Katholischer Medienexperte lobt Chatbots für Predigten

"Das klingt authentisch"

Das Glaubenszeugnis fehlt, ebenso die persönliche Ansprache. Ein Chatbot kann eine gute Predigt nicht ersetzen, heißt es aus Kirchenkreisen. Medien-Experte Stefan Lesting traut ChatGPT und Co dennoch einiges auch in der Kirche zu.

ChatGPT gibt schnell schriftliche Antworten auf Fragen / © CHUAN CHUAN (shutterstock)
ChatGPT gibt schnell schriftliche Antworten auf Fragen / © CHUAN CHUAN ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wir können uns das so vorstellen, wir geben eine Bibelstelle ein und sagen dem Bot, bitte schreib eine Predigt dazu. Welchen Text haben Sie da eingegeben und was hat die Künstliche Intelligenz (KI) daraus gemacht?

Stefan Lesting (DR)
Stefan Lesting / ( DR )

Stefan Lesting (Digital- und Kommunikationsberater, Vorsitzender des Vereins "Katholische Hub für Innovation und Medien"): Ich habe das zuletzt ausprobiert mit folgender Predigt zu Hebräer 7,25. Ich habe dort diese Bibelstelle angegeben mit Bezug zur heutigen Zeit. Ungefähr drei Sekunden später war der komplette Text da, der dann sagte: Liebe Gemeinde, heute möchte ich mit euch über den Text aus Hebräer sprechen und wie er auf unsere heutige Zeit bezogen werden kann. Der Text handelt von Jesus als unseren Hohepriester… und so weiter.

Das ist sehr typisch, was da passiert ist. Wir haben das weitergegeben und ihn bei uns im Bekanntenkreis getestet bei Menschen, die zur Kirche gehen und Menschen, die nicht zur Kirche gehen. Die knapp 20 Personen waren sich eigentlich einig, das klingt authentisch, war es dann aber doch nicht ganz.

DOMRADIO.DE: Woher rühren die Zweifel? Warum war es doch nicht ganz authentisch?

Lesting: Es gab zwei Dinge, die vergessen wurden. Es war sehr unpersönlich im ersten Schritt. Und zweitens gab es auch theologische Kritik daran. Das haben natürlich diejenigen gesagt, die theologisch geschult waren. Dadurch ist eine Diskussion entstanden.

Stefan Lesting (Digital- und Kommunikationsberater, Vorsitzender des Vereins Katholische Hub für Innovation und Medien)

"Wir merken hier, der lernt sehr schnell und kann auf Kritik reagieren."

Daraufhin habe ich dem Chatbot gesagt, bitte korrigiere den Text und sage mir auch, wo ich was Persönliches für die Menschen sagen kann. Dann hat der Chatbot das gemacht. Also wir merken hier, der lernt sehr schnell und kann auf Kritik reagieren. Dann habe ich ihn gefragt, wie sähe die Geschichte aus, wenn ich als Priester in Bayern arbeiten würde. Dann hat der Chatbot mir gesagt wie es dann aussähe.

DOMRADIO.DE: Woher nimmt der Bot seine Informationen?

Lesting: Die kommen vor allen Dingen aus Texten, die im Internet veröffentlicht wurden, also aus einer riesigen Datenbank. Die Anbieter haben das Internet durchsucht und eine große Datenbank entstehen lassen. Das heißt, es basiert wahrscheinlich auf vielen Predigten, so wie bei einer Google-Suche.

Wenn ich dann sage, gebe mir eine Predigt zum Wochenende oder für Ostern oder für Weihnachten raus, dann findet der Ergebnisse. Auf diese Weise hat er sich trainiert. Das ist das Ergebnis. Der Chatbot nimmt dann das, was er glaubt, was am besten ist.

DOMRADIO.DE: Wir haben in dieser Woche schon mit einigen Theologen gesprochen hier im DOMRADIO und gefragt, wie sie auf diesen Bot blicken. Da war die einhellige Meinung, das sei nichts. Vor allem waren sie sich einig, Bots werden nie ein Glaubenszeugnis ablegen können. Außerdem könnten sie nicht auf das eingehen, was die Gemeinde aktuell bewegt. Kurz, ihnen fehle die Authentizität. Wie sehen Sie das?

