Kirchen rügen Londons "Ruanda-Deal"

Abschiebeflug am Abend

Vor dem für Dienstagabend geplanten ersten Abschiebeflug nach Ruanda haben führende Vertreter der Kirchen sowie des Islam die Migrationspolitik der britischen Regierung kritisiert. Sie bezeichneten das Vorgehen als "unmoralisch".

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Demonstranten protestieren in einem Abschiebezentrum in Gatwick mit Schildern gegen Pläne, Migranten nach Ruanda zu schicken. / ©  Victoria Jones/PA Wire (dpa)
Demonstranten protestieren in einem Abschiebezentrum in Gatwick mit Schildern gegen Pläne, Migranten nach Ruanda zu schicken. / © Victoria Jones/PA Wire ( dpa )

Der Ruanda-Deal sei "unmoralisch" und eine Schande für Großbritannien, heißt es in einem Brief der Führungsspitze der Church of England, aus dem die "Times" (Dienstag) zitiert.

Ähnlich äußerten sich demnach der katholische Kardinal Vincent Nichols von Westminster und der Erzbischof von Wales, Andy John. Imam Qari Asim von Leeds, einer der prominentesten muslimischen Geistlichen Großbritanniens, sagte, die Politik "fordert unser menschliches Gewissen heraus und zwingt uns, uns für die Menschenwürde einzusetzen".

Trotz teils massiver Proteste sollen am Dienstagabend die ersten rund zehn Migranten nach Ruanda gebracht werden. Die Klage unter anderem von Menschenrechtsorganisationen und der UN war Montag abgewiesen worden. Ursprünglich sollten rund 130 Personen ausgeflogen werden, die in den letzten Jahren mit kleinen Booten über den Ärmelkanal kamen, um in England Asyl zu suchen.

"Beschämende Politik"

Das Abkommen, das die Regierung von Boris Johnson im April mit dem autokratisch regierenden Präsidenten Paul Kagame schloss und für das Ruanda 120 Millionen Pfund (rund 144 Millionen Euro) erhält, sorgt seither international für Empörung; selbst der britische Thronfolger Prinz Charles äußerte laut Berichten Kritik. Die Kirchen prangern das Vorgehen seit Monaten an.

Boris Johnson (shutterstock)

"Ob heute der erste Abschiebeflug Großbritannien nach Ruanda verlässt oder nicht, diese Politik sollte uns als Nation beschämen", heißt es in dem Brief, der vom Primas der anglikanischen Kirche, Erzbischof Justin Welby von Canterbury, Erzbischof Stephen Cottrell von York und den 23 Bischöfen, die als "Lords Spiritual" im britischen Oberhaus sitzen, unterzeichnet ist.

"Die Schande liegt bei uns, denn unser christliches Erbe sollte uns dazu inspirieren, Asylbewerber mit Mitgefühl, Fairness und Gerechtigkeit zu behandeln."

Weiter kritisieren die Bischöfe, die Abgeschobenen hätten keine Chance, Einspruch zu erheben oder möglicherweise in Großbritannien lebende Familienmitglieder zu sehen. "Abschiebungen und die mögliche erzwungene Rückführung von Asylsuchenden in ihre Heimatländer sind nicht der Weg", schreiben die Bischöfe.

"Ernsthafte ethische Fragen"

Welby hatte bereits in seiner Osterpredigt gesagt, der Plan werfe "ernsthafte ethische Fragen" auf und könne "dem Urteil Gottes nicht standhalten". Auf die Kritik von Innenministerin Priti Patel und Johnson an seiner Intervention nannte er in der "Times" die Forderung, dass er nicht politisch sein sollte, "Unsinn". Welby wörtlich: "Jeder ist politisch. Leute wie Boris Johnson wissen das ganz genau."

Im britischen Oberhaus (House of Lords) sind 26 Sitze für Bischöfe der Church of England bestimmt, die von den dienstältesten männlichen und weiblichen Bischöfen besetzt werden. Einer ist vakant, da der Bischofssitz in Winchester derzeit unbesetzt ist.

Quelle:
KNA