Katholikentag: Juden und Christen wollen Dialog fortsetzen

Im Gespräch bleiben

Mit Blick auf den Streit um die Karfreitagsfürbitte haben sich Spitzenvertreter von Christen und Juden in Deutschland zur Fortsetzung des Dialogs bekannt. "Je mehr Fragen auftauchen, desto wichtiger ist es, miteinander im Gespräch zu bleiben", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Donnerstagabend beim Katholikentag in Osnabrück. Auch der Augsburger Rabbiner Henry G. Brandt rief zu einem "offenen und redlichen Gespräch" auf. Zuvor hatten Fachleute beider Religionen erneut Kritik an der Neufassung der Fürbitte geübt.

 (DR)

Die Auseinandersetzung hatte bereits im Vorfeld des Katholikentages die jüdisch-christlichen Beziehungen belastet. Mehrere jüdische Vertreter sagten ihre Teilnahme an dem Osnabrücker Treffen ab, unter ihnen der Rabbiner Walter Homolka und der Frankfurter Soziologe Micha Brumlik. Hintergrund ist die Aufwertung des vorkonziliaren Messritus durch Papst Benedikt XVI. im vergangenen Jahr. Dies machte auch eine Neufassung der alten Karfreitagsfürbitte notwendig, da in der bis 1962 geläufigen Form noch von den «verblendeten Juden» die Rede war.

In der nun gültigen Version wird für die Juden gebetet, «dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchtet, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen» und dass «beim Eintritt der Fülle der Völker in Deine Kirche ganz Israel gerettet wird». Diese Fürbitte kommt nur in wenigen traditionalistischen Messen zum Einsatz. Die große Mehrheit der Katholiken bittet weiterhin in der seit 1970 gültigen Formel darum, dass Gott die Juden «in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen bewahre, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will».

«Ohne Not»
Bei der jüdisch-christlichen Gemeinschaftsfeier beklagte Brandt, die jüdische Seele sei besonders in Deutschland verletzt, die Menschen fühlten sich beleidigt. Die Neufassung durch Papst Benedikt XVI. sei «ohne Not und gegen begründete Warnungen» erfolgt. Brandt äußerte sich lobend über die nach dem Zweiten Weltkrieg grundlegend gewandelten jüdisch-christlichen Beziehungen und warnte eindringlich vor einer Revision. Darauf versicherte ihm Zollitsch unter dem Beifall der Zuhörer: «Es wird keine Wende der Wende geben. Der Weg geht nach vorne. Dafür stehe ich hier.»

Der Bischofskonferenz-Vorsitzende sagte, die Christen hätten in den vergangenen Jahrzehnten erst wieder mühsam lernen müssen, dass die Juden das «Volk des nie gekündigten Bundes» seien. Zollitsch hatte seine Teilnahme an der Zeremonie unter dem Eindruck des Streits um die Karfreitagsfürbitte zugesagt. Nach dem in Hebräisch und Deutsch gesprochenen Segen umarmten sich Zollitsch und Brandt. Die Geste wurde von den Besuchern mit langanhaltendem Beifall bedacht. Die Feier zählte zu den geistlichen Höhepunkten der Tage von Osnabrück.

Bei einer Podiumsdiskussion am Donnerstagnachmittag sagte der Regensburger Pastoraltheologe Heinz-Günther Schöttler, die Fürbitte unterscheide sich inhaltlich nicht von der ursprünglichen Formulierung von 1962, die eine «Lehre der Verachtung» gegenüber dem Judentum widerspiegele. «Sie ist nur freundlicher formuliert.» Auch der Braunschweiger Rabbiner Jonah Sievers kritisierte die Fürbitte.
Er wandte sich zugleich gegen den Eindruck, die jüdische Seite habe im Streit um die Fürbitte überwiegend emotional reagiert. «Wir sind keine Mimosen.»

Brandt, Sievers und Schöttler sprachen sich dafür aus, die seit 1970 gültige Formel in den revidierten alten Messritus zu übernehmen. Diese könne auch von jüdischer Seite Anerkennung finden, so Brandt. Schöttler bezeichnete die Formulierung im neuen Ritus als «Beschreibung der Würde Israels». Von den Besuchern des Katholikentages erhielten die Kritiker der umstrittenen Karfreitagsfürbitte wiederholt deutliche Zustimmung.