Die im Betäubungsmittelgesetz vorgesehene Versagung einer Erlaubnis für den Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung sei angesichts der Möglichkeiten, das eigene Leben medizinisch begleitet mit anderen Mitteln zu beenden, mit dem durch das Grundgesetz geschützten Recht auf selbstbestimmtes Sterben vereinbar, entschied das Gericht am Dienstag in Leipzig.
Kein Anspruch auf tödliches Medikament
Dem Recht des Einzelnen auf selbstbestimmten Tod stünden wichtige Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Bevölkerung vor Miss- oder Fehlgebrauch des tödlichen Medikaments gegenüber.
Die Richter verwiesen darauf, dass das Betäubungsmittelgesetz eine Ausgabe von Medikamenten nur zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden erlaube. "Eine solche therapeutische Zielrichtung hat die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzlich nicht."
Sterbewunsch auf anderem Wege
Zudem verfolge das Gesetz auch das legitime Ziel, Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Betäubungsmitteln zu verhindern. "Für Menschen, die selbstbestimmt entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, gibt es andere zumutbare Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Sterbewunsches", so die Richter.
So könnten Sterbewillige über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden kann. Auch hätten nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 zur Suizidbeihilfe mehrere Sterbehilfeorganisationen ihre Arbeit wieder aufgenommen.
Klage zweier schwerkranker Männer
Zwei schwerkranke Männer aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen hatten vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn die Erlaubnis verlangt, Natrium-Pentobarbital erwerben zu dürfen. Damit wollen sie sich zu Hause im Kreise ihrer Familien selbst töten können, wenn sich ihr Zustand dramatisch verschlechtert. Doch das Bundesinstitut lehnte die Erlaubnis unter Verweis auf das Betäubungsmittelgesetz ab.
Die Kläger beriefen sich auf ihr verfassungsrechtlich zugesichertes Persönlichkeitsrecht, das auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben einschließe. Ihre Klagen sind vor dem Verwaltungsgericht Köln (2020) und vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (2022) ohne Erfolg geblieben.
Zumutbare Alternativen
Bereits 2017 hatte dasselbe Bundesverwaltungsgericht das Recht von schwerstkranken Patienten auf einen selbstbestimmten Tod gestärkt. Der Staat dürfe in "extremen Ausnahmefällen" den Zugang zu einem solchen Betäubungsmittel nicht verwehren. Das Gericht betonte jetzt, dass eine solche schwere Notlage nicht vorliege, weil eine zumutbare Alternative zur Selbsttötung mit Natrium-Pentobarbital auch für sie bestehe.
Recht auf selbstbestimmtes Sterben
Das Bundesverfassungsgericht hatte am 26. Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung gekippt und ein weitreichendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben formuliert.
Zugleich betonte Karlsruhe, die Politik solle den genauen Rahmen festlegen und Konzepte gegen einen möglichen Missbrauch erarbeiten. Bislang hat der Bundestag noch kein Gesetz zur Suizidbeihilfe verabschiedet.