Katholische Entwicklungsorganisationen zur Klimakonferenz

"Wir können große globale Veränderungen meistern"

In Bonn finden derzeit die UN-Klimagespräche vor der Weltklimakonferenz in Kopenhagen statt, bei der im Dezember ein Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll verabschiedet werden soll. Am Rand der Verhandlungen warnen Nichtregierungsorganisationen (NRO) davor, dass der Kampf gegen den Klimawandel andere Entwicklungshilfeprojekte aus finanziellen Gründen stoppen könnte.

Autor/in:
Agathe Lukassek
 (DR)

Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) forderte der Generalsekretär des Dachverbandes von 16 katholischen Entwicklungsorganisationen in Europa und Nordamerika (CIDSE), Bernd Nilles, am Donnerstag in Bonn zusätzliche Mittel für den Klimaschutz.

KNA: Herr Nilles, worum geht es bei den Klimagesprächen in Bonn?
Nilles: In Bonn werden die ersten Entwürfe vorgelegt für die Weltklimakonferenz in Kopenhagen. Aktuelle Studien besagen, dass die Erde sich langfristig auf über zwei Grad Celsius erwärmen wird, wenn der CO2-Ausstoß nicht um mindestens 40 Prozent gesenkt wird. Unsere Partner in den Entwicklungsländern berichten von ersten schwerwiegenden Auswirkungen des Klimawandels. Deshalb konzentrieren wir uns auf zwei Punkte: Absenkung und Anpassung.

KNA: Was heißt das?
Nilles: Die Länder aus dem Norden müssen den CO2-Ausstoß absenken, um die dramatischen Folgen für die betroffenen Menschen abzumildern. Zweitens geht es uns um die Anpassung an den Klimawandel, besonders in den Ländern mit extremen Wetterphänomenen. Die brauchen Verschiedenstes: mal Frühwarnsysteme, mal Risikomanagement, um die Folgen von z.B. Stürmen und Fluten abzumildern. Und Anpassungsstrategien wie der Erhalt von Mangrovenwäldern, die gegen steigende Meeresfluten Schutz bieten. Auch Technologietransfer ist wichtig, es geht aber nicht einfach nur darum, neue Technologien nach Afrika zu bringen, sondern auch zu schauen, wie erfolgreiche Ansätze vor Ort aussehen und wie man die fördern kann.

KNA: Wo liegen die Schwierigkeiten bei den Bonner Gesprächen?
Nilles: Ein großes Problem ist, dass die Verhandlungsparteien weit auseinander liegen. So will Saudi Arabien etwa Entschädigungen dafür, wenn es in Zukunft weniger Öl verkauft. Länder wie USA, Kanada und Australien möchten ihre Treibhausgas-Emissionen nur um 5 Prozent senken. Die Europäische Union hat hingegen schon 20 Prozent zugesagt und würde auf 30 Prozent erhöhen, aber nur, wenn andere Länder mitziehen. Und die USA üben Druck aus, indem sie Entwicklungsländern Geld für die Anpassung an den Klimawandel anbieten, wenn sie selber im Tausch dazu ihren eigenen CO2-Ausstoß nur gering senken müssen. Bonn ist deshalb wichtig, weil ein vernünftiger Verhandlungstext für Kopenhagen nötig ist und ausgearbeitet werden muss.

KNA: Und Deutschland?
Nilles: Leider macht auch Deutschland zu wenig. Wir müssen alle umdenken und bereit sein für einen anderen Lebensstil und anderes Wirtschaften. Als positives Beispiel gilt Südkorea, das 80 Prozent seiner Ausgaben zur Bekämpfung der Finanzkrise - etwa 30 Milliarden Euro - in Umweltmaßnahmen und -technologien investiert.

KNA: Inwiefern hat die CIDSE Einfluss auf die Verhandlungen?
Nilles: Wir als Nichtregierungsorganisation haben einen Beobachterstatus. Als Netzwerk machen wir zusammen mit Caritas internationalis Öffentlichkeitsarbeit und verschiedene Veranstaltungen. Aber das alles ist eingebettet in unsere Kernaufgabe, Armut zu bekämpfen und Entwicklungszusammenarbeit zu fördern. In den letzten Jahren berichten unsere Partner in den Entwicklungsländern mehr und mehr von sich veränderndem Klima und den Folgen. Deshalb versuchen wir politisch Einfluss zu nehmen und nutzen dafür auch unseren Sitz in Brüssel nah an den EU-Institutionen.

KNA: Zeitgleich zu Bonn findet eine Klimawandel-Konferenz in dem südostafrikanischen Malawi statt. Besprechen also Nord und Süd das Thema jeweils unter sich?
Nilles: Nein, in Malawi diskutieren auf unsere Einladung hin 50 Vertreter von NROs aus aller Welt - dabei viele unserer Partnerorganisationen. In Bonn treffen sich die Regierungen der Welt. Zwischen Bonn und Lilongwe in Malawi wird es nächsten Dienstag eine Video-Live Schaltung geben. Sie soll dem besseren Verständnis dienen und den Regierungen zeigen, warum es wichtig ist, in Anpassungsmaßnahmen zu investieren. Es soll auch deutlich gemacht werden, dass der Klimawandel ein zusätzliches Problem ist, das zusätzliche Mittel erfordert. Das Geld der öffentlichen Entwicklungshilfe - wie von machen Ländern geplant - kann nicht dafür gedacht sein, das fehlt dann beim nächsten Aids-Projekt.

KNA: Aber können solche Konferenzen überhaupt etwas bewirken?
Nilles: Natürlich. Wir im Norden sind zwar der Verursacher des Klimawandels, aber wir können große globale Veränderungen auch meistern. So haben wir etwa das Ozonloch bekämpft, und es schließt sich langsam wieder. Das Kyoto-Protokoll hat gezeigt: Die Welt muss sich auf eine wirksame Bekämpfung verständigen. Mit genug Druck, auch auf die nächste Bundesregierung, und mit Verständnis und Willen der Bürger für neue Wirtschaftformen und nachhaltigen Konsum kann das auch in Kopenhagen gelingen. Wir können nichts mehr rückgängig machen, und mit jedem Tag, an dem nichts getan wird, wird das Klimaproblem immer teurer. Wir müssen uns verändern, aber wir haben auch eine gute Chance.