Katholische Politiker kritisieren Mannheimer Urteil

Kopftuch ist nicht gleich Ordenstracht

Der Streit um das muslimische Kopftuch und das christliche Ordensgewand in der Schule verschärft sich wieder. Die Grünen äußerten am Wochenende die Überzeugung, das Bundesverfassungsgericht werde das baden-württembergische Kopftuch-Gesetz von 2004 kippen. Das sei notwendig, weil sonst wegen der Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Religionen die Schulen bald zum weltanschauungsfreien Raum würden. Dagegen bekräftigte die CSU, in der Schule solle das muslimische Kopftuch verboten werden, die Ordenstracht als Ausdruck der Alltagskultur jedoch erlaubt bleiben.

 (DR)

Nach der in diesen Tagen bekanntgewordenen schriftlichen Begründung eines Urteils zum Kopftuch in der Schule entschied der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim, dass Lehrer an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg im Unterricht weder Kopftuch noch Ordensgewand oder jüdische Kippa tragen dürfen. Kleidung, die auf ein religiöses Bekenntnis jeglicher Art schließen lasse, sei allein im Religionsunterricht zulässig. Eine Revision gegen das Urteil ließ der VGH nicht zu.

Daraufhin forderten die Grünen die Revision des Landesgesetzes. Das Gesetz sei verfassungsrechtlich nicht zu halten. Andernfalls drohten Schulen zum weltanschauungsfreien Raum zu werden, in denen keine Auseinandersetzung über Werte mehr stattfinden könne, sagte der Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Winfried Kretschmann, der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Samstag). Der zum Islam konvertierten Stuttgarter Lehrerin Doris Graber, die in der Schule kein Kopftuch tragen darf, empfahl der Politiker, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.

Kretschmann, der auch dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört, plädierte unter Verweis auf den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes für eine generelle Zulassung religiöser Symbole in der Schule. Falls es objektiv Störungen des Schulfriedens durch das Tragen eines solchen Symbols gebe, müsse es Einzelfallregelungen geben. Erst dann müsse der Staat als Schiedsrichter auftreten, damit niemand religiös oder weltanschaulich indoktriniert werde, so Kretschmann weiter.

CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer kritisierte dagegen die Entscheidung des VGH Mannheim massiv. In der «Bild am Sonntag» bezeichnete sie es als Skandal, dass Ordensleute beim Unterricht an öffentlichen Schulen ihre Tracht nicht mehr tragen dürften, und sprach von undifferenzierter Gleichmacherei. «Wer so argumentiert, verleugnet die besondere Rolle des Christentums in unserem Land», so die CSU-Generalsekretärin. Das Christentum habe Werte und Traditionen in Deutschland tief geprägt und bestimme die Alltagskultur. Dagegen transportiere das Kopftuch eine politische Botschaft und stehe für die Unterdrückung von Frauen.

Der politische Streit dauert seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2003 an. Die Karlsruher Richter hatten entschieden, dass einer muslimischen Lehrerin das Tragen eines Kopftuchs im Unterricht nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung des jeweiligen Bundeslandes verboten werden kann. Bislang beschlossen acht Landesparlamente entsprechende Regelungen. Unterschiede gibt es sowohl hinsichtlich des betroffenen Personenkreises als auch bei der Behandlung christlicher und jüdischer Symbole.

Während etwa Berlin alle religiösen Symbole für die meisten Bereiche des öffentlichen Dienstes untersagt, gibt es in Baden-Württemberg, das als erstes Land eine Regelung formuliert hatte, sowie in Bayern und Hessen nur ein Verbot des Kopftuchs bei Lehrerinnen, während christliche und jüdische Symbole weiter erlaubt werden. An dieser unterschiedlichen Behandlung islamischer und christlich-jüdischer Symbole entzündeten sich mehrere Verfahren.