Kindersoldaten-Prozess gegen kongolesischen Rebellen-Chef - terre des hommes begrüßt im domradio-Interview das Verfahren

"Lubanga zwang sie zum Töten"

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag führt seinen ersten Prozess gegen den früheren kongolesischen Rebellenführer Thomas Lubanga. Der 46-Jährige muss sich als mutmaßlicher Kriegsverbrecher für die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten verantworten. "Das ist ein erster, ganz wichtiger Schritt auf dem langen Weg gegen die bisher bestehende Straffreiheit von Kriegsverbrechern, die Kinder als Soldaten missbrauchen", sagte Ralf Willinger, Vertreter von terre des hommes in der internationalen "Coalition to Stop the Use of Child Soldiers" im domradio-Interview.

 (DR)

"Pauschale Amnestien für Kriegsverbrechen darf es nicht geben"
"Das Rekrutieren von Kindern ist ein Kriegsverbrechen und muss endlich international verfolgt und hart bestraft werden. Dies hätte eine abschreckende Wirkung und würde dazu führen, dass die Zahl der rund 250.000 Kindersoldaten weltweit endlich sinkt."

Völkerrechtlich sind die Rekrutierung und der Einsatz von Kindern unter 15 Jahren als Kriegsverbrechen geächtet, das Statut des Strafgerichtshofs sieht hohe Strafen vor. Allerdings kann das Gericht nur eingreifen, wenn sich der jeweilige Staat der Jurisdiktion des ICC unterworfen hat - dies ist bisher bei 104 Staaten der Fall, darunter auch der Kongo.

"Pauschale Amnestien für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen darf es nicht geben", so Ralf Willinger von terre des hommes. "Wenn die nationale Rechtsprechung durch Amnestien so ausgehebelt wird wie aktuell in Kolumbien und Guatemala, müssen Kriegsverbrecher vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gestellt werden. Dafür sollten sich auch die EU und die Bundesregierung stark machen."

"Lubanga zwang sie zum Töten"
Der Vorsitzende Richter, der Franzose Claude Jorda, sprach von einem "systematischen Plan", den Lubanga mit anderen entwickelt, koordiniert und umgesetzt habe. Der Beschuldigte bestreitet dies.

Lubanga wird beschuldigt, von September 2002 bis Ende 2003 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren für Kampfeinsätze in der Provinz Ituri im Nordosten des Kongo rekrutiert und eingesetzt zu haben. Er war Anführer der Rebellenbewegung UPC und Kommandant der UPC-Miliz "Patriotische Kräfte für die Befreiung des Kongo" (FPLC), die als eine der gefährlichsten Milizen in Ituri galt. In dieser Position sei er verantwortlich gewesen und könne daher auch strafrechtlich verfolgt werden, urteilten die Richter.

Die Anklage bezieht sich auch auf Aussagen von vier ehemaligen Kindersoldaten. Manche waren nicht älter als zehn Jahre und wurden der Anklage zufolge auf dem Weg zur Schule entführt. "Lubanga zwang sie zum Töten und ließ sie in Kämpfen sterben", unterstrich die Anklage bei Vorlage der Beweise im November.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren Strafgerichtshof
Die Verteidiger erklärten dagegen, dass es sich um "einen politischen Prozess" handele. Lubanga habe keinerlei militärische Funktionen ausgeübt, sondern sich als Politiker in der Region für Versöhnung und Frieden eingesetzt, sagte sein Anwalt Jean Flamme.

Menschenrechtsorganisationen kritisierten, dass der Strafgerichtshof Lubanga nicht auch für Massaker und Vergewaltigungen anklagt. In die Kämpfe im Kongo waren nach Angaben des Gerichts insgesamt 30.000 Kindersoldaten einbezogen. Der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo (1998-2002) hat nach Schätzungen bis zu vier Millionen Menschen das Leben gekostet. Mit den Parlaments- und Präsidentenwahlen 2006 sollte der Friedensprozess stabilisiert werden.