Kirche wehrt sich gegen Vorwürfe des UN-Antifolterkomitees

Der Vatikan am Pranger

Der Heilige Stuhl hat sich gegen Kritik des UN-Antifolterkomitees verteidigt, die Konvention gegen Folter und unmenschliche Behandlung nur auf den Vatikanstaat beschränkt anzuwenden. Der Kirchenstaat sei "eine der effektivsten moralischen Stimmen der Welt".

Vatikan (dpa)
Vatikan / ( dpa )

Zärtlich geht es nicht zu bei der Prüfung des Heiligen Stuhls vor dem UN-Antifolterkomitee in Genf. "Gegrillt" wird der Vatikan nach der Wortwahl englischsprachiger Berichterstatter. Im Mittelpunkt steht einmal mehr der sexuelle Missbrauch durch Priester. Auf dieses Ziel ging eine Breitseite zu Beginn der zweitägigen Diskussion am Montag. Doch auch die Delegation des Papstes hatte sich gut munitioniert.

2002 unterzeichnete der Heilige Stuhl die Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Dem Abkommen nach hätte der Vatikan schon ein Jahr später einen Bericht vorlegen sollen. Dass er erst Ende 2013 kam, rechtfertigt er mit dem Verweis darauf, eine Verspätung sei unter Mitgliedstaaten "nicht unüblich".

Die Berichterstatterin des UN-Expertenausschusses, Felice Gaer, fragt indessen nicht nur nach dem Grund der Verzögerung, sondern macht auch ein Fass aus jüngerer Zeit auf: Es geht um die Verantwortung der Kirchenleitung für Vergehen ihrer Mitarbeiter weltweit, näherhin sexuellen Missbrauch - aus Sicht der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin und Menschenrechtlerin auch eine Form "erniedrigender Behandlung".

Gaer wirft dem Vatikan vor, sich aus der Verantwortung stehlen zu wollen: Der Heilige Stuhl unterzeichnete die UN-Konvention in seiner Eigenschaft als internationales Völkerrechtssubjekt, will es aber nur auf den Vatikanstaat mit seinen 451 Einwohnern anwenden. Eine solche Reduktion auf die "vier Ecken" der 55-Hektar-Enklave in Rom ist nach Darstellung Gaers unzulässig.

Ihr zufolge würde das "bedeutende Lücken" in den Schutz reißen, den die Konvention sichern soll. Auch die Einschränkung auf vatikanisches Justizpersonal findet sie unzulässig: Wenn der Papst sowohl Chef des Heiligen Stuhls als auch letzte Weisungsinstanz für jeden Priester rings um die Erde sei, müsse der Heilige Stuhl auch beim Bodenpersonal für eine Einhaltung der von ihm unterzeichneten UN-Konvention sorgen.

Der Vatikan weist die Kritik durch eine Stellungnahme seines diplomatischen Vertreters in Genf postwendend zurück. Die Verpflichtung und Verantwortung für Strafverfolgung liege bei den einzelnen Staaten, deren Bürger die Kleriker seien, erklärte Erzbischof Silvano Tomasi. Der Heilige Stuhl respektiere die "Autonomie und Souveränität der Staaten".

Nicht nur das: Die katholische Kirche ist laut Tomasi "eine der effektivsten moralischen Stimmen der Welt für die Menschenrechte". In dem Sinn verwies der Heilige Stuhl in seinem Bericht auf 2.700 Botschaften und Medienbeiträge gegen Folter allein in den Jahren 2002 bis 2009. Der Vatikanstaat selbst, so Tomasi, besserte just 2013 sein Strafrecht nach, um es auf den Stand der Antifolterkonvention zu bringen.

Dass Gegenwind aus dieser Richtung kommen würde, war dem Vatikan klar. Vorsorglich stellte Tomasi schriftlich mögliche Einwände und passende Entgegnungen zusammen. Die Kirche, heißt es da, betreibe keine Haarspalterei mit der Unterscheidung von Heiligem Stuhl und Vatikanstaat, sondern achte nationale Souveränität. Die Kirche unterstelle ihre 1,2 Milliarden Mitglieder nicht nur der weltlichen Gerichtsbarkeit, sondern sorge dafür, dass straffällige Kleriker zusätzlich zur zivilen Sanktion auch noch kirchenrechtlich büßen müssten.

Beim Missbrauch geht der Vatikan sogar in die Offensive: Dass die Strukturen der katholischen Kirche pädophile Übergriffe förderten, sei "absurd unlogisch und intellektuell verlogen". Im Vergleich der Berufsgruppen liege die Missbrauchsrate bei Klerikern am unteren Ende. Wer hartnäckig auf die Kirche einhacke, wolle "die Kirche zerstören und nicht Kindesmissbrauch beenden".

Und zum Thema Folter: Da will der Vatikan auch über jene sprechen, "die gefoltert und getötet werden, bevor sie geboren werden". Nicht die Kirche müsse ihre Haltung zu Frauenrechten ändern, sondern Leute wie Gaer sollten bitte von ihrer "direkten Verletzung der Meinungsfreiheit und der Religionsfreiheit" ablassen.

Kurz vor der Überprüfung durch das Antifolterkomitee hatte sich der Vatikan durch seinen Sprecher Federico Lombardi gegen "ideologischen Druck" verwahrt und namentlich die Debatte um Kindesmissbrauch genannt. Die Delegation von Tomasi betont, man stehe in Genf nicht vor einem "Tribunal". Die Kirche steckt nicht nur ein, sie teilt auch aus. Oder biblisch: Sie hält nicht jedem, der sie schlägt, die andere Wange hin.


Quelle:
KNA