Katholiken und Muslime suchen Rückkehr zu sachlichem Dialog

Historische Premiere

Zwei Jahre nach der Polemik um die Regensburger Rede des Papstes haben sich der Vatikan und hochrangige Vertreter des Islam um Rückkehr zu einem sachlichen Dialog bemüht. In einer historischen Premiere, dem ersten katholisch-islamischen Forum, diskutierten je 29 katholische und muslimische Würdenträger und Experten über theologische und geistige Grundlagen ihrer Religionen sowie über die Frage von Menschenwürde und gegenseitigem Respekt.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Geehrt: Mustafa Ceric, Großmufti von Bosnien Herzegovina (hier bei einer Papstaudienz) (KNA)
Geehrt: Mustafa Ceric, Großmufti von Bosnien Herzegovina (hier bei einer Papstaudienz) / ( KNA )

Die Atmosphäre beim neuen Dialog-Anlauf war freundlich. Und das Schlussdokument nach den dreitägigen Beratungen zeigt bei allen grundlegenden Differenzen ein erstaunliches Maß an Übereinstimmungen und gemeinsamen Interessen.

Darin bekennen sich Katholiken und Muslime zur Religionsfreiheit, einschließlich dem Schutz religiöser Minderheiten. Offen lassen sie dabei die Frage, ob es für den Einzelnen auch ein Recht auf den Abfall von einem Glauben oder auf den Wechsel der Religion geben kann. Sie unterstreichen die gleiche Menschenwürde von Mann und Frau. Beide Religionen müssen zur Harmonie in der Welt beitragen, heißt es.

Mit Nachdruck erteilen die Delegierten jeder Unterdrückung, aggressiven Gewalt und Terrorismus eine Absage, vor allem wenn sie im Namen der Religion verübt werden. Die Pluralität in Gottes Schöpfung, in den Kulturen, Zivilisationen und Völkern müsse als Bereicherung verstanden werden, und dürfe keinesfalls Ursache für Spannungen und Konflikte sein. Zudem fordern die Delegierten Lebensschutz sowie ein ethisches Finanzsystem, das auch den Belangen der Armen und Schuldnerländern Rechnung trägt.

Der Islam präsentierte sich als weltoffene Religion
Deutlich grenzten sich die Konferenz und deren muslimische Vertreter damit von Strömungen eines militanten und fundamentalistischen Islam ab, wie sie nach dem 11. September teilweise das Bild oder das Klischee der Religion bestimmten. Bei der Konferenz präsentierten sie den Islam als weltoffene und tolerante, als vernünftige Religion. Eine Religion, die wissenschaftlich und theologisch auf Augenhöhe mit dem christlichen Westen das Gespräch führt. Eine Religion, wie sie Benedikt XVI. auch in seiner Regensburger Rede gewünscht hatte.

Das erste Seminar des katholisch-islamischen Forums ist das Ergebnis eines von dieser Regensburger Rede angestoßenen Briefwechsels von
138 Muslimen mit dem Papst. Das Seminar soll in zwei Jahren fortgesetzt werden, aus den Vorbereitungsgremien soll ein Ständiges Katholisch-Muslimisches Komitee entstehen.

Freilich handelt es sich bei den Konferenz-Teilnehmern um Vertreter eines moderaten Islam. Unklar ist, wie repräsentativ ihre Einlassungen sind, wie die Delegierten ihren Ideen Verbreitung und Verbindlichkeit verschaffen - und inwieweit die Konferenz nach der Polemik der vergangenen Jahre zu einem sachlichen Dialog führt.

"Gott hatte seine Hand über diesem Treffen"
Unter dem Strich zeigte die Konferenz viele Gemeinsamkeiten. Teilnehmer des Schlussaktes, dem auch zahlreiche Botschafter beiwohnten, sprachen von einem Erfolg, nannten das Treffen "historisch". Ingrid Mattson von der US-Muslim-Association meinte: "Gott hatte seine Hand über diesem Treffen". Es gebe damit gute Chancen, die Differenzen der vergangenen Jahre beizulegen.

Benedikt XVI. empfing die Teilnehmer in Sonderaudienz. Er rief Christen und Muslime zum gemeinsamen Einsatz für die Menschenrechte und gegen Gewalt, Armut und Ungerechtigkeit auf und mahnte die Religionen zu gegenseitigem Respekt und Solidarität. Die theologische Rede des Papstes vor dem Forum war damit eine Ergänzung zu der Geste, die das Kirchenoberhaupt bereits vor zwei Jahren gesetzt hatte, als er die Blaue Moschee in Istanbul besuchte.  Zusammen verdeutlichen sie den Wunsch der katholischen Kirche, mit dem Islam einen ernsthaften Dialog zu führen.