In Kenia setzt die Bevölkerung große Hoffnung auf Franziskus

Neue Chance nach Chaos-Jahren

Erste Station der Papstreise nach Afrika ist Kenia. Ethnische Konflikte, Korruption, islamistischer Terror und das Machtspiel politischer Eliten prägen dort das Bild. Mit Papst Franziskus reist nun die Hoffnung auf einen Neubeginn an.

Kenia bereitet sich auf den Papstbesuch vor / © Daniel Irungu (dpa)
Kenia bereitet sich auf den Papstbesuch vor / © Daniel Irungu ( dpa )

"Unsere Gesellschaft steht unzähligen Problemen gegenüber. Obwohl der Papst nicht die Antwort auf sie alle hat, bringt er zumindest eine Botschaft der Hoffnung." Mit dieser Analyse spricht die Tageszeitung "Daily Nation" rund 44 Millionen Kenianern aus der Seele. Von Mittwoch bis Freitag ist das ostafrikanische Land die erste Station auf Franziskus' Afrika-Reise. Hoffnung will der Papst nicht nur den 1,4 Millionen Pilgern vermitteln, die zu einem Gottesdienst an der Universität Nairobi erwartet werden, Franziskus besucht auch das Slumviertel Kangemi am Rande der Hauptstadt. Wie die 650.000 Bewohner hier, leben 42 Prozent der Kenianer in extremer Armut.

Zwist an politischer Front

Der Papst wird sich jedoch nicht nur Kenias chronischer Probleme annehmen. Akut drängt es auch an politischer Front: In dem Land, das in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz ethnischer Konflikte wurde, verschärfte sich die Rhetorik in den vergangenen Monaten. 2007 war es nach umstrittenen Wahlen zu heftigen Kämpfen zwischen der Kikuyu- und der Luo-Ethnie gekommen. Bei den blutigen Auseinandersetzungen starben mehr als 1.100 Menschen, 600.000 mussten fliehen. Unterschwellig spielt die ethnische Zugehörigkeit in Kenias Politik bis heute eine Rolle. Die Bischöfe des ostafrikanischen Landes verlangten mit Blick auf den Papstbesuch einen "ehrlichen Waffenstillstand". Die Beleidigungen müssten aufhören, so Militärbischof Alfred Rotich.

Ein Ziel von Übergriffen waren zuletzt vor allem die in Kenia lebenden Somalier, die hier Schutz vor dem Bürgerkrieg und der Terrorgruppe Al-Shabaab suchen. 350.000 Somalier leben heute in Kenias Dadaab-Camp, dem größten Flüchtlingslager der Welt. Doch der Terror macht an der Grenze nicht halt. Im April tötete die Al-Shabaab 148 Studenten an der Universität Garissa. Zwei Jahre zuvor starben bei einem Anschlag auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi 67 Menschen. Ethnische Somalis geraten seitdem immer wieder unter Generalverdacht.

Franziskus trifft andere Religionsführer des Landes

Am Donnerstag trifft Papst Franziskus auf islamische und andere Religionsführer des Landes; die Hoffnung auf versöhnende Worte ist groß - auch bei Kenias Ex-Präsident Mwai Kibaki. Er spricht von einem Wendepunkt, einer "einmaligen Chance" und einem "außergewöhnlichen Besuch".

Kenias Politik täte ein Neuanfang gut. In den vergangenen Wochen gelangten gleich mehrere Korruptionsskandale ans Tageslicht. Von internationalen Banken borgte sich die Regierung in Nairobi jüngst 600 Millionen US-Dollar - ohne jedoch den Verbleib eines weiteren Kredits von zwei Milliarden Dollar erklären zu können. "Diese Art, mit Geld umzugehen, als ob es Altpapier wäre, ist ärgerlich", sagte der Vorsitzende des parlamentarischen Aufsichtsrates, Nicholas Gumbo. Viele Kenianer forderten daraufhin die Auflösung des Kabinetts.

Auch international geriet die Regierung von Präsident Uhuru Kenyatta zuletzt in die Kritik: Wegen angeblicher Mittäterschaft bei den ethnischen Massakern hatte der Internationale Strafgerichtshof (ICC) Anklage gegen den Präsident erhoben - aus Mangel an Beweisen jedoch wieder fallengelassen. Die Beziehungen zwischen Den Haag und Nairobi sind seitdem eisig.

Warnung vor zu hohen Erwartungen

Viele Kenianer hoffen mit Blick auf das Treffen zwischen Papst und Präsident im State House auf eine Gelbe Karte für Kenyatta. Der päpstliche Nuntius in Kenia, Erzbischof Charles Daniel Balvo, verweist zwar einerseits auf den großen Einfluss der katholischen Kirche in Afrika. Zugleich warnt er vor zu hohen Erwartungen.

"Traditionsgemäß vermeidet der Papst, zu tief in die länderspezifischen Probleme involviert zu werden. Er wird allgemein über Regierungen sprechen, die den Menschen zu dienen haben - ohne aber ins Detail zu gehen." Allerdings hat Franziskus seit seinem Amtsantritt wiederholt bewiesen, dass er für Überraschungen gut ist. Etwa als er eine Einladung des kenianischen Parlaments ausschlug, um stattdessen im Fußballstadion zur Jugend des Landes sprechen zu können.

 

  • Hintergrund: Katholische Kirche in Kenia
    Ein Drittel der Kenianer (32,3 Prozent) bekennt sich nach vatikanischen Angaben zur katholischen Kirche. Erste katholische Spuren finden sich in Kenia, seit die Portugiesen unter Vasco da Gama (1469-1524) die Küste Ostafrikas erforschten. Um die Wende zum 17. Jahrhundert gab es in Mombasa eine vom Augustinerorden getragene katholische Gemeinschaft mit mehreren hundert Mitgliedern.

    Ab dem 19. Jahrhundert setzte mit dem Vordringen der Weißen ins Innere des Kontinents eine systematische Missionierung ein. Sie wurde auch besonders von Ordensgemeinschaften betrieben wie den Spiritanern und den Consolata Fathers, die 1902 Missionen in Zentralkenia gründeten.

    1926 wurden erste Vikariate gegründet, kurz darauf die ersten kenianischen Priester geweiht. 1953 begann die Errichtung von Bistümern. Als erster Kenianer erhielt vier Jahre später Maurice Michael Otunga die Bischofsweihe. Otunga wurde 1973 auch der erste kenianische Kardinal. Heute gibt es in Kenia 26 Diözesen und ähnliche Verwaltungsgebiete.

    Die knapp 14 Millionen kenianischen Katholiken verteilen sich nach jüngsten Zählungen auf 925 Pfarreien und 6.542 weitere pastorale Zentren. Die Zahl der Diözesan- und Ordenspriester beläuft sich auf fast 2.750. Hinzu kommen mehrere tausend Seminaristen. Besonders in den Bereichen Bildung und Gesundheitsversorgung ist die Kirche stark engagiert.

    In den zurückliegenden politischen Unruhen in Kenia und angesichts der Bedrohung durch den islamistischen Terror bemühte sich die katholische Kirche, eine aktive Rolle als Vermittler und Verteidigerin der Menschenrechte einzunehmen. Dies führte wiederholt zu Konfrontationen mit Vertretern der politischen Klasse.


Quelle:
KNA