Katholische "Cibedo" kritisiert Politik und islamische Verbände

Eingeknickt?

Der Islamwissenschaftler Muhammad Kalisch wehrt sich gegen seine Abberufung als Ausbilder für islamische Religionslehrer an der Universität Münster. Kalisch sagte, als Demokrat respektiere er die Entscheidung des NRW-Wissenschaftsministeriums. Er warne aber vor der "Entscheidung für einen Islam", der von islamischen Verbänden definiert werde, für die es keine "historisch-kritische Methode" gebe. Der Leiter des "Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationszentrums" (Cibedo), Dr. Peter Hünseler, kritisiert im domradio die fehlende Sachauseinandersetzung. Allerdings würde dem Koordinierungsrat der Muslime (KRM) dafür auch die Legitimation und die Kompetenz fehlen. Der Sprecher des KRM wäre "ja nun mal kein Theologe".

 (DR)

Hünseler hat allerdings Verständnis dafür, dass der KRM sich einen Religionsunterricht auf der Basis des sunntisch/schiitischen Mainstreamislam wünscht. Die deutsche Politik sei aber zu vorschnell eingeknickt. Alle Beteiligten hätten sich an einen Tisch setzen müssen, um zu schauen, ob der Gegensatz nicht doch überbrückbar gewesen wäre, so Hünselers Kritik.

Ein weiteres Problem sei, so Hünseler, dass der Islam eigentlich kein Lehramt kenne,  der KRM gegenüber der Politik aber andererseits die Position des Lehramts einnehme, wie es in der katholischen Kirche der Papst oder die Bischöfe tun.

Kalisch selbst warnte in einem Interview vor einem zu großen Einfluss dieser Organisationen in den Schulen ausgesprochen. «Mit ihren derzeitigen Positionen sind die Verbände als Träger des islamischen Religionsunterrichts ungeeignet», sagte Kalisch nach einem am Dienstag in Hamburg verbreiteten Vorabbericht der Wochenzeitung «Zeit». Es bestehe die Gefahr, dass «ganze Generationen von Muslimen» von Pädagogen ausgebildet würden, die sich nach dem richteten, was die Verbände vorgäben.

Wenn es der Politik darum gehe, die muslimischen Kinder aus den Koranschulen herauszuholen, «kann es ja keine Lösung sein, die Koranschulen an die staatlichen Schulen zu holen», sagte Kalisch. Ein moderner Religionsunterricht müsse auch für kritische Fragen offen sein, fügte der Wissenschaftler hinzu.

Auch die Mitsprache der muslimischen Gruppierung bei der Besetzung von theologischen Lehrstühlen sieht Kalisch kritisch: «Diese Verbandsfunktionäre verstehen etwas von Macht. Wenn sie Fuß gefasst haben an den Universitäten, werden sie dort versuchen, autoritäre Strukturen einzurichten.»

In dem Interview mit dem Deutschlandradio verteidigte Kalisch seine umstrittene These über den Propheten des Islam. «Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Geschichtlichkeit Mohammeds nicht feststeht. Ich halte sie weder für beweisbar noch für widerlegbar», sagte der Professor. Nach Aussagen des Cibedo-Leiters Dr. Hünseler steht Kalisch mit seinen Zweifeln an der Überlieferung nicht alleine dar.

Freiheit von Forschung und Lehre
Pinkwart wies die Vorwürfe Kalischs zurück: «Das Ministerium hat Herrn Kalisch nicht abberufen; das könnte es auch gar nicht, denn es übt nicht die Fachaufsicht aus. Die Universität Münster und Herr Kalisch haben sich darauf geeinigt, dass die Ausbildung von Islamkundelehrern künftig anders organisiert wird.»

Es helfe «wenig, wenn wir Hochschulabsolventen haben, bei denen die Verbände den Eltern sagen: Schickt Eure Kinder dort nicht in den Unterricht», sagte der Wissenschaftsminister weiter. Dies dürfe «aber in keiner Weise die Freiheit von Forschung und Lehre in Frage stellen und tut es auch nicht», sagte Pinkwart.

Der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) in Deutschland erneuerte unterdessen seine ablehnende Haltung zu Kalisch. Selbstverständlich habe Kalisch das Recht, seine Überzeugungen als Forscher zu vertreten, sagte der neue KRM-Sprecher Erol Pürlü. Kalisch stelle aber eine «Minderheit unter einer Minderheit» dar, weshalb dieser mit seinen wissenschaftlichen Thesen nicht als Beauftragter für die «dringend notwendige Religionslehrer-Ausbildung» geeignet sei.

Hünseler warf der KRM vor, eine Art «islamisches Lehramt» in Anspruch zu nehmen, gegen das sich die islamischen Verbände im interreligiösen Dialog immer verwahrt hätten. Dem KRM komme «keine theologische Expertise» zu. Es gebe im Islam «weltweit längst Ansätze für einen wissenschaftlich-kritischen Umgang mit den Quellen des Islam». Das sei eine überfällige, sehr heilsame Bewegung. In diesem Zusammenhang sieht Hünseler auch Kalischs Arbeit in Münster.

Der Koordinierungsrat als Spitzenverband der vier größten islamischen Organisationen in Deutschland hatte seine Mitarbeit bei der Lehrerausbildung durch Kalisch Anfang September beendet. Man könne niemandem empfehlen, bei Kalisch zu studieren, weil dieser Forscher grundlegende Inhalte des Islam wie die Entstehung des Koran oder die Existenz des Propheten Mohammed angezweifelt habe, hieß es. Deshalb soll bald eine neue Professorenstelle für Islamische Religionspädagogik in Münster besetzt werden.