haus Köln

"Es ist ein Tabuthema, darüber zu sprechen"

DOMRADIO.DE: Was wünschen sie sich, was da passiert?

Baumecker: Ich wünsche mir vor allem für die Betroffenen, dass es leichter wird, in Hilfesysteme zu kommen, Ansprechpartner zu finden. Für Familien gibt es zum Beispiel das Angebot Mirai, wo auch eine Anlaufstelle ist, um sich beraten zu lassen, auch mit älteren Kindern zum Beispiel. Bei uns sind ja eher die Jüngeren und da wünsche ich mir einen einfacheren Eingang ins Hilfesystem.

Das Interview führte Bernd Hamer.

Quelle:
DR