Kenianische Brauerei braut billiges Bier für die Armen

Kampf gegen Alkohol?

Schneller Rausch - und das zu günstigen Preisen. Für viele Bewohner der Armenviertel in Kenias Hauptstadt Nairobi ist Alkohol ein wichtiger Fluchtpunkt aus dem tristen Alltag. Risiken werden dabei gerne ausgeblendet.

Autor/in:
Anja Bengelstorff
 (DR)

"Ohne Bier kann ich nicht einschlafen", behauptet der junge, schmächtige Mann stolz. An einem Sonntag um die Mittagszeit steht bereits der dritte Humpen vor ihm. Einsame Trinker schauen neugierig herüber, während der Automechaniker, Frau und zwei Kinder, offenherzig und detailliert über seine täglichen Trinkzeiten informiert. Er trinke Bier der Marke "Senator", ausschließlich. "Wenn ich Chang'aa, den illegal gebrannten Alkohol, trinken würde, könnte ich mich nicht unterhalten, weil der so stinkt", berichtet er und verscheucht eine von Dutzenden Fliegen. "Vom Bier kann ich viel mehr trinken, und viel billiger ist es auch."

In den Dörfern behilft man sich seit Generationen mit Alkohol aus vergorenem Zuckerrohr. Bei diesem nichtindustriellen Herstellungsprozess kann jedoch der Alkoholgehalt nicht kontrolliert werden, was das Gebräu zu einer potenziell tödlichen Mischung mit oft mehr als 90 Prozent Alkohol macht. In den Armenvierteln großer Städte wird zudem schon mal mit Chemikalien nachgeholfen, um den Alkoholgehalt zu erhöhen. Mitunter bezahlen Konsumenten den fragwürdigen Genuss mit dem Leben oder erblinden.

Die kenianische Brauerei East African Breweries (EABL), die mehrheitlich dem globalen Brauereikonzern Diageo gehört, hat das erkannt und eine eigene Strategie entwickelt: 2004 brachte sie eine Biersorte auf den Markt, die Leben zu retten versprach. Alkoholgenuss sollte auch für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen, die sich sauber gebrannten Alkohol oder Bier nicht leisten können, sicher und bezahlbar werden. Das neue Produkt "Senator" ist ausschließlich in Armenvierteln erhältlich - und inzwischen nach Angaben der Brauerei Kenias meistgetrunkener Gerstensaft.

Der Sozialarbeiter Tom Thiong'o, der in Nairobi mit Alkoholabhängigen arbeitet, bezweifelt das. "Im Mathare-Slum sehe ich nicht weniger Leute Chang'aa trinken", berichtet er. "Und da sie kaum weniger Probleme als früher haben, hat auch der Alkoholkonsum insgesamt nicht abgenommen." Die Brauerei verdient letztlich natürlich Geld mit dem Armen-Bier.

0,3 Liter "Senator" kosten etwa 20 Euro-Cent - und damit ein Fünftel der etablierten Marke "Tusker" der gleichen Brauerei. Der niedrige Preis sei möglich, so Keith Obure von EABL, da "Senator" ausschließlich in Fässern verkauft werde und die kenianische Regierung zudem die Verbrauchssteuer erlasse. Auch werde "Senator", benannt nach dem US-Präsidenten Barack Obama, der kenianische Wurzeln hat und bei der Einführung des Biers noch Senator war, aus in Kenia angebauter Gerste gebraut. Nach Angaben der Brauerei liefern 500 Bauern jährlich 50.000 Tonnen Gerste im Wert von zwölf Millionen Euro. Ob das Bier jedoch als Waffe gegen den gefährlichen Konsum schwarz gebrannten Alkohols taugt, bleibt fraglich.

"Alkoholismus steigt in alarmierendem Ausmaß", warnt Tom Thiong'o, der früher selbst Alkoholiker war. "Immer mehr Menschen wollen wenigstens für kurze Zeit aus Armut und Hoffnungslosigkeit fliehen." Zwar gebe es Gesetze, die den Ausschank von Alkohol regeln; diese aber würden nicht durchgesetzt. "Der leichte Zugang zu Alkohol und billigem Fusel verschlimmert die Situation noch."