DOMRADIO.DE: Am Sonntag wird ein neuer Bundestag gewählt. Was ist bis dahin politisch noch in Berlin zu erwarten?

Alexander Riedel (KNA-Hauptstadtbüro): Mitte vergangener Woche hätte ich gesagt eigentlich nicht mehr viel, was Innenpolitik angeht. Dann kam allerdings der schreckliche Anschlag in München, wo ein Afghane mit einem Auto in einen Demonstrationszug gefahren ist. Das war der dritte Akt nach den Anschlägen auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg und auf eine Kita-Gruppe in Aschaffenburg.
In dieser Woche kommt der Innenausschuss des Bundestages noch mal zu einer Sondersitzung zusammen und wird sich mit dem Anschlag in München befassen. Konkrete Beschlüsse des Bundestages sind wohl nicht mehr zu erwarten. Denn selbst die Union, die immer schnelle Entscheidungen in der Migrationspolitik vor der Wahl wollte, plädierte zuletzt auch dafür, dass man eher nach der Wahl entschlossen handeln müsse.
DOMRADIO.DE: Es bleibt also beim Wahlkampf, der aber auch wegen Knappheit der gesamten Wahlkampfzeit nicht ohne ist, oder?
Riedel: Der ist nicht so ohne. Gerade auf die letzten Tage hin ist es ein sehr straffes Programm, welches die Wahlkämpfer absolvieren müssen. Man sieht auch täglich die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten im Fernsehen. Gestern gab es das sogenannte 'Quadrell' mit Scholz, Merz, Habeck und Weidel. Am Montagabend sind die vier wieder im Fernsehen und stellen sich noch einmal Fragen von Bürgern. So geht es bis zur Wahl weiter.
Trotz Wahlkampf arbeitet die Bundesregierung weiter. So wurden in der letzten Woche die Kontrollen an allen deutschen Grenzen noch einmal um sechs Monate verlängert. Auch in dieser Woche kommt das Kabinett zusammen. Deutschland hat internationale Verpflichtungen. Der Bundeskanzler reist heute nach Paris. Dort geht es um die Ukraine. Weder die EU noch die Welt warten auf Deutschland und seine Wahl. Auch auf Trump und seine neue Regierung muss man in Deutschland reagieren.
DOMRADIO.DE: Am 18. Februar gibt es in Berlin eine Würdigung für den am 1. Februar verstorbenen Altbundespräsidenten Horst Köhler. Staat und Kirchen sind auch dabei. Was ist geplant?
Riedel: Geplant sind ein Trauergottesdienst und ein Staatsakt im Berliner Dom. Etwa 1100 geladene Gäste werden aus dem In- und Ausland erwartet. Zunächst feiern die christlichen Kirchen den Trauergottesdienst. Unter anderem wirkt Wolfgang Huber mit. Er war zur Amtszeit von Köhler die meiste Zeit Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Danach folgt der eigentliche Staatsakt. Der Bundespräsident kommt, der Bundeskanzler auch und viele weitere Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker.
Die Wahlkämpfer sind dort noch einmal für einen Moment in stiller Trauer auf den Kirchenbänken vereint. Still ist die Trauer, weil drei Leute reden werden. Das sind zum einen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und zum anderen zwei politische Weggefährten: der frühere österreichische Bundespräsident Heinz Fischer. Er war zur gleichen Zeit Bundespräsident wie Horst Köhler. Dann redet auch noch der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel. Er war Köhlers Chef, als dieser im Finanzministerium gearbeitet hat.
DOMRADIO.DE: Habt ihr bei Trauergottesdiensten als Kolleginnen und Kollegen der katholischen Nachrichtenagentur besonders viel zu tun?
Riedel: Wir berichten natürlich umfänglich darüber, auch was dort gesagt wird. Es ist immer ein besonderer Moment, weil so ein Staatsakt eher sehr selten stattfindet. Es ist nur für ausgewählte Politikerinnen und Politiker.
DOMRADIO.DE: Bei Berlin denkt man aktuell an die Berlinale. Sie feiert ihr 75. Jubiläum. Rote Teppiche, Stars und goldene Bären. Was merkt ihr davon?

Riedel: Es ist viel los in Berlin. Es kommen Stars, Filmschaffende und Fans aus aller Welt. Das bestimmt auch die Debatten in der Hauptstadt. Die Berlinale gilt als besonders politisches Filmfestival. Das zeigt sich in den Filmen, aber auch auf dem roten Teppich. Bei der Eröffnung in der vergangenen Woche wurden zum Beispiel auch Schals und Fotos hochgehalten. Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hatte ein Kleid mit Botschaft an. Mit dieser Botschaft warnte sie vor dem Sterben der Demokratie. Die Berlinale geht noch bis Sonntag, bis zum Tag der Wahl. Es werden noch viele Preise vergeben. Auch von den Kirchen, die mit einer ökumenischen Jury vertreten sind.
DOMRADIO.DE: Gab es denn schon Preise?
Riedel: Bei der Eröffnung wurde der Goldene Ehrenbär an die schottische Schauspielerin Tilda Swinton verliehen, die dann ihre Dankesrede auch für ein politisches Statement genutzt hat. Das ist der erste Aufreger bei der Berlinale gewesen, weil sie am Tag danach bei einer Pressekonferenz noch einmal Sympathie für die Boykottbewegung BDS geäußert hat, die sich gegen Israel richtet. Gerade das Thema Antisemitismus ist bei der Berlinale besonders im Fokus, weil im letzten Jahr bei der Abschlussgala sehr einseitige Kritik an Israel geäußert und dieser nicht widersprochen wurde.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.