Der Islamkunde-Professor Muhammad Sven Kalisch fürchtet um seine Sicherheit

"Kaum verhüllte Drohung"

Muhammad Sven Kalisch durfte als erster Professor Lehramtskandidaten für Islamkunde ausbilden. Wegen Meinungsverschiedenheiten kündigte der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland die Zusammenarbeit mit ihm auf. Nun fürchtet Kalisch um seine Sicherheit. 30 Wissenschaftler, Autoren und Vertreter religiöser Gruppen haben sich inzwischen mit dem Forscher solidarisiert.

 (DR)

Dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete Kalisch von einer "kaum verhüllten Drohung" gegen ihn. Einige Muslime betrachteten ihn nicht mehr als einen der Ihren; konservative Muslime sähen im Glaubensabfall ein todeswürdiges Vergehen. Laut "Spiegel" haben sich unterdessen 30 prominente Muslime, Wissenschaftler und Publizisten in einer Solidaritätserklärung hinter den Theologen gestellt.

Laut Magazin "Focus" will Kalisch seine umstrittenen Thesen im kommenden Jahr in einem Buch auf Englisch vorlegen. Nach Darstellung des Blattes leugnet er die Existenz des Propheten Mohammed und plädiert für eine historisch-kritische Auslegung des Koran, der nicht das direkte Wort Gottes sei. Kalisch sympathisiere mit der Theorie der Saarbrücker Schule, wonach der Koran im Grunde ein christlicher Text sei.

Solidaritätserklärung
Kalisch durfte als erster Professor Lehramtskandidaten für Islamkunde ausbilden. Wegen Meinungsverschiedenheiten in theologischen Fragen kündigte der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) inzwischen die Zusammenarbeit mit ihm auf. Daraufhin teilte die Universität Münster vergangene Woche mit, sie werde einen anderen Professor mit der Lehramtsausbildung betrauen. Kalisch soll aber außerhalb des Lehramtsstudiengangs weiter unterrichten.

Im Streit um die Lehrtätigkeit des Münsteraner Islamwissenschaftlers Muhammad Kalisch haben sich mehr als 30 Wissenschaftler, Autoren und Vertreter religiöser Gruppen mit dem Forscher solidarisiert. In der Solidaritätserklärung heißt es, durch die Aufkündigung der Zusammenarbeit distanziere sich der KRM von der "ergebnisoffenen Wissenschaft". Die im Koordinationsrat vereinigten Verbände ließen "eine historische Chance verstreichen, mit einem Hoffnungsträger die Zukunft des Islam und der Gesellschaft in Deutschland insgesamt mitzugestalten".

Zu den Unterzeichnern gehören die Rechtsanwältin Seyran Ates, der Aleviten-Führer Ali Ertan Toprak, der Hamburger Imam Mhedi Razvi, die Marburger Islamwissenschaftlerin Ursula Spuler-Stegemann und der Göttinger Arabist und Islamwissenschaftler Tilman Nagel. Laut der am Montag von «Spiegel Online» veröffentlichten Erklärung verteidigen die Unterzeichner den «Lehr- und Forschungsauftrag» des Professors. Sein Lehrauftrag am Centrum für Religiöse Studien der Universität Münster verpflichte Kalisch dazu, «zukünftigen Religionskundelehrkräften wissenschaftliches Arbeiten zu vermitteln», heißt es weiter.

Kalischs Aufgabe sei es unter anderem, «sich eigene Vorstellungen zur Religion auf verschiedenen Ebenen - vom eigenen Gottes- und Menschenbild bis zu aktuellen Themen - bewusst zu machen, sie in der Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen und neuem Wissen kritisch zu prüfen und gegebenenfalls zu verändern», so die Unterzeichner. Zudem müsse ein Professor «seine Studierenden zum Mitdenken statt zum blinden Glaubensgehorsam ausbilden».

Der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) in Deutschland hatte seine Mitarbeit im Beirat des Centrums Anfang September beendet. Man könne niemandem empfehlen bei Kalisch zu studieren, weil der Forscher grundlegende Inhalte des Islam wie die Entstehung des Koran oder die Existenz des Propheten Mohammed angezweifelt habe, hieß es zur Begründung beim KRM.

Das NRW-Forschungsministerium hatte in der vergangenen Woche versucht, den Streit zu entschärfen. Demnach soll bald die neue Professorenstelle für Islamische Religionspädagogik in Münster besetzt werden. Die Universität Münster ist die einzige in Nordrhein-Westfalen, die eine solche Ausbildung anbietet.

Ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums sagte, die Universität Münster strebe mit der raschen Besetzung der seit 2007 geplanten weiteren Professorenstelle eine «pragmatische Lösung» an. Sobald die Berufungsentscheidung vorliege, werde die Landesregierung ein Votum der islamischen Verbände einholen. Die «Freiheit von Forschung und Lehre» gelte aber unverändert, betonte der Sprecher.

Der Theologe und Volljurist Kalisch, der 1966 in Hamburg geboren wurde und mit 15 Jahren zum Islam konvertierte, hat seinen Lehrstuhl zur Ausbildung von islamischen Religionslehrern seit 2004 inne.