Klösterliche Prinzipien im Lauf des Jahres

Keuschheit als exklusive Beziehung zu Gott

Das Klosterleben fasziniert viele Menschen, auch weil es sich so stark vom eigenen Alltag unterscheidet. Wir stellen aus dem Grund verschiedene klösterliche Prinzipien vor – heute: die Keuschheit.

Autor/in:
Kerstin-Marie Berretz
Stille Klostergänge / © Stefan Quilitz (DR)
Stille Klostergänge / © Stefan Quilitz ( DR )

Mit Menschen über das Ordensleben zu sprechen, die keine Ahnung davon haben, ist in der Regel eine gute Erfahrung. Denn so ein Gespräch kann offenlegen, was am Leben im Kloster unverständlich oder vielleicht sogar verrückt zu sein erscheint. Häufig kommt im Laufe des Gesprächs die Frage danach auf, ob der Ordensmann oder die Ordensfrau eine Partnerin, einen Partner oder Kinder habe.

"Gottgeweihte Keuschheit"

Die Aussage allein "Wir versprechen Ehelosigkeit" wird von vielen Menschen nicht so verstanden, wie es die Brüder und Schwestern tun, weil Partnerschaft ja längst auch ohne Trauschein möglich und normal ist. Deswegen braucht das Gelübde der Ehelosigkeit eine genauere Erklärung, wenn andere Menschen verstehen sollen, worum es in diesem Versprechen geht. Denn es geht eben nicht nur darum, mit einem anderen Menschen nicht intim zu werden – wobei ja die Frage berechtigt ist, was Intimität eigentlich genau meint. Eine andere Formulierung kann daher hilfreich sein: In manchen Gemeinschaften versprechen die Schwestern und Brüder "gottgeweihte Keuschheit" anstelle von Ehelosigkeit.

Dieser Ausdruck legt schon eine hilfreiche Spur: Zuerst einmal geht es bei diesem Gelübde – wie bei der gesamten Profess überhaupt – um Gott. Er steht im Mittelpunkt für den Ordensmenschen, und das soll für immer so bleiben. Wenn die Keuschheit also gottgeweiht ist, wird schon einmal die Stoßrichtung klar. Es geht nicht um Verzicht, und es geht auch nicht darum, sich selbst etwas abzuschneiden, was urmenschlich ist. Stattdessen geht es darum, sich Gott ganz und gar zuzuwenden. Er ist der Dreh- und Angelpunkt des Bruders oder der Schwester.

Exklusive Beziehung zu Gott

Darum entscheiden sie oder er sich gegen eine exklusive Beziehung mit einem Menschen und wenden sich ganz Gott zu. Die gottgeweihte Keuschheit betrifft aber auch alle anderen Beziehungen, die ein Mensch im Kloster hat – und unbedingt haben muss. Denn, wenn das Wort von Martin Buber gilt, dass der Mensch am Du zum Ich wird, dann brauchen auch Ordensleute andere Menschen, mit denen sie in Kontakt sind, die sie spiegeln, mit denen sie sich auseinandersetzen können.

Das können praktischerweise die Mitbrüder und -schwestern sein, aber immer auch und selbstverständlich Außenstehende. Diese Beziehungen gilt es freilassend zu gestalten. Denn so, wie ein Ordensmensch quasi keine Güter besitzt, so "besitzt" er oder sie auch keine Menschen.

"Seid bedacht auf das Heil der Menschen"

Gleichzeitig lässt er oder sie sich nicht von anderen Menschen "besitzen". Das bedeutet also, dass die Beziehungen von Ordensleuten von großer Freiheit geprägt sind. Die Brüder und Schwestern binden sich selber nicht an einen anderen Menschen, um ganz ausgerichtet zu sein auf Gott.

Gleichzeitig binden sie auch andere Menschen nicht absolut an sich, um den anderen Menschen ebenfalls frei zu lassen für das, was ihn oder sie zutiefst ausmacht. So sind die Beziehungen keineswegs oberflächlich. Stattdessen bedeutet eine keusche Beziehung immer, dass die Ordensleute sich zurück nehmen. Nicht sie stehen im Mittelpunkt, sondern schlussendlich immer Gott, um den es im Letzten geht. Oder, wie der heilige Dominikus zu sagen pflegte: "Seid bedacht auf das Heil der Menschen". Dieser Satz gilt bis heute in allen keuschen Beziehungen.

Ehelosigkeit nicht vom Verzicht geprägt

Damit wird deutlich, dass sehr viele Menschen, die keine gottgeweihte Keuschheit versprochen haben, sie unbewusst leben. Denn immer wieder sind (Ehe-)Partner darauf angewiesen, auf den oder die andere zuzugehen und sich selbst nicht in den Mittelpunkt zu stellen.

Gleichzeitig ist es nur natürlich, dass auch Menschen in exklusiven Partnerschaften Freundschaften pflegen. Und auch in diesen Freundschaften ist klar, dass es immer noch jemanden anderen gibt, der oder die einen ganz besonderen Platz im Herzen hat.

So ist also das Gelübde der Ehelosigkeit oder der gottgeweihten Keuschheit in keiner Weise vom Verzicht geprägt, sondern von der Zuwendung zu dem, den man am meisten liebt: Gott. Er soll das Zentrum des Lebens sein und ist es auch. Deswegen ist es gewissermaßen natürlich, dass Ordensleute nicht heiraten oder in Liebesbeziehungen leben. Trotzdem können sie sehr glücklich sein.

Quelle:
KNA