Kirchenzeitung setzt mit Themenwoche auf AfD-Aufklärung

"Das muss uns als Kirche interessieren"

Die Alternative für Deutschland sorgt regelmäßig mit rechten Aussagen für Schlagzeilen und Debatten. Das Online-Magazin "Kirche und Leben" im Bistum Münster hat der Partei nun eine ganze Themenwoche gewidmet. Eine gute Idee?

Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, und Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der AfD / © Carsten Koall (dpa)
Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, und Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der AfD / © Carsten Koall ( dpa )

DOMRADIO.DE: An diesem Wochenende haben Sie Ihre Reihe mit insgesamt sechs Interviews abgeschlossen. Warum haben Sie sich als kirchliches Medium so intensiv mit der AfD auseinandergesetzt?

Markus Nolte  / © Michael Bönte / Kirche-und-Leben.de
Markus Nolte / © Michael Bönte / Kirche-und-Leben.de

Markus Nolte (Chefredakteur Online des katholischen Online-Magazins "Kirche+Leben" des Bistums Münster): Wir haben uns deshalb damit auseinandergesetzt, weil uns die Themen der Menschen, mit denen wir zu tun haben, auch in den Gemeinden interessieren. Auch Gemeindechristen sind Bürger und Bürgerinnen dieses Landes.

Markus Nolte

"Wie groß ist die Gefahr und wie gehen wir als Kirche damit um?"

Wir haben diese Themenwoche eigentlich dauernd. Wir setzen jede Woche unter einem bestimmten Schwerpunkt. In der Redaktionskonferenz oder im Newsroom-Team waren wir von einem Interview sehr durchgerüttelt, das der Chef des Bundesverfassungsschutzes, Herr Haldenwang, den Tagesthemen unmittelbar nach dem Ende des AfD-Parteitags in Magdeburg gegeben hat. Da hat er noch mal sehr deutlich betont, wie sehr es die Pflicht seiner Institution ist, sich aus der deutschen Geschichte heraus, um den Schutz des Grundgesetzes zu kümmern.

Er sieht daher die Pflicht, zumindest vor Tendenzen innerhalb der Partei zu warnen, die definitiv verfassungsfeindlich sind, wie er das ausgedrückt hat, weil sie zum Beispiel massive Bürgerrechte oder die Menschenwürde bestimmter Gruppen in Abrede stellt. Namentlich nannte er vor allem Flüchtlinge, er nannte Muslime und auch queere Personen.

Da haben wir dann überlegt, wenn es in diese Richtung geht, wenn also Menschen, die in diesem Land Minderheiten darstellen oder die Gefahr laufen, dass sie in ihrer Menschenwürde verletzt werden, dann muss uns das als Kirche auch interessieren. Das ist nach unserer Wahrnehmung evangeliumsgemäß.

Ein Delegierter der AfD wartet auf den Beginn der Europawahlversammlung. / © Klaus-Dietmar Gabbert (dpa)
Ein Delegierter der AfD wartet auf den Beginn der Europawahlversammlung. / © Klaus-Dietmar Gabbert ( dpa )

Das heißt, es geht uns als erstes gar nicht darum, die AfD oder Teile davon in Abrede zu stellen oder zu kritisieren, sondern auf diese Gefahr hinzuweisen, beziehungsweise zu analysieren: Wie groß ist die Gefahr und wie gehen wir als Kirche damit um?

DOMRADIO.DE: Sie haben ganz unterschiedliche Personen ausgewählt, aber keine von denen argumentiert pro AfD. Hätte es nicht auch jemanden gebraucht, der mal ein bisschen die Partei erklärt und etwas weniger kritisch auf sie schaut?

Nolte: Wir wollen schauen, dass wir Experten haben, die sich positionieren oder die diese Analysen machen. Wir wissen vor Beginn des Interviews nicht, wie die Leute reagieren, wie sie es einschätzen. Das ist nicht unsere Aufgabe.

Wir suchen die Leute nicht danach aus, ob sie pro AfD oder contra AfD sind, sondern wegen ihrer Fachexpertise. Das ist meines Erachtens journalistischer Standard. Ich kann nicht sagen, wir brauchen noch einen, der die AfD unterstützt. Das ist nicht die Frage von Journalismus.

Wir haben bewusst gesagt, wir fragen einen Historiker, wir fragen einen Sozialethiker, wir fragen einen Philosophen und wir fragen eine Dame, die sich mit Rechtsextremismus auskennt. Darüber hinaus haben wir zwei Verantwortungsvertreter aus dem Bereich der katholischen Kirche gefragt, nämlich Bischof Overbeck und die ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp für den Laienbereich.

DOMRADIO.DE: Was war für Sie persönlich in dieser intensiven Auseinandersetzung mit der AfD das wichtigste?

Nolte: Ich denke schon, dass es eine wichtige Rolle war, zu schauen, wie gefährlich diese Situation gerade ist. Da kommen unsere Gesprächspartner zu unterschiedlichen Einschätzungen. Beispielsweise sagt der Historiker Thomas Großbölting, dass er Parallelen zur Weimarer Republik als übertrieben ansieht und zu einer gewissen Gelassenheit rät, auch wenn er schon sagt, dass es ein gewisses Gefahrenpotenzial gibt.

Dann gibt es andere Leute wie Bischof Overbeck oder Frau Stetter-Karp, die sagen, wir müssen hier sehr, sehr wach sein. Andernorts sagte auch der frühere FDP-Innenminister Gerhard Baum dieser Tage: Werdet endlich wach. Ebenso ähnlich äußerte sich der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz, der entsprechend in diesen Kreisen verschrien ist.

Der andere Punkt, der für uns als Kirche entscheidend war und der große Wellen geschlagen hat, war die Frage, ob Leute, die die AfD unterstützen oder AfD-Mitglied sind, auch innerhalb der Kirche in Gremien Aufgaben übernehmen können. Da hat sich Frau Stetter-Karp sehr weit nach vorne gewagt, indem sie gesagt hat, dass sie sich das nicht vorstellen kann.

Die Frage ist aber, ob das juristisch möglich ist. Da haben sich am Wochenende diverse Leute zu geäußert, auch der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller, die sagen, das ist denkbar und machbar, wenn man es nicht auf eine Partei zuspitzt. Denn natürlich ist die AfD eine Partei, die nicht verboten, sondern die auch in den Landtagen verschiedener Länder und im Bundestag vertreten ist.

Aber wer eine Grundgesinnung zum Beispiel gegen fremde Menschen, gegen Migranten, gegen queere Persönlichkeiten, gegen Muslime innehat, der sollte zumindest nicht selbstverständlich in unseren kirchlichen Gremien Verantwortung übernehmen.

DOMRADIO.DE: Vor Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 war die AfD in den Umfragen im Sinkflug. Stellt sich da nicht die Frage, wenn Leute wie Björn Höcke, Chef des AfD-Landesverbandes in Thüringen, durch Provokationen auffallen, sollten Medien das dann vielleicht nicht eher ignorieren und nicht noch diese Positionen aufgreifen?

Nolte: Wir greifen die Positionen ja nicht auf. Das ist die Politik, die manche Parteien, wie zum Beispiel auch die AfD gerne spielen.

Es ist auch unsere Aufgabe als kirchliches Medium, nicht ständig über die AfD und ihre Positionen noch mal zu berichten, sondern unsere Aufgabe ist es, im Blick zu behalten, ob in unserer Gesellschaft Menschen, die es ohnehin nicht leicht haben oder die wegen ihres Seins als Flüchtlinge oder als Muslime oder als queere Person in Minderheiten sind, ein Problem bekommen. Das müssen wir wahrnehmen und davor müssen wir warnen. Da sollten wir genau hingucken.

AfD-Landesparteitag in Thüringen / © Michael Reichel (dpa)
AfD-Landesparteitag in Thüringen / © Michael Reichel ( dpa )

Die zweite Frage ist dann, ob man damit Anliegen der AfD unterstützt? Das würde ich verneinen, weil es umso wichtiger ist, ganz nah an der Sache zu argumentieren.

DOMRADIO.DE: Die Statements stehen auf Ihrer Homepage, Ihre Themenwoche ist beendet. Da kann man aber noch mal alles nachlesen. Was sollten die Userinnen und User von diesen Standpunkten auf ihrer Seite mitnehmen?

Nolte: Ich tu mich immer schwer, unseren Lesern zu sagen, was sie tun sollen. Das sind alles mündige Menschen. Das sind mündige Christinnen und Christen, die in der Gesellschaft ihre Rolle haben. Wir wissen, dass wir sehr engagierte Leute unter unseren Lesern haben.

Wenn wir ihnen dazu einen Beitrag leisten können, dass sie sich selber ein Bild machen können und das auch gut mit Argumenten begründet vertreten können, dann ist, glaube ich, unser Auftrag erfüllt. Wir werden niemanden dazu zwingen – das können wir auch gar nicht und das wollen wir auch gar nicht – eine bestimmte Meinung aufzwingen.

Wir haben unlängst eine Themenwoche zum Kirchenaustritt gehabt, wo wir gefragt haben, warum auch besonders engagierte Menschen aus der Kirche austreten? Was ist deren Anliegen? Ich glaube, solche Artikel bringen alle weiter. Es bringt nichts, nur über Skandale zu berichten. Auch das gehört leider zu unseren Aufgaben.

Wichtiger ist, dahinter zu gucken. Was sind Motivationen, woher kommen Entwicklungen, die wir haben, wie können wir sie einordnen? Ich glaube, das hilft, dass Christen bei allem, großenteils selbstverschuldeten Relevanzverlust dieser Kirche, trotzdem Position beziehen können.

Wenn ich ehrlich bin, fehlt mir das in Sachen AfD zum Beispiel an dieser Stelle, wo gesellschaftliche Minderheiten, wie man sie so nennt, bedroht werden. Da fehlt mir in der Tat eine deutlichere Positionierung von Verantwortlichen in der Kirche.

Wenn wir ein bisschen dazu beitragen können, dass unsere Gemeindemitglieder, unsere Christinnen und Christen, die für diese Kirche nach wie vor stehen, dazu ihren Beitrag leisten können, ist doch eine Menge gewonnen.

Das Interview führte Mathias Peter. 

Quelle:
DR