Katholische Medienszene diskutiert neues Bistümer-Magazin

Reformdebatten über Bistumspresse

14 katholische Bistumszeitungen erscheinen nicht mehr wöchentlich und bringen ab Ostern 2024 zusammen ein neues Magazin heraus. Die Ankündigung sorgt hinter den Kulissen für Debatten. Denn die Mankos der Bistumspresse sind altbekannt.

Autor/in:
Gottfried Bohl
Die Kirchenzeitungen "Bonifatiusbote", "Der Sonntag", und "Glaube und Leben" / © Julia Steinbrecht (KNA)
Die Kirchenzeitungen "Bonifatiusbote", "Der Sonntag", und "Glaube und Leben" / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Es ist nicht der erste Versuch, sich dem Auflagenniedergang der katholischen Bistumszeitungen – zuletzt rund 8 Prozent pro Jahr – entgegenzustemmen.

Doch es ist sicher einer der ehrgeizigsten und radikalsten: Ab Ostern 2024 ersetzen 14 von ihnen die wöchentliche Kirchenzeitung durch ein alle zwei Wochen erscheinendes Magazin.

Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) hat Fachleute aus der katholischen Medienszene dazu befragt und sich bei beteiligten und bei nicht am Projekt beteiligten Redaktionen und Verlagen umgehört.

Bistumspresse erreicht nur wenige

"Tatsächlich erreicht werden von den Bistumszeitungen nur noch die sehr eng verbundenen Kirchenmitglieder", beschreibt der Eichstätter Kommunikationswissenschaftler Christian Klenk den Handlungsdruck.

Und es gelinge nur schwer, neue und vor allem jüngere Abonnenten zu gewinnen: "Junge Menschen nutzen generell kaum noch Printmedien, die Kirchenbindung sinkt rapide und damit das Interesse an Themen aus dem kirchlichen Leben."

Aufgestapelte Kirchenzeitungen / © Julia Steinbrecht (KNA)
Aufgestapelte Kirchenzeitungen / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Klenk hat zum Thema katholische Medien in Deutschland promoviert und ist Vorstandsmitglied der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP).

Die Ankündigung, mit "konstruktivem Journalismus" lösungsorientiert aktuelle gesellschaftliche Fragen zu behandeln, sei zu begrüßen, fügt er hinzu: "Dies bietet auch die Möglichkeit darzustellen, wie Kirche mit ihren Angeboten dazu beiträgt, gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen – und wie der Glaube Menschen in schwierigen Situationen helfen kann."

Konkurrenten schlafen nicht

Allerdings hätten sich dies auch andere katholische Medien bereits auf ihre Fahnen geschrieben. Zu hoffen sei, dass die Synergieeffekte durch die Kooperation tatsächlich genutzt würden, um Freiräume für solche Beiträge zu schaffen.

Wenn man den Magazin-Charakter konsequent umsetze und mehr auf Hintergründe, Analysen und Ratgeberthemen setze, könne ein zweiwöchiger Turnus ausreichend sein, so Klenk weiter.

Damit spricht er ein Thema an, hinter das die meisten der nicht an dem Projekt beteiligten Zeitungen besonders große Fragezeichen setzen.

Interessant dabei: Offiziell will sich – bis auf "Kirche + Leben" aus Münster – niemand äußern. Dabei ist auch hinter den Kulissen keine wirkliche Kritik am neuen Projekt zu hören. Alle beobachten es mit Interesse und wünschen viel Erfolg.

Aktualität und Gottesdiensthinweise adé?

Aber sie melden auch ihre Zweifel an und erklären, warum sie weiterhin einen anderen Weg gehen.

Da ist zum einen – siehe oben – die Abkehr vom Wochenrhythmus. Hierunter leide die von den Abonnenten erwartete Aktualität – und das vor dem Hintergrund, dass weltliche Medien vielerorts kaum noch über aktuelle kirchliche Themen berichten würden.

Auch besonders vielgelesene Rubriken wie etwa die Gottesdiensthinweise seien in einem Zwei-Wochen-Magazin kaum noch zu leisten.

Was sagen die Magazin-Macher zu diesen Argumenten? "Echte Aktualität ist für uns als Wochenzeitung schon jetzt eine Illusion", betont Ulrich Waschki, Chefredakteur und Geschäftsführer der Verlagsgruppe Bistumspresse in Osnabrück: "Wenn wir etwa Dienstagmittag Redaktionsschluss haben und Donnerstag erscheinen – was machen wir dann, wenn am Dienstagabend oder Mittwoch der Papst stirbt oder ein neuer Bischof ernannt wird?"

