Südlich des modernen Zentrums von Doha, der Hauptstadt des Golfstaates Katar, steht in der Wüste ein christliches Gemeindezentrum. Schon von weitem sichtbar, ragt ein achteckiger, klobiger Turm in den Himmel - der Kirchturm der Marienkirche, die Ostern 2008 eingeweiht wurde. Wie eine feste Burg ist das Gotteshaus von sandfarbenen Mauern umgeben. Wochentags liegt der weitläufige Komplex mit Gebäuden der Maroniten, Anglikaner und der katholischen Kirche der "Jungfrau vom Rosenkranz" noch wie verlassen in der flimmernden Hitze.
Das Sekretariat von Pater Peter Matthew, dem leitenden Priester der Katholischen Gemeinde in Katar, liegt am Südtor. "Uniformierte patrouillieren hier Tag und Nacht", erzählt er. "Unsere Sicherheit ist dem Staat wichtig." Von den knapp eine Million Einwohnern des kleinen Wüstenstaates sind 80 Prozent Ausländer. Mehr als 100.000 Gläubige gehörten zur katholischen Kirche, der größten christlichen Konfession in Katar, sagt der Pater. Messen gebe es im Gemeindezentrum in 12 Sprachen für Gläubige aus mehr als 60 Nationen..
Matthew selber stammt aus Indien. Seit 13 Jahren lebt er am Golf, 12 davon verbrachte er im weiter südlich gelegenen Dubai. Dort, in der Finanzmetropole, herrsche generell ein "toleranter" Umgang mit den Religionen. Hier in Katar sei es vor allem die Regierung unter Scheich Hamad ibn Chalifa Al Thani, die den Christen Unterstützung biete. "Doch die Mächtigen müssen auf die Meinung der Kataris Rücksicht nehmen. Und für die ist es neu, dass neben dem Islam noch andere Religionen praktiziert werden dürfen." Die Veränderungen seien jedoch nicht zu übersehen - "das zeigt schon diese Kirche hier."
"Letztlich glauben Christen und Muslime ja alle an den einen Gott"
In einem Punkt sei das Emirat anderen arabischen Staaten weit voraus: "Schon in Dubai hatte ich von interreligiösen Gesprächen in Katar gehört." Sie zeigten, wie sehr das Emirat ein friedliches Zusammenleben der Religionen wünsche. Bei mehrtägigen Treffen, organisiert von einem "Zentrum für interreligiösen Dialog", gehe es um religiöse Inhalte und um praktische Dinge des Alltags, die den Gläubigen wichtig seien.
An Freitagen ist der Kirchenkomplex überfüllt. Der islamische Feiertag ist arbeitsfrei, aus ganz Katar strömen deswegen die Christen herbei. Während in der Kirche laufend Gottesdienste in verschiedenen Sprachen gefeiert werden, bieten Gemeindemitglieder in den anliegenden Gebäuden Familien- und Junggesellenberatungen an.
Die 17-jährige Judy Silva war erst neun, als sie mit ihren Eltern aus Sri Lanka kam. Die junge Christin ist mit ihrer Familie auf dem Weg zu einer Beratung. Als Messdienerin habe sie angefangen, erzählt sie. "Das war wirklich ein Privileg für mich. Hier in Doha dürfen auch die Mädchen beim Altardienst helfen, anders als bei uns in Sri Lanka." Noch nie sei sie in dem arabischen Kleinstaat als Christin diskriminiert worden. "Seit der Eröffnung der Kirche weiß hier jeder, dass es Christen gibt. Und jeder hat eine berufliche Chance.
Letztlich glauben Christen und Muslime ja alle an den einen Gott."
"Hier erfahren junge Leute die Freiheit durch Jesus Christus"
Aus einem Saal klingt laute Rockmusik. Junge Männer und Frauen lassen sich von einer Tanz- und Musikgruppe inspirieren, ihr "Gebet zu tanzen". Unter dem Motto "Erwachen" trifft sich die "Jugend für Jesus", wie Jose Joseph erklärt, einer der Organisatoren. "Hier erfahren junge Leute die Freiheit durch Jesus Christus." Der Inder arbeitet in der Erwachsenenbildung. "Wir respektieren das soziale und kulturelle System dieses Landes." Denn christliche Veranstaltungen außerhalb der "Kirchenstadt" sind in Katar nicht zugelassen.
Der Komplex heißt auf Stadtplänen "Soziales Zentrum", es gibt keinen Religionsunterricht an Schulen, kein Kreuz in der Öffentlichkeit. Doch auch ohne das christliche Symbol sei die neue Kirche ein geheiligter Ort und ziehe immer mehr Menschen an, sagt Jose Joseph. "Dieses Gebäude gehört den Menschen, das fühlen sie. Hier finden sie Schutz bei Jesus Christus." Auch er sei in Katar noch nie wegen seines Glaubens angefeindet worden, sagt Joseph. "Für mich ist es kein Problem, in einem arabischen Land Christ zu sein. Wir haben gelernt miteinander zu leben."
In Katar wächst Toleranz gegenüber Christen
Zur Messe in die Wüste
"In der arabischen Welt stehen Christen unter Druck", sagte Papst Benedikt XVI. vor einem Jahr bei seinem Besuch in Amman. Katar ist seinen Nachbarn hier weit voraus: Das Emirat wünscht sich ein friedliches Zusammenleben der Religionen. Die Toleranz gegenüber Christen wächst.
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