Manchmal gönnt sich Sebastianus Eka eine kleine Pause. Dann sitzt er in einem Cafe, trinkt ein Tässchen Kaffee und genießt ein süßes Plunderstück. Von seