Koalitionskrach über Hartz-IV-Äußerungen

Westerwelle zündelt, Merkel zaudert

Die Debatte über die Hartz-IV-Äußerungen von FDP-Chef Guido Westerwelle wächst sich endgültig zum Koalitionskrach aus. Die CSU wirft dem Außenminister Politik für einzelne Interessengruppen vor. Der Ruf nach einem Machtwort Angela Merkels wird laut.

 (DR)

"Als Bundesminister muss man sich immer bewusst sein, dass man alle Deutschen vertritt", sagte CSU-Generalsekretär Dobrindt der "Passauer Neuen Presse" (Montagsausgabe). Unterdessen schlug Westerwelle eine Generaldebatte zur sozialen Gerechtigkeit im Bundestag vor.

Der FDP-Chef sagte der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe), er fordere seine Kritiker auf, sich einer Parlamentsdebatte zu stellen: "Diese Kritiker versuchen mit ihren Beleidigungen doch nur zu verbergen, dass es ihnen an Wahrheit und Argumenten fehlt." Westerwelle sagte: "Wir dürfen nicht zulassen, dass der, der arbeitet, immer mehr der Dumme ist, weil ihm immer weniger bleibt." Herumreden um den heißen Brei führe nur zu noch mehr Politikverdrossenheit.

Machtwort von Angela Merkel
Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu auf, Westerwelle gegen Anwürfe aus Reihen der Koalitionspartner zu verteidigen. "Ich erwarte ein Machtwort von Angela Merkel", sagte Hahn der "Frankfurter Rundschau" (Montagausgabe). Die Bundeskanzlerin müsse "ihren Stellvertreter vor unmöglichen Beschimpfungen aus der Union in Schutz nehmen". Westerwelles umstrittene Äußerungen verteidigte Hahn: "Manchmal gehört auf einen groben Klotz auch ein grober Keil."

Der Chef der FDP-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, Gerhard Papke, sagte der "Financial Times Deutschland" (Montagsausgabe), die Partei werde sich "von der versammelten politischen Linken keine Denkverbote erteilen lassen". "Seit wann ist die Kanzlerin die Oberlehrerin der Nation?" fragte Papke angesichts des Abrückens Merkels von Westerwelles Äußerungen. Wenn Merkel meine, sich von ihrem Vizekanzler distanzieren zu müssen, "muss das die FDP nicht bekümmern".

Auch die FDP-Fraktionschefin im Bundestag, Birgit Homburger, stellte sich hinter ihren Parteichef: "Wir wollen, dass die Mitte in Deutschland endlich wieder fair behandelt wird", sagte sie am Montag dem Radiosender SWR2. Homburger betonte, aus dem Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergäben sich nicht zwangsläufig höhere Regelsätze.

Auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), nannte die Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene im Deutschlandfunk "durchaus auskömmlich". Veränderungen bei den Sätzen für Kinder hingegen seien angemessen, sagte der CDU-Politiker am Montag. Die Äußerungen Westerwelles, wonach die Debatte über die Höhe der Hartz-IV-Leistungen "sozialistische Züge" trage, seien für ihn sachlich nicht korrekt und nicht nachvollziehbar.

Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Manuela Schwesig sagte am Montag im Deutschlandradio Kultur, das Problem seien nicht zu hohe Sozialleistungen. Vielmehr müsse eine anständige Bezahlung der arbeitenden Bevölkerung sichergestellt werden. Die Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern plädierte erneut für flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne.