Kinderheim in Bethlehem bietet ein zweites Hause

Unbeschwertere Kindheit ermöglichen

Ob wegen Scheidung oder häuslicher Gewalt: Das "Franziskanische Haus des Kindes" in Bethlehem will Jungen und Mädchen aus schwierigen Familienverhältnissen ein Zuhause sein. Bis heute wurden bereits mehr als 150 Kinder aufgenommen.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Eingang zum "Franziskanischen Haus des Kindes" in Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Eingang zum "Franziskanischen Haus des Kindes" in Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Im Schatten der Geburtskirche in Bethlehem liegt die "Casa Francescana del Fanciullo", das "Franziskanische Haus des
Kindes". Es will jungen Christen im Alter von sechs bis 18 Jahren aus schwierigen Familiensituationen ein zweites Zuhause sein. In den 15 Jahren seines Bestehens hat das Haus unter franziskanischer Leitung 155 Kindern eine unbeschwertere Kindheit und bessere Zukunft beschert.

Gottesdienste mit Eltern 

Lebendig geht es zu auf der Terrasse mit Blick über die biblische Hügellandschaft. Fußball steht hoch im Kurs bei den Bewohnern. Ihre Eltern feiern derweil Gottesdienst in der Kapelle des Hauses. Die interaktive Predigt von Pater Sandro Tomasevic findet Zuspruch. Seit zwei Jahren ist der kroatische Franziskaner Direktor des Hauses. Die wöchentliche Einladung der Eltern geht auf seine Initiative zurück. Neben Gottesdiensten und Aktivitäten werden Experten verschiedener Gebiete zu Vorträgen eingeladen. "Wir wollen die Eltern einbeziehen und eine Verbindung schaffen, zum Besten für die Kinder."

Gegenwärtig betreut der Franziskaner zusammen mit einem Sozialarbeiter, sechs Lehrern und drei Erziehern 27 Jungen. Während die Mehrheit nach der Nachmittagsbetreuung in ihre Familien zurückkehrt, bleiben die härtesten Fälle auch von Montag bis Samstag über Nacht. Nur das Wochenende und Feiertage verbringen sie zu Hause.

Pater Sandro Tomasevic mit einem jungen Bewohner des Franziskanischen Kinderheims  / © Andrea Krogmann (KNA)
Pater Sandro Tomasevic mit einem jungen Bewohner des Franziskanischen Kinderheims / © Andrea Krogmann ( KNA )

Die Idee des 2007 eröffneten Hauses kam vom damaligen Pfarrer von Bethlehem, Amjad Sabbara, erzählt Pater Sandro. Bei Besuchen bei seinen Gemeindemitgliedern sei er Zeuge problematischer Familiensituationen geworden. Kinder litten unter der Scheidung ihrer Eltern, in anderen Fällen gab es Drogenprobleme oder auch häusliche Gewalt. "Ihnen wollen wir ein richtiges Zuhause geben", sagt der heutige Direktor. Auch wenn die Annahme der Hilfe nicht immer leichtfalle: "Keiner ist gezwungen, hier zu sein, dafür hätten wir gar keine rechtliche Handhabe." Längst hat das Haus in Bethlehem einen so guten Ruf, dass sich mehr Eltern melden, als Kapazität da ist. "Für uns sind drei Bedingungen wichtig bei der Auswahl von
Kindern. Die Familie hat soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten, und das Kind ist schlecht in der Schule", so Tomasevic.

Es geht mehr als um Erziehung 

Für den Franziskaner geht es im Haus mehr als nur um Erziehung. "Bethlehem ist eine christliche Stadt. Wir müssen uns von der Wurzel aus um diese christlichen Wurzeln kümmern. Wir geben den Kindern unsere franziskanische Spiritualität mit, damit sie später einen Unterschied in der Welt machen können. Diese christliche Identität ist das Wichtigste, an ihr arbeiten wir konstant." Gebetszeiten gehören ebenso zur festen Tagesstruktur wie Nachhilfeunterricht und Hausaufgabenhilfe.

"Es fiel mir schwer, meine Söhne herzuschicken, aber meine erste Frau und ich hatten Probleme", gesteht John, dessen Zwillinge in der Casa Franciscana betreut werden. "Heute bin ich entspannt. Die Unterstützung hat uns sehr geholfen, in jeder Hinsicht." John ist dankbar für die bessere Zukunft, die sich seinen Kindern eröffnet. "Sie haben mehr Selbstvertrauen, ein besseres Sozialverhalten, haben Talente entdeckt und sind besser in die Gesellschaft integriert", beschreibt er die Wandlung seiner Söhne. Dass sie mittlerweile lieber bei Pater Sandro sind, kommentiert er mit einem Lächeln.

Jungen spielen Fußball auf einer Wiese im Franziskanischen Kinderheim in Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Jungen spielen Fußball auf einer Wiese im Franziskanischen Kinderheim in Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Fälle wie diese kennt Sozialarbeiter Albert Hani gut. Er ist "von Anfang an dabei", hat an der Vision und Mission des Kinderhauses mitgearbeitet. "Den Kindern Liebe, Frieden und Sicherheit geben und unser Bestes tun, um sie mit allem zu versorgen, was sie brauchen", fasst er die Aufgabe zusammen.

"Ohne uns wären viele von ihnen auf der Straße gelandet"

Bei manchen Kindern brauche es lange, bis Erfolge zu sehen sind, "vor allem, wenn Eltern nicht in einem Maße mit uns kooperieren können, wie wir es uns wünschen - dann fangen wir jeden Montag wieder von vorne an". Richtig hoffnungslose Fälle gebe es aber nur selten, sagt er, "und auch die geben wir nicht auf, weil wir aus den Werten der Bibel und der Menschlichkeit davon überzeugt sind, dass kein Mensch ohne Fähigkeiten ist".

Bestätigt sieht sich das Team des Kinderhauses in vielen Erfolgsgeschichten ihrer Schützlinge: der Junge etwa, der als Viertklässler mit katastrophalen Schulnoten ankam, dann Physik und Mathematik studierte und heute neben seinem Lehrerberuf als Freiwilliger den Kinderhauskindern Nachhilfe gibt.

Längst sind die ersten Ehemaligen verheiratet und haben selbst Kinder. Von Zeit zu Zeit treffen sie sich in der Casa Franciscana. "Ohne uns wären viele von ihnen auf der Straße gelandet", ist sich Sozialarbeiter Hani sicher. "Stattdessen sehen wir nicht nur, dass sie es geschafft haben. Sie haben auch besseres Handwerkszeug im Umgang mit ihren Kindern als sie es von ihren Eltern erfahren haben."
 

Quelle:
KNA