Kirchen üben Kritik an Verantwortlichen für Draghi-Rücktritt

"Primitiv und egoistisch"

Italienische Kirchenvertreter haben Politiker kritisiert, die für die Regierungskrise und den Rücktritt Mario Draghis verantwortlich sind. Auch ein Appell von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin nutzte letzlich nichts.

Papst Franziskus und Mario Draghi 2013 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus und Mario Draghi 2013 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Als "primitiv und egoistisch" bezeichnete der römische Weihbischof Benoni Ambarus am Donnerstag auf Twitter "einen großen Teil der politischen Klasse". Es sei "traurig", dass so "wieder einmal die Schwächsten für diese Krise bezahlen" würden.

Nach einem Koalitionsstreit ist der italienische Ministerpräsident Draghi am Donnerstag von seinem Amt zurückgetreten. Es war das zweite Rücktrittsgesuch innerhalb weniger Tage. Koalitionspartner hatten Draghi bereits in der vergangenen Woche bei einer Abstimmung das Vertrauen entzogen.

Neuwahlen im Oktober?

Einem Vertrauensvotum am Mittwochabend blieben gleich drei Regierungsparteien fern. Draghi soll zunächst geschäftsführend im Amt bleiben. Für das Land wichtige Reformprojekte dürften aber vorerst auf Eis liegen. Es wird mit Neuwahlen im Oktober gerechnet.

Mario Draghi / © Boris Roessler (dpa)
Mario Draghi / © Boris Roessler ( dpa )

Von einer "populistischen Kultur, verkleidet als Robin Hood mit den Absichten des Sheriffs von Nottingham" spricht der Journalist und Jesuit Francesco Occhetta. Überraschend sei das Agieren der beteiligten Partei "5 Stelle" jedoch nicht. "Populismen sind wie Stürme, die an allem, was Regierung und Institutionen ist, zerbrechen", erklärte Occhetta weiter in der katholischen Zeitschrift "Famiglia Christiana" (Donnerstag).

Appell von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin

Bereits vergangene Woche hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin an die Verantwortung der italienischen Regierung appelliert. "Wir müssen alle zusammenarbeiten und dürfen uns nicht spalten", erklärte der Kardinal am Rande einer Veranstaltung vor Journalisten.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin / © Dalati & Nohra (dpa)
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin / © Dalati & Nohra ( dpa )

"Je stabiler eine Regierung in der heutigen Zeit ist, desto eher wird sie in der Lage sein, die zahlreichen Herausforderungen zu bewältigen, die sich ihr stellen und die wirklich epochal sind."

Auch der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Matteo Zuppi, hatte die Beteiligten zuvor zur Vernunft aufgerufen.

Zudem zeigte er sich besorgt über die "politische Situation, die sich mit einer allgemeinen Krisenphase zu überschneiden droht, die das Leben von Einzelpersonen und Familien bereits stark beeinträchtigt".

Bischöfe appellieren an Vernunft der Politiker

Unterdessen haben Italiens Bischöfe die führenden Politiker des Landes zur Vernunft aufgerufen. Angesichts der Regierungskrise dürfe es in der politische Auseinandersetzung nicht an Respekt fehlen, mahnte der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Matteo Zuppi, am Freitag in Rom.

Weiter appellierte er an "die individuelle und kollektive Verantwortung, die nächste Wahlfrist einzuhalten". So erfordere es "das unverzichtbare höhere Interesse", persönliche Interessen zurückzustellen, "um die Politik von Taktiken zu befreien, die heute für alle unverständlich und riskant sind".

Kardinal Matteo Zuppi / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Matteo Zuppi / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Zuppi rief die Politiker zu "gemeinsamen Visionen ohne Hinterlist" auf. "Wir können die Zukunft der nächsten Generationen nicht mit der Gegenwart als einzigem Horizont aufbauen, weil kurzsichtige Interessen unweigerlich zu parteiischen Einzelinteressen werden", so der Vorsitzende der italienischen Bischöfe. Besonders geschützt werden müssten die Schwächsten der Gesellschaft, die schon stark von der Covid-Pandemie betroffen waren.

Es schlage "unweigerlich die Stunde der Pflichten und Verantwortlichkeiten", in der die Politik den besten Schnittpunkt zwischen dem Guten und dem Möglichen finden müsse, forderte Zuppi.

Vorhandenen Ressourcen dürften nicht verschwendet, sondern müssten in den Dienst des Gemeinwohls und der gesamten Bevölkerung gestellt werden. Die italienischen Bischöfe hofften, dass sich viele Politiker "aus tiefer Motivation für das Gemeinwohl einsetzen".

 

Italiens Staatschef Mattarella: Nicht vor Pflichten drücken

Nach seiner Wiederwahl zum Staatsoberhaupt Italiens hat Sergio Mattarella seinen Dienst für die Republik signalisiert. Die schwierigen Tage der Präsidentenwahl und des gesundheitlichen und wirtschaftlichen Notfalls erforderten Verantwortungsbewusstsein und die Beachtung der Entscheidungen des Parlaments, sagte der 80-Jährige am späten Samstagabend in seinem Amtssitz in Rom. "Diese Bedingungen zwingen dazu, sich den Pflichten, die rufen, nicht zu entziehen", erklärte der Sizilianer weiter.

Sergio Mattarella, Präsident von Italien / © Fabio Frustaci (dpa)
Sergio Mattarella, Präsident von Italien / © Fabio Frustaci ( dpa )
Quelle:
KNA