Halbierung von Vertriebs- und Verteilkosten

Daher bleibe schon heute nichts Anderes übrig, als Themen nach vorne weiterzudenken und auf Analysen und Hintergründe zu setzen.

Und was ist mit Gottesdienstordnungen und ähnlichen Wochen-Rubriken? Beim "Dom" in Paderborn wolle man sie weiter anbieten, "dann eben für 14 Tage", erklärt Ralf Markmeier, Geschäftsführer der Bonifatius GmbH.

Katholischer Medienverband KM.

Religiöse Bücher, Zeitungen und Zeitschriften sowie elektronische Medien erfüllen eine wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft. Sie vermitteln Glaubensinhalte, helfen Menschen auf der Suche nach Antworten auf die substantiellen Lebensfragen und vermitteln positive Werte auf der Grundlage des christlichen Glaubens. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verlagen, Buchhandlungen und Redaktionen setzen durch Ihr Engagement positive Akzente in der Gesellschaft, in der katholischen Kirche und in der publizistischen Landschaft im deutschsprachigen Raum.

Papstbücher in einer Buchhandlung / © Romano Siciliani (KNA)
Papstbücher in einer Buchhandlung / © Romano Siciliani ( KNA )

Bei der Verlagsgruppe dagegen verzichte man schon länger darauf. Dafür seien Pfarr- und Gemeindebriefe vor Ort ohnehin besser geeignet.

Eindeutig für die Abkehr vom Wochenrhythmus sprächen die nur noch rund halb so hohen Vertriebs- und Verteilkosten, ergänzen Markmeier und der Geschäftsführer des Münchner Sankt Michaelsbundes, Stefan Eß.

Höhere Seitenzahl schafft mehr Werberaum

Diese Einsparungen sollten Freiräume schaffen – auch für eine dringend notwendige stärkere Digitalisierung der Angebote. Der an den Planungen beteiligte Vermarkter Konpress nennt das Projekt "spannend".

Vorstandsvorsitzender Arne Biemann hebt die höhere Seitenzahl (64) des gemeinsamen Magazins hervor: "Dadurch haben wir die Möglichkeit, einheitliche und größere Umfänge von Schwerpunktthemen und Anzeigenkampagnen für unsere Kunden zu veröffentlichen."

Geschäftsleiter Werner Jakobartl geht daher nicht von einem Rückgang der Anzeigenumsätze aus: "Wir sehen darin sogar eine gewisse Chance auf Wachstum, da wir hier ganzseitige Formate wie etwa die zweite Umschlagseite anbieten können."

Ein zweites oft zu hörendes Argument aus den Reihen der nicht beteiligten Redaktionen und Verlage: Können die von Lesern gewünschte Regionalität und der Bezug zum eigenen Bistum in einem gemeinsamen Magazin im gewünschten Maß realisiert werden?

Totale Flexibilität ist nicht mehr möglich

Hier wolle man doch lieber flexibel bleiben, um etwa einmal die Papstreise auf den Titel zu platzieren und in der nächsten Woche Pfarreireformen im eigenen Bistum.

Totale Flexibilität sei im Magazin so nicht mehr möglich, räumen die Macher ein. Geplant sei aber eine ausgewogene Mischung aus regionalen und überregionalen Themen, in der jede Redaktion ihre eigenen Akzente setzen könne.

Die Kooperation könne und solle sogar Freiräume schaffen für mehr regionale Themen und Recherchen als bisher.

Was die Vorgeschichte des Projekts angeht, berichten die Macher, dass sie bewusst nicht alle Bistumszeitungen angesprochen hätten – auch um den Start nicht noch komplizierter zu machen.

Neugründung war kein Geheimnis

Allerdings sei das Magazin keine "geheime Kommandosache" gewesen, sondern immer wieder Thema bei gemeinsamen Tagungen der Redaktionen und der Verleger.

Für "Kirche und Leben" aus Münster sagt David Rönker, Geschäftsführer von Dialog Medien, das neue Magazin sei "ein mutiger Schritt, dem wir Respekt zollen und viel Erfolg wünschen".

Seine Zeitung habe aber schon seit 2002 dem gedruckten Produkt "bis heute als einzige ein tagesaktuelles Online-Magazin an die Seite gestellt" mit kirche-und-leben.de.

Doch der Zielgruppe, "die uns in gedruckter Form weiterhin lesen möchte, fühlen wir uns weiterhin sehr verbunden und verpflichtet, wöchentliche Aktualität sicherstellen zu können".

Abo-Kündigung als "kleiner Kirchenaustritt"?

Und Markus Nolte, Chefredakteur Online, ergänzt, man wolle die Transformation unter der Prämisse "online first" fortsetzen, ohne das Printprodukt zu vernachlässigen.

Kirchenzeitung verschiedener Bistümer liegen übereinander / © Harald Oppitz (KNA)
Kirchenzeitung verschiedener Bistümer liegen übereinander / © Harald Oppitz ( KNA )

Der GKP-Vorsitzende Joachim Frank, der im "Kölner Stadt-Anzeiger" selbst häufig über kirchliche Themen schreibt, bringt ein weiteres Problem ins Gespräch, mit dem auch das neue Magazin kämpfen müsse: "Gegen Überalterung und abnehmende Kirchenbindung können die besten Journalistinnen und Journalisten nicht anschreiben. Auch nicht gegen wachsenden Unmut der Gläubigen und Verärgerung beim Blick auf die Institution Kirche und ihre Vertreter. Die Kündigung eines Kirchenzeitungs-Abos sehen zuvor treue Leserinnen und Leser als 'kleinen Kirchenaustritt', mit dem sie ein Zeichen setzen."

Bischöfliche Unterstützung ist entscheidend

Deutschlandfunk-Religionsexpertin Christiane Florin hat früher beim "Rheinischen Merkur" und bei "Christ und Welt" schon einige Umstrukturierungen miterlebt und sagte jetzt bei domradio.de zum neuen Magazin: "Ich meine, dass es einen Versuch wert sein könnte."

Eine spannende Frage hinter allen Kooperationen sei aber, ob man sich über so viele Bistumsgrenzen hinweg "für so ein Projekt zusammenraufen kann." Denn innerhalb der Bischofskonferenz gebe es ja kirchenpolitisch tiefe Gräben.

Und entscheidend für die Zukunft aller kirchlichen Medien, so Florin weiter, sei auf Dauer auch, ob und wie der jeweilige Bischof die eigenen Zeitungen weiter unterstützt und bei Bedarf auch finanziert: "Möchte er eine Zeitung haben, die alles beklatscht, was er als Bischof macht? Oder möchte er eine Zeitung haben, die eher Forumscharakter hat, in der sich Debatten, die es ja nun unübersehbar in der römisch-katholischen Kirche gibt, abbilden?"

90 Prozent Aufwand für 10 Prozent Mitglieder

Bisher sei man in der glücklichen Lage, dass sich ihre Zeitungen zu einem großen Teil über Abos und Anzeigen finanzieren könnten, entgegnen die Macher des neuen Magazins.

Aber natürlich könne sich dies auch ändern und sei heute nicht abzusehen, wie die Leserinnen und Leser auf das neue Produkt reagieren werden.

Frank weist noch auf einen weiteren Aspekt hin, den der Kommunikationsberater Erik Flügge schon länger beklagt hatte: Rund 90 Prozent des Aufwands, den die Kirche betreibe, sei für höchstens 10 Prozent der eng verbundenen Mitglieder gedacht.

Stattdessen, so Frank, müsse man stärker darüber nachdenken, die Kommunikation der Kirche an denen auszurichten, "die sie im Binnendiskurs nicht mehr erreicht, aber auch noch nicht gänzlich verloren hat".

Gratismagazin für Kirchenmitglieder nicht finanzierbar

Ob das neue Magazin das schafft? Oder die anderen Zeitungen mit ihren eigenen neuen Konzepten? Das weiß heute niemand.

Die Idee eines Magazins, das mehrmals im Jahr kostenlos an alle Kirchenmitglieder geschickt wird, sei grundsätzlich reizvoll, heißt es.

Aber dies anstelle der Kirchenzeitung anzubieten – wie bei "Bene" im Bistum Essen – oder gar zusätzlich, sei nicht zu finanzieren.

Alleine schon wegen der Versandkosten. Selbst der ADAC, der ihnen lange als "leuchtendes Beispiel" genannt worden sei, habe dies ja inzwischen aufgegeben und lege sein Magazin nur noch in Supermärkten aus.

Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP)

Die Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP) ist ein Zusammenschluss von aktuell rund 520 Medienschaffenden. Sie versteht sich als Netzwerk von Katholikinnen und Katholiken, die in allen Bereichen weltlicher und kirchlicher Medien arbeiten.

Der Verband wurde 1948 gegründet als eine Art Schulterschluss der verbleibenden katholischen Publizisten nach dem Zweiten Weltkrieg.
Auf christlicher Grundlage will er zur Meinungsbildung in der Öffentlichkeit beitragen.

Die Bedeutung von professionellem Journalismus ist hoch / © Frank Molter (dpa)
Die Bedeutung von professionellem Journalismus ist hoch / © Frank Molter ( dpa )
Quelle:
KNA