Katholische Kirche gibt NS-Beutekunst an Serbien zurück

«Erinnerungen heilen»

Das Kreuz ist gerade 28,7 Zentimeter hoch. Der Versicherungswert beträgt 50.000 Euro, «doch der ideelle Wert ist unbezahlbar», sagt Christoph Stiegemann, Direktor des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn. Mehr als 50 Jahre gehörte das Kreuz zu dessen Sammlung.

Autor/in:
Christoph Strack
Bischofskollegen: Becker und Bulovic  (KNA)
Bischofskollegen: Becker und Bulovic / ( KNA )

Am Dienstag (19.10.2010) gab Paderborns katholischer Erzbischof Hans-Josef Becker in der serbischen Botschaft in Berlin das Kreuz seinen rechtmäßigen Besitzern zurück. Vor 69 Jahren hatten es deutsche Soldaten bei einer Plünderung des Himmelfahrtsklosters im serbischen Zica entwendet.



Dass dieses aufwendig gearbeitete und reich verzierte Standkreuz von hoher Bedeutung ist, unterstrichen sowohl Becker als auch der serbisch-orthodoxe Bischof Irinej Bulovic. Doch wie hoch die Wertschätzung des Kreuzes - für das Kloster wie auch für serbische Nationalgeschichte ist - zeigten vor allem die Momente, nachdem Becker das wertvolle Stück an Jakov Lazovic, einen der Mönche des Klosters in Zica, überreicht hatte. Lazovic hielt es den beiden anwesenden orthodoxen Bischöfen entgegen, die nahmen ihre Kopfbedeckung ab und küssten das Kreuz.



Nicht nur religiöse Bedeutung

Denn das Standkreuz hat nicht nur religiöse Bedeutung. Das Kloster Zica, das im vorigen Jahr sein 800-jähriges Bestehen feierte, war der traditionelle Krönungs- und Salbungsort der serbischen Könige. Und Aleksandar Obrenovic, von 1889 bis zu seiner Ermordung 1903 König von Serbien, schenkte das Kreuz anlässlich seiner Salbung dem Kloster. Damit, sagt Bischof Bulovic, "ist es eine Anknüpfung an Kontinuität, an unsere mittelalterliche Tradition". Die endgültige Befreiung und Anerkennung seines Landes habe sich unter der Obrenovic-Dynastie, die mit Aleksandar endete, vollzogen. So sprach auch Botschafter Ivo Viskovic von einer "sehr offiziellen Angelegenheit", die der Vertiefung der Beziehungen zwischen beiden Ländern diene.



Erzbischof Becker erzählte die Paderborner Geschichte des Kreuzes.

Nicht mehr bekannt sei, wie es nach der Zerstörung von Zica nach Deutschland gekommen sei. Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass ein ehemaliger Soldat es unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an das Diözesanmuseum übergab. Dort stand es in einer Vitrine, neben einem Hinweis "von einem Soldaten".



2003 kam die serbische Seite auf das Museum erstmals zu. Sowohl das Erzbistum als auch der deutsche Staat hätten sofort signalisiert, dass sie das Stück "sehr gern" zurückgeben würden, erläuterte Bulovic. Seitdem wurde geklärt, wer der eigentliche Besitzer sei und in welchem Rahmen die Rückgabe erfolgen solle. Völlig zu Recht, wie der Bischof von Backa sagte. "Durch solche Taten können wir die Erinnerungen heilen."



Bischof und Erzbischof kamen von der Bedeutung des Kreuzes, dieses zentralen Zeichen des christlichen Glaubens, auf das Leiden des 20. Jahrhunderts. Becker äußerte den Wunsch, das Standkreuz möge zu einem Zeichen der Versöhnung zwischen den Völkern werden.



Erinnerungen an die Kriegszeit

Bulovic erinnerte an schlimme Erinnerungen während der Kriegszeit - aber auch in dieser Zeit hätten manche Deutsche unterdrückten Menschen geholfen "und auch manchmal ihr eigenes Leben dafür gegeben". Schließlich hätten in der Vojvodina seit Jahrhunderten nur "Schwaben" genannte Deutsche gelebt, berichtete der 63-jährige Kirchenmann in leisem, fehlerfreiem Deutsch. Noch als Kind lernte er es in der Schule. Und erzählt nun, dass Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, im ehemaligen Jugoslawien geboren und heute Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, für ihn letztlich ein Landsmann sei.



Becker spricht von den beschämenden und erschütternden Zeitzeugenberichten über die Ereignisse von 1941, die auch heute noch sprachlos machten. Das Reliquienkreuz kehre nun zurück in jene Hände, "in die es rechtmäßig gehört".



"Es ist ein so wunderschönes Stück", sagt er beim Abschied. Vielleicht wird er es bald wiedersehen. Denn Kloster, serbisch-orthodoxe Kirche und der vor wenigen Tagen inthronisierte Patriarch Irinej I. haben den Erzbischof nach Serbien eingeladen. Becker nahm an.