Kirche in China steht unter ständiger Beobachtung

Zur Loslösung vom Vatikan genötigt?

Wie geht es den Christen ein China? Heute, am Weltgebetstag für die Kirche in China, spricht Steyler Missionar Pater Martin Welling, dem Direktor des China-Zentrums in Sankt Augustin, über ein viel zu wenig beachtetes Problem.

Menschen beten am 13. Januar 2019 vor der Kirche Xishiku in Peking (China). / © Gilles Sabrie (KNA)
Menschen beten am 13. Januar 2019 vor der Kirche Xishiku in Peking (China). / © Gilles Sabrie ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wir blicken auf die Situation der Katholiken, die in China in der mit dem Vatikan verbundenen Untergrundkirche organisiert sind. Der Name sagt es schon: Diese Gläubigen, die müssen weitestgehend ein Leben im Untergrund führen. Wie sieht das konkret aus?

Pater Martin Welling (Steyler Missionar und Direktor des China-Zentrums in Sankt Augustin): Der Begriff Untergrundkirche kann leicht irreführend sein. Das Missverständnis, dass die Untergrundkirche treu zum Papst steht und dass die offizielle Kirche nicht mit dem Papst verbunden sei, möchte ich aus dem Weg räumen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Gemeinschaften - Untergrund- und offizielle Kirche - , der liegt nicht so sehr im Verhältnis zum Papst, sondern eher im Verhältnis zur Kommunistischen Partei Chinas. 

Teilnehmer schwenken die Flagge von China bei der Ankunft von Papst Franziskus zu einem Gottesdienst am 3. September 2023 / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Teilnehmer schwenken die Flagge von China bei der Ankunft von Papst Franziskus zu einem Gottesdienst am 3. September 2023 / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Die nämlich hat in ihren verschiedenen Vorschriften ein System aufgesetzt, bei dem jede Religion eine patriotische Vereinigung haben muss und durch diese bestimmt und kontrolliert die atheistische Partei, eben das gesamte religiöse Leben. Die Amtsträger müssen sich alle registrieren und da verlangen die Statuten für die Patriotische Vereinigung der katholischen Kirche neben der Liebe zum Vaterland und natürlich dem Gehorsam zur Kommunistischen Partei, ein unermüdliches Streben nach der Autonomie der chinesischen Kirche. Das schließt die Loslösung von Rom und vom Papst als ein Ziel mit ein.

Martin Welling

"Manche Priester und Bischöfe werden auch heute noch unter Hausarrest gehalten."

Ja, viele Bischöfe und Priester, stören sich nicht an dieser Formulierung und nehmen das vielleicht ein bisschen lockerer und lassen sich dann registrieren in der offiziellen Kirche, obwohl sie diese Autonomie nicht zwingend wünschen. Wenn Sie dann zur offiziellen Kirche gehören, können Sie dort trotz aller Überwachung, die es auch gibt, oft ein bewundernswertes, lebendiges Kirchenleben führen. 

Andere können ein solches Versprechen nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren und weigern sich strikt, sich registrieren zu lassen. Nur damit gelten sie vor dem Gesetz als falsche Priester. All ihre religiösen Handlungen sind illegal und mit hohen Geldstrafen bewährt, die mittlerweile unbezahlbar sind. So droht ihnen dann auch noch Berufsverbot. Oder noch schlimmer: Manche Priester und Bischöfe werden auch heute noch unter Hausarrest gehalten.

DOMRADIO.DE: Hinzu kommt jetzt, dass sich die Lage für diese Untergrundkirche nach Corona weiter verschlechtert. Was ist da los?

Welling: Während der Coronazeit wurde die Überwachung aller Menschen in China intensiviert, soweit das überhaupt noch geht. Überall noch mehr Kameras, noch mehr Überwachung. Und es wurde wieder ein von der Kulturrevolution noch bekanntes System, das Grid-System, eingeführt. Das heißt, man teilt die Städte und Dörfer in kleinere Einheiten ein, zum Beispiel nur ein Hochhaus oder Bezirke in der Größe von 100 mal 100 Metern. Dort gibt es dann ein Nachbarschaftskomitee, die überwachen alles, was passiert in diesem Grid. 

Martin Welling

"Das wird ausdrücklich gebraucht, um illegale religiöse Aktivitäten zu kontrollieren und anzuzeigen."

Das bedeutete auch zur Coronazeit fürs Essen sorgen, bedeutete aber auch jegliche Überwachung. Nachdem Corona vorbei war, haben viele Provinzen das Sytems beibehalten. Das wird jetzt ausdrücklich gebraucht, um illegale religiöse Aktivitäten zu kontrollieren und anzuzeigen. Das hat die Situation der Untergrundkriche seit Corona noch verschlimmert.

DOMRADIO.DE: Und wir wissen gar nicht mehr, wie groß die Untergrundkirche heute überhaupt noch ist. Wie ist die Situation der Katholiken, die offiziell registriert sind?

Welling: Die ächzen auch unter den wahnsinnig vielen Vorschriften, Eingrenzungen und Druckmaßnahmen der Regierung. Wenn ein Priester sich registriert, muss als erstes den Reisepass abgeben, damit er nicht einfach ins Ausland ausreisen kann und erhält monatelang Unterweisung. Viele von den Priestern versuchen trotzdem manche Vorschriften ein wenig zu umgehen. Zum Beispiel: Es ist den Kindern und Jugendlichen verboten, mit Kirche in Kontakt zu kommen oder auch Unterweisung zu erhalten. Und trotzdem versuchen sehr viele Priester kreative Wege zu finden, um Kinder unterweisen zu können. 

Auch Beerdigungen sind draußen nicht überall in China erlaubt. Da stellt sich die Frage wie man den religiösen Ritus trotzdem umsetzen kann. Auch die registrierten Katholiken müssen sehr kreativ sein und auch viel Druck aushalten können und werden die ganze Zeit auch überwacht. In jeder Gemeinde sind überall Kameras angebracht.

Symbolbild: Überwachungskamera an einer Kirche / © pixinoo (shutterstock)
Symbolbild: Überwachungskamera an einer Kirche / © pixinoo ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was Sie schildern, klingt wirklich dramatisch.

Welling: Es lassen sich trotzdem noch Tausende von Chinesen taufen. Und bei den Protestanten wahrscheinlich über eine Million jedes Jahr.

DOMRADIO.DE: Sehen Sie überhaupt eine Möglichkeit, von außen positiv auf diese schwierige Lage der christlichen Kirchen Einfluss zu nehmen?

Welling: Nein, ganz einfach nein. Wenn China und vor allen Dingen Präsident Xi Jinping etwas hasst, dann ist es, dass ihm oder den Chinesen jemand aus dem Ausland etwas vorschreiben will. Das geht überhaupt gar nicht und und erst recht nicht, wenn es um kirchliche Angelegenheiten geht. Aber wir selber, auch wir Deutsche, können, wenn wir nach China gehen, möglichst viel Kommunikation mit der Kirche in China schaffen, die Gelegenheiten nutzen mit den Menschen zu sprechen und die Kirchen zu besuchen. Man soll einfach Interesse zeigen und die Christen ermutigen. Aber denen zu sagen, was sein soll und was nicht: Das ist völlig ausgeschlossen.

Martin Welling

"Da braucht es wirklich sehr viel Beten."

DOMRADIO.DE: Was bringt vor dem Hintergrund all dessen, was Sie jetzt gesagt haben, der Weltgebetstag in Ihren Augen?

Welling: Den Weltgebetstag hat Papst Benedikt XVI. eingesetzt, nachdem er einen Brief an die Kirche geschrieben hat, um Einheit und Einigkeit der katholischen Kirche zu schaffen. 

Das ist wirklich ein so kompliziertes und schwieriges Unterfangen, auch ganz neu die Beziehungen zum Staat zu gestalten und irgendwie eine Zusammenarbeit finden, da braucht es wirklich sehr viel Beten. Dafür ist der Weltgebetstag eingeführt worden, dass man für die Einheit der Kirche in China betet, aber dann auch eben für die Einheit der chinesischen Kirche mit der ganzen Weltkirche. Das ist praktisch eine Art Willkommensaufruf für die gesamte Weltkirche: "Komm wir heißen die Kirchen aus China herzlich willkommen!"

Das Interview führte Hilde Regeniter. 

Katholische Kirche in China

Nach Schätzungen von Experten sind rund 10 Millionen der knapp 1,4 Milliarden Einwohner der Volksrepublik China Katholiken; die Behörden verzeichnen jedoch offiziell lediglich gut 6 Millionen. Das US-Forschungsinstitut Pew geht von 9 Millionen aus. Als kleine Minderheit haben die Katholiken mit rund 100 Diözesen dennoch landesweit funktionierende Kirchenstrukturen.

Gottesdienst in Peking
 / © Gilles Sabrie (KNA)
Gottesdienst in Peking / © Gilles Sabrie ( KNA )
Quelle:
DR