domradio.de: NRW will das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schnell umsetzen. Wenn nun muslimische Lehrerinnen wieder Kopftuch in der Klasse tragen dürfen, dann ist damit doch auch die Diskussion um Kreuze in Klassenräumen vom Tisch, oder? Dürfen dann nicht alle religiösen Zeichen bleiben?
Antonius Hamers (Pfarrer und Leiter des katholischen Büros in NRW): Das ist insofern nicht so, als dass das Kreuz eben an der Wand hängt und vom Schulträger hingehängt wird, während das Kopftuch ein religiöses Zeichen der Lehrerin selbst ist. Das ist zu unterscheiden, ob die Lehrerin ein religiöses Symbol mithineinbringt. Das wäre bei uns jetzt zum Beispiel, dass eine Lehrerin ein Kreuz um den Hals trägt. Das ist etwas anderes, als wenn im Klassenraum von der Schule installiert ein Kreuz aufgehängt wird.
domradio.de: Kopftuch, Kreuz, Kippa - sie alle müssen künftig gleichbehandelt werden... Was ist Ihre konkrete Angst?
Pfarrer Hamers: Unsere Sorge ist, dass eben das Bundesverfassungsgericht auch gesagt hat, wenn der Schulfriede im Einzelfall gestört ist, dann soll auf religiöse Symbole verzichtet werden. Wenn es zu Konflikten in der Schule kommt, weil jemand ein religiöses Symbol trägt - sei es die Kippa, sei es das Kopftuch, sei es ein Kreuz um den Hals - dass dann der Schulträger hingehen kann und sagen kann, dann werden gar keine religiösen Symbole getragen. Das ist unsere Sorge, dass dann auch unsere christliche Symbole verbannt werden können.
domradio.de: Was sagen die Bischöfe in NRW - teilen sie ihre Sorgen vor religionsfreien Klassenzimmern?
Pfarrer Hamers: Diese Sorge wird geteilt. Wir als katholisches Büro schließen uns natürlich mit den fünf nordrhein-westfälischen Bistümern kurz. Wir informieren sie über das, was geplant ist von Seiten des Gesetzgebers. Wir informieren sie darüber, welche Meinung sich hier bei uns herausgebildet hat.
Diese Sorge ist übrigens schon 2006 vom katholischen Büro vorgetragen worden, dass wir damals gesagt haben, wenn das Kopftuch verboten wird, haben wir die Sorgen, dass damit eben auch andere religiöse Symbole verboten werden.
domradio.de: Wenn man das Ganze positiv sieht, könnte man ja auch sagen, es ist eigentlich schön, weil es bezeugt, dass NRW bunt ist und dass alle Religionen in der Schule einen Platz haben dürfen?
Pfarrer Hamers: Ich gebe Ihnen Recht, das sehe ich aus so. Das ist natürlich auch ein Ausdruck der Pluralität unserer Gesellschaft und zunächst mal hat das Bundesverfassungsgericht natürlich auch die Religionsfreiheit ausdrücklich gestärkt. Es hat gesagt, dass grundsätzlich religiöse Symbole getragen werden dürfen, wenn sie nicht den Schulfrieden stören, nicht zu Konflikten führen. Jede Lehrerin, jeder Lehrer darf insoweit seiner Religionsfreiheit immer Ausdruck verleihen, dass er zum Beispiel eben eine Kippa, ein Kopftuch oder eben ein Kreuz tragen darf, wenn es nicht zu Konflikten und zur Störung des Schulfriedens führt.
Das Interview führte Verena Tröster.