Katholisches Missionswerk zu den Anschlägen in Sri Lanka

"Man kann nicht sagen, ob das eine Welle neuer Gewalt entfacht"

Nach den Anschlägen herrschen Trauer und Entsetzen in Sri Lanka. Nun wird befürchtet, das Engagement der Kirche im Kampf gegen Drogen habe dazu beigetragen, dass sie Ziel der Anschläge wurde, so Johannes Seibel vom Missionswerk Missio.

Soldaten und Polizisten sichern das Gebiet rund um eine Kirche / © Chamila Karunarathne (dpa)
Soldaten und Polizisten sichern das Gebiet rund um eine Kirche / © Chamila Karunarathne ( dpa )

DOMRADIO.DE: Anschläge gezielt gegen Christen: War damit in irgendeiner Form zu rechnen?

Johannes Seibel (Internationales Katholisches Missionswerk Missio): Dass es in den vergangenen Jahren Provokationen von nationalextremistischen Buddhisten gegen Christen und Muslime gegeben hat, wusste man. Auch im März 2018 gab es Ausschreitungen gegen Muslime und die Ausrufung des Notstands. Aber gegen Christen war es in dieser Massivität nicht zu befürchten gewesen. Medien hatten berichtet, dass es Hinweise gibt. Aber ich denke, in Sri Lanka hat man tatsächlich in der Form nicht damit gerechnet.

DOMRADIO.DE: Am Ostersonntag ist es passiert. Haben Sie schon geschafft, Kontakt zu ihren Partnern in Sri Lanka aufzunehmen?

Seibel: Wir haben Kontakt mit Partnern in Sri Lanka, die sich sehr vorsichtig geben, die auch nicht direkt zitiert werden möchten. Allerdings haben sie mir erzählt, dass über ein Thema in den öffentlichen Medien bisher noch nicht berichtet worden ist: Manche denken, dass die Sache mit dem Thema Drogen zu tun haben könnte, weil sich die Kirchen in den vergangenen Monaten sehr stark zu dem Thema Drogen geäußert hatten. Die Sache könnte also möglicherweise in Verbindung mit Drogenkartellen stehen. Die verschiedenen Terrorgruppen in Sri Lanka verdienen zum Teil mit Drogenhandel ihr Geld. Das kann ich allerdings von hier aus weder bestätigen noch irgendwie einordnen. Neben der Fassungslosigkeit und dem Entsetzen über diese Tat war das allerdings das Thema bei den Partnern.

DOMRADIO.DE: Seit zehn Jahren ist ja der Bürgerkrieg beendet. Befürchten Sie, dass durch diese Anschläge die Gewalt wieder ausbricht?

Seibel: Das kommt darauf an, wie sich Regierung und Opposition verhalten. Man muss ja wissen, dass 2020 in Sri Lanka neue Präsidentenwahlen anstehen. Die Terroranschläge gegen Christen berühren in dieser Form nicht die Mehrheit der Buddhisten – die umfassen etwa 70 Prozent der Bevölkerung in Sri Lanka. Insofern kann man nicht einordnen, ob das eine Welle neuer Gewalt entfacht. Man kennt die Hintergründe noch nicht ganz genau.

Allerdings ist auch klar, dass in den vergangenen Jahren buddhistische Extremisten gegen Muslime provozierten und es auch zu Übergriffen kam. Und es ist auch bekannt, dass einheimische extremistische Muslime ins Ausland gingen und sich ausbilden ließen. Und im südostasiatischen Raum, in Indonesien zum Beispiel, beobachten wir, dass vermehrt islamistische radikale Gruppen Attentate und Terroranschläge begehen. Und möglicherweise – man weiß es wirklich noch nicht, man muss da sehr vorsichtig sein – ist das in diesen Kontext einzuordnen. Aber insgesamt hoffe und denke ich, dass es nicht zu einer Eruption von Gewalt kommt, die mit bürgerkriegsähnlichen Situationen vergleichbar wäre.


Quelle:
DR