Kirchenvertreter sind offen für Debatte um Kirchen-Umnutzung

Neue Wege für alte Mauern?

Kita, Kletterhalle oder Club? Europaweit erhalten stillgelegte Kirchen neue Funktionen. In Deutschland stellt sich für rund ein Drittel der Gebäude die Frage nach einer neuen Nutzung. Kirchenvertreter zeigen sich offen.

Autor/in:
Marlene Brey
Symbolbild: Sitzecke und Arbeitsplätze im Coworking Space "Digital Church" in einer umgenutzten Kirche in Aachen. / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild: Sitzecke und Arbeitsplätze im Coworking Space "Digital Church" in einer umgenutzten Kirche in Aachen. / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Angesichts sinkender Mitgliederzahlen und knapper Kassen ringen Kirchen in Deutschland und Europa um die Zukunft ihrer Gotteshäuser. "Gebäude müssen für Menschen da sein und nicht umgekehrt", betonte Anne Gidion, Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), am Montagabend bei einer Veranstaltung der EKD in Brüssel. 

Anne Gidion / © K. Baumann (EKD Berlin)
Anne Gidion / © K. Baumann (EKD Berlin)

Es gelte, Nutzungen zu finden, "die heute funktionieren". Das bedeutet in manchen Fällen schmerzhafte Abschiede, aber auch Chancen. Rund ein Drittel der Kirchen wird Schätzungen zufolge langfristig nicht mehr für Gottesdienste benötigt.

Die Kulturbeauftragten Johann Hinrich Claussen von der EKD und Jakob Johannes Koch von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz verdeutlichten anhand zahlreicher internationaler Beispiele, wie weit die Transformation kirchlicher Räume bereits fortgeschritten ist und wie komplex sie sein kann. Besonders der Blick in die Niederlande, wo mehr als 2.000 Kirchen umgewidmet oder verkauft wurden, könne Orientierung geben. In Maastricht etwa ist eine Buchhandlung in ein ehemaliges Gotteshaus eingezogen.

"Wir sind noch ein bisschen verspannt"

Lange sei man davon ausgegangen, dass der Handlungsdruck nur regional bestehe, sagte Koch. Doch inzwischen sei die Lage deutschlandweit dramatisch. Sowohl evangelische als auch katholische Gemeinden verzeichneten seit der Pandemie stark rückläufige Gottesdienstbesuche, je nach Ort zwischen 35 und 60 Prozent. Die Debatte über neue Nutzungskonzepte aufzuschieben, könne man sich kaum noch leisten.

"Eine Kirche einfach abzuschließen, kostet im Durchschnitt rund 5.000 Euro im Monat", erklärte Koch. Länder wie die Niederlande und Belgien seien Deutschland bei der Umnutzung um Jahrzehnte voraus. "Wir sind noch ein bisschen verspannt", sagte er. Gleichzeitig warnte er vor Schnellschüssen. Kirchen prägten mit ihrer oft herausragenden Architektur das Stadtbild, nicht ohne Grund stünden 80 bis 90 Prozent unter Denkmalschutz.

"Man wird nicht jede Kirche retten können"

Claussen erinnerte daran, dass Kirchenbauten Gemeingüter seien: "Sie gehören nicht nur den Kirchen, sondern der Gesellschaft." Das müsse bei allen Überlegungen zu neuen Funktionen berücksichtigt werden. Dabei gebe es überzeugende und weniger überzeugende Beispiele. Als "Top" nannte er die frühere Elias-Kirche in Berlin-Prenzlauer Berg, in der heute ein Kindermuseum untergebracht ist. 

Als "Flop" bezeichnete er ein Hamburger Projekt: Dort wurde wegen des Denkmalschutzes ein Abriss verhindert, woraufhin eine Kita eingerichtet wurde, "ohne Fenster und mit schlechter Belüftung". Seine Lehre daraus: Den Wandel annehmen und notwendige Abschiede akzeptieren. "Man wird nicht jede Kirche retten können."

Umnutzung und Profanierung von Kirchen

Obwohl in Deutschland sowohl katholische als auch evangelische Kirchen leer stehen, ist die Umwidmung katholischer Kirchen komplizierter. Wenn eine katholische Kirche – oder ein anderer heiliger Ort – Weihe oder Segnung verliert, geschieht durch diese Profanierung das Gegenteil der (Kirch-)Weihe. Angeordnet wird eine solche Entwidmung durch ein Dekret des Diözesanbischofs, das im Allgemeinen in einem letzten Gottesdienst verlesen und damit wirksam wird. Damit wird dann das Gotteshaus dauerhaft profanem Gebrauch überlassen.

Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie (shutterstock)
Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie ( shutterstock )
Quelle:
epd