Katholische Kirche lässt Segnung homosexueller Paare zu

Revolution oder Mogelpackung?

Überraschung aus dem Vatikan: Homosexuelle Paare können jetzt auch in der katholischen Kirche einen Segen erhalten. An der kirchlichen Sexuallehre ändert sich aber nichts.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Ein gleichgeschlechtliches Paar hält sich an den Händen / © Harald Oppitz (KNA)
Ein gleichgeschlechtliches Paar hält sich an den Händen / © Harald Oppitz ( KNA )

Katholische Priester dürfen ab sofort homosexuelle Paare segnen. Die vatikanische Glaubensbehörde veröffentlichte am Montag ein entsprechendes Dokument mit ausdrücklicher Genehmigung von Papst Franziskus. Der Schritt riecht nach Revolution. Immerhin hatte der Vatikan noch 2021 eine Segnung von homosexuellen Beziehungen klar ausgeschlossen. Trotzdem: Die Erklärung "Fiducia supplicans" (deutsch: Das flehende Vertrauen) bedeutet keineswegs eine 180-Grad-Wende.

Victor Manuel Fernandez / © Romano Siciliani (KNA)
Victor Manuel Fernandez / © Romano Siciliani ( KNA )

Darf nicht wie ein Sakrament behandelt werden 

Sehr genau unterscheidet der Leiter der Glaubensbehörde, Kardinal Victor Fernandez, in dem Dokument zwischen dem Sakrament der Ehe und einer Segnung von Menschen, die sich lieben. Sex ist laut Kirchenlehre nur in der Ehe zwischen Mann und Frau erlaubt; ausschließlich heterosexuelle Paare dürfen kirchlich heiraten.

An dieser Haltung ändert auch "Fiducia supplicans" nichts, wie Fernandez betont. Priester, die ein homosexuelles Paar segnen, müssten daher unbedingt vermeiden, dass der Akt wie eine Eheschließung – also wie ein Sakrament – aussieht.

Kein Ringtausch erlaubt 

Der Segen darf deshalb nicht in Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier oder der Eintragung einer Lebenspartnerschaft erteilt werden. Das Paar darf nicht in Hochzeitskleidung erscheinen, auch typische Gesten sind tabu, etwa das Austauschen von Ringen.

Segensfeier auf dem Bahnhofsvorplatz (DR)
Segensfeier auf dem Bahnhofsvorplatz / ( DR )

Eine weitere Voraussetzung: Der Geistliche darf die beiden Männer oder beiden Frauen nicht während eines Gottesdienstes segnen. Dieser besondere Rahmen ist laut Fernandez in der katholischen Kirche Verbindungen vorbehalten, die den Plänen Gottes in der Schöpfung entsprächen. Da die Kirche nur sexuelle Beziehungen innerhalb der Ehe als sittlich erlaubt ansehe, sei sie nicht befugt, homosexuellen Paaren einen gottesdienstlichen Segen zu erteilen.

Ablehnende Haltung bleibt bestehen

Hier zeigt sich, dass der Glaubenspräfekt mitnichten an der grundsätzlichen Haltung der Kirche zu Homosexualität rüttelt, nämlich dass gleichgeschlechtliche intime Handlungen "in sich nicht in Ordnung" seien. So steht es im Katechismus, eine Art Handbuch für Katholiken.

Ist das Dokument also eine Mogelpackung? Auch diese Einordnung wäre zu hart. Mit der Zulassung von Segensfeiern für Homosexuelle schafft Fernandez einen echten Fortschritt – im Einklang mit der Linie des Papstes. Franziskus wird nicht müde, immer wieder zu einer Kirche für "alle, alle, alle" aufzurufen.

Willkommen fühlen 

Mit "Fiducia supplicans" gelingt ihm und seinem Vertrauten Fernandez das Kunststück, die seelsorgerliche Praxis an der Basis tatsächlich zu verändern ohne an der theologischen Substanz zu rütteln. Anders gesagt: In der Erklärung geht es weniger um Sexualmoral, denn um die Frage nach offenen Pfarrgemeinden, in denen sich auch homosexuelle Menschen willkommen fühlen sollen.

Papst Franziskus spricht während der Generalaudienz am 6. Dezember 2023 im Vatikan. / © Alessia Giuliani/CPP (KNA)
Papst Franziskus spricht während der Generalaudienz am 6. Dezember 2023 im Vatikan. / © Alessia Giuliani/CPP ( KNA )

Bemerkenswert ist der Schritt auch deshalb, weil das Glaubensdikasterium noch im Februar 2021 die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren ausgeschlossen hatte. Auf eine entsprechende Anfrage – ein "dubium" – antwortete der damalige Präfekt, Kardinal Luis Ladaria (79), die Kirche habe nicht die Vollmacht, homosexuelle Verbindungen zu segnen.

Wirbel durch Fernandez 

Im Juli dieses Jahres ernannte Franziskus seinen früheren Ghostwriter Fernandez zum Nachfolger von Ladaria. Seit der Amtsübernahme hat der 61-Jährige mehrfach für Wirbel gesorgt. Neu ist vor allem der relativ offene Kommunikationsstil und das Einstellen von Dokumenten auf der Behörden-Homepage.

Anfang Oktober gelang dem Präfekten ein Coup, als er das Antwortschreiben des Papstes auf die "dubia" von fünf konservativen Kardinälen veröffentlichte. Die Kirchenmänner hatten unter anderem an der Legitimität der Weltsynode gezweifelt. Der Papst erteilte ihnen eine Abfuhr, und Fernandez nahm ihren Argumenten durch die Veröffentlichung den Wind aus den Segeln.

Positives Signal aus Rom

Im aktuellen Schreiben erklärt der Präfekt, das Dokument von 2021 aus seinem Dikasterium zum Thema Segnungen sei nun weiterentwickelt worden. Überhaupt habe die Kirche ihr Verständnis von dem, was ein Segen ist, im Licht der seelsorgerischen Ideale von Papst Franziskus erweitert und angereichert.

In Deutschland stieß diese Weiterentwicklung am Montag auf ein positives Echo. Zuletzt hatten die deutschen Bischöfe mehrfach Stoppschilder aus dem Vatikan angesichts ihrer Reformbemühungen erhalten, auch was Segensfeiern für Homosexuelle angeht. "Fiducia supplicans" ist zur Abwechslung ein positives Signal aus Rom – selbst wenn die Sexualmoral unangetastet bleibt.

Katholische Kirche erlaubt Segnung für homosexuelle Paare

Homosexuelle Paare können ab sofort auch in der katholischen Kirche gesegnet werden. Die vatikanische Glaubensbehörde veröffentlichte am Montag eine Grundsatzerklärung, wonach katholische Geistliche unverheiratete und homosexuelle Paare segnen dürfen. In dem Text mit dem Titel "Fiducia supplicans" (deutsch: Das flehende Vertrauen) wird betont, dass dabei eine Verwechslung mit einer Eheschließung ausgeschlossen werden muss. Auch darf ein Geistlicher den Segen nicht im Rahmen eines Gottesdienstes erteilen.

Ein Regenbogen leuchtet über dem Petersdom vor dem Beginn der wöchentlichen Generalaudienz von Papst Franziskus im Vatikan / © Gregorio Borgia (dpa)
Ein Regenbogen leuchtet über dem Petersdom vor dem Beginn der wöchentlichen Generalaudienz von Papst Franziskus im Vatikan / © Gregorio Borgia ( dpa )
Quelle:
KNA