Katholikenausschuss ruft zu Gebet gegen Gewalt an Frauen auf

"Das Dunkelfeld ist riesig"

Viele Frauen erleben mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt. Am internationalen Gedenktag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen findet am Samstag ein Abendgebet in Köln statt, um die Relevanz des Themas zu betonen.

Eine Frau hält ihre Hände vor das Gesicht / © Fabian Sommer (dpa)
Eine Frau hält ihre Hände vor das Gesicht / © Fabian Sommer ( dpa )

DOMRADIO.DE: Auf ihrem Flyer steht in roter Schrift "Tendenz steigend", eine erschreckende Aussage. Warum ist die Tendenz von Gewalt an Frauen denn überhaupt steigend?

Elisabeth Grumfeld (Vorstandsmitglied des Katholikenausschusses in Köln): Die Gewalt an Frauen hat sich vermutlich auch durch die Pandemie exorbitant gesteigert. Es gibt mittlerweile verschiedene Formen der Gewalt, die hinzugekommen sind, wie auch Gewalt an Frauen in sozialen Netzwerken.

DOMRADIO.DE: Bei Gewalt denken viele nur an Körperliches. Aber es gibt ja auch psychische Gewalt.

Grumfeld: Das ist in den letzten Jahren auch vermehrt aufgetreten, gerade was Beleidigungen und Bedrohungen angeht. Hasstiraden, nicht nur übers soziale Netzwerk, sondern auch in der Öffentlichkeit, sind sehr stark angestiegen.

Das Bundeskriminalamt hat einen Anstieg gemeldet von 2022 um 8,5 Prozent in der Bundesrepublik. Das sind mehr als 240.000 Gewaltdelikte, die angezeigt werden und in NRW um 9,5 Prozent auf 34.000. Das Dunkelfeld ist riesig, davon kann man ausgehen.

DOMRADIO.DE: Wie kann man im Alltag damit umgehen und den Menschen begegnen, die diese Tendenz leugnen?

Grumfeld: Man muss immer wieder darauf hinweisen und die Gesellschaft immer wieder darauf hinweisen, dass es diese Gewalt gibt und dass sie immer stärker wird. Auch muss Zivilcourage gezeigt werden. Das wird heute immer weniger, da die Gleichgültigkeit gegen solche Delikte zunimmt.

Elisabeth Grumfeld

"Man muss den Mut haben, die Frauen anzusprechen, um darauf hinweisen zu können, dass es Möglichkeiten gibt."

DOMRADIO.DE: Oft ist man als Frau vielleicht größeren, schwereren Männern körperlich unterlegen. Außerdem hat man gehört, dass weitere Frauen verletzt werden könnten.

Grumfeld: Wenn einem dies bekannt ist, kann man sich jedoch Hilfe holen. Man kann den Frauen auch insofern Hilfestellung geben, indem man sie an verschiedene Institutionen verweist, die ihnen dabei auch helfen können.

DOMRADIO.DE: Was mache ich, wenn ich einen Verdacht habe? Ich glaube, das ist auch eine Hürde, jemanden darauf anzusprechen. 

Grumfeld: Es muss jedoch angesprochen werden. Man muss den Mut haben, die Frauen anzusprechen, um darauf hinweisen zu können, dass es Möglichkeiten gibt.

Damit umzugehen und zum anderen, sich Hilfestellung bei verschiedenen Organisationen zu holen. Denn das ist wirklich das Wichtigste, dass man Frauen darauf hinweist, dass es solche Hilfestellungen gibt. Vielen ist nicht bewusst, dass das Verhalten nicht normal ist. 

Elisabeth Grumfeld

"Je weiter die Gleichberechtigung voranschreitet, umso massiver werden die Anfeindungen."

DOMRADIO.DE: Seit wann gibt es das interreligiöse Abendgebet und was haben Sie in diesem Jahr geplant?

Grumfeld: Der Katholikenausschuss führt das seit 16 Jahren durch. 1999 wurde der Internationale Tag "Nein zu Gewalt an Frauen" von der UN Versammlung bestimmt. Acht Jahre später haben wir damit begonnen. Immer mit anderen christlichen Gemeinden, mit anderen interreligiösen Gemeinschaften zusammen. Mit dabei sind die evangelische, die katholische Kirche, die Baptisten, die Bahai und Muslime.

Es ist einfach schön, dass man gemeinsam so etwas auf die Beine gestellt hat und auch weiterhin stellt. Wir werden uns in der Karl Rahner Akademie den Themen "Gewalt an Frauen in sozialen Netzwerken", "Alltagsrassismus", der auch immer stärker wird und "Backslash" widmen. Mit "Backslash" ist in diesem Kontext "Rückwärtsgewandtsein" gemeint.

Das Phänomen dabei ist: Je weiter die Gleichberechtigung voranschreitet, umso massiver werden die Anfeindungen. Die historische Verschiebung der Gegenkräfte aktiviert besonders in Gesellschaften und Familien einen Backslash, in der das Patriarchat noch wirkmächtig oder wieder zurückgekehrt ist. Auch darüber gibt es Studien, es ist legitimer geworden.

DOMRADIO.DE: Aber es gibt auch noch mehr Aktionen gegen Gewalt gegen Frauen.

Grumfeld: Seit einigen Jahren gibt es Aktionen in Köln und auch bundes- und weltweit, so auch den Orange Day. Die "Orange the World"- Kampagne geht vom 25. November bis zum 10. Dezember, bis zum Tag der Menschenrechte. Der Orange Day beginnt mit der Darstellung von 133 orangefarbenen Schuhpaaren, die an die 133 ermordeten Frauen durch häusliche Gewalt sichtbar gemacht werden sollen. Es gibt Lichtinstallationen an öffentlichen Gebäuden bis hin zu der Feier bezüglich der Verleihung des Friedensnobelpreises an die iranische Menschen- und Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi.

Das Interview führte Michelle Olion.

Information der Redaktion: Der Artikel wurde am 25. November um 9:24 Uhr aktualisiert.

UN-Kampagne "Orange the World"

Die UN-Kampagne “Orange The World“ macht seit 1991 auf Gewalt aufmerksam: vom Internationalen Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen am 25. November bis zum 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte. Sie ist seit 2008 Teil der "UNITE to end Violence Against Women" Kampagne des UN-Generalsekretärs, die von UN Women durchgeführt wird.

UN Women Deutschland

Frauen demonstrieren für Gleichberechtigung / © David MG (shutterstock)
Frauen demonstrieren für Gleichberechtigung / © David MG ( shutterstock )
Quelle:
DR