Lesting: Das ist der Punkt, den ich eben meinte, als ich sagte, wir brauchen etwas Persönliches. Das, was wir gerade mit Bayern hatten, habe ich auch für Köln noch mal ausprobiert. Dann sagte der Bot: Du könntest zum Beispiel folgendes ausprobieren oder du könntest das an der Stelle einbauen. Ich glaube, diese Übertragung, das ist das, was nachher authentisch wirkt. Aber die Vorarbeit machen, das kann der Chatbot genauso gut.

Stefan Lesting (Digital- und Kommunikationsberater, Vorsitzender des Vereins Katholische Hub für Innovation und Medien)

"Deswegen glaube ich einfach, dass der Chatbot oder seine Weiterentwicklung in einem halben Jahr sehr gute Texte machen wird."

Ich kann die Diskussion unter den Theologen natürlich verstehen, da geht es ans Eingemachte. Aber die Menschen, die das gesehen haben, die wir damit konfrontiert haben, die dieses Hintergrund- beziehungsweise Expertenwissen nicht hatten, die haben das nicht gemerkt. Da muss ich sagen, wenn es jemand nicht merkt und es gesellschaftsfähig ist, das ist natürlich ein anderer Aspekt. Deswegen glaube ich einfach, dass der Chatbot oder seine Weiterentwicklung in einem halben Jahr sehr gute Texte machen wird.

DOMRADIO.DE: Also wird es in Zukunft gar keiner Theologen mehr bedürfen, die die Sonntagspredigt schreiben?

Lesting: Zumindest für die Vorrecherche braucht man das nicht unbedingt. Wenn man etwas Besonderes will, kann man das natürlich machen. Aber ich würde trotzdem die Arbeitsleistung sehen. Wenn ich authentisch was präsentieren möchte, dann geht es natürlich besser. Aber wenn ich mich frage, was könnte ich am Sonntag sagen und der Chatbot dann antwortet, das sind die fünf Themen, die die Menschen gerade interessieren, dann wird es natürlich richtig rund und ich spare viel Zeit.

Stefan Lesting (Digital- und Kommunikationsberater, Vorsitzender des Vereins Katholische Hub für Innovation und Medien)

"Das reduziert die ersten anderthalb Stunden Recherche auf zehn Sekunden."

Das merken wir auch schon an anderen Stellen. Bei Artikeln zum Beispiel, für die zwei Stunden Arbeitszeit in Recherche und so weiter eingesetzt werden, das macht der Chatbot. Das reduziert die ersten anderthalb Stunden Recherche auf zehn Sekunden. Das kostet im Endeffekt nicht mal einen Cent. Das ist die große Erleichterung. Ich glaube, auch Theologen werden darauf zurückgreifen.

DOMRADIO.DE: Abgesehen von den Predigten und dem Religiösen, wo sehen Sie die Gefahren einer solchen KI, eines solchen Chatbots?

Lesting: Dass niemand direkt mitbekommt, dass das ein Chatbot ist. Das gibt es schon in der Werbewirtschaft, Werbetexter lassen darüber auch Veranstaltungstexte schreiben für Ausschreibungen. Zum Beispiel an diesem Wochenende ist folgende Veranstaltung. Das macht dann die KI. Das heißt, da besteht die Gefahr, dass dies für den Konsumenten und Leser nicht ganz klar ist.

Und die zweite Gefahr ist, dass die KI falsch interpretiert und verschiedene Muster aufgreift, die ethisch nicht in Ordnung sind. Da muss man eingreifen und das bewerten. Grundsätzlich kann aber eine KI immer auch dazulernen, zumindest die Guten und darauf wird es eben ankommen, da zu gucken, dass das auch notwendig ist. Da braucht es kritische Stimmen, damit hier eine Ausgewogenheit entsteht und auch immer eine Neubewertung.

Das Interview führte Moritz Degen.

Was ist Künstliche Intelligenz?

Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) wurde vor mehr als 60 Jahren geprägt durch den US-Informatiker John McCarthy. Er stellte einen Antrag für ein Forschungsprojekt zu Maschinen, die Schach spielten, mathematische Probleme lösten und selbstständig lernten. Im Sommer 1956 stellte er seine Erkenntnisse anderen Wissenschaftlern vor. Der britische Mathematiker Alan Turing hatte sechs Jahre zuvor bereits den "Turing Test" entwickelt, der bestimmen kann, ob das Gegenüber ein Mensch ist oder eine Maschine, die sich als Mensch ausgibt.

Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser ( shutterstock )
Quelle:
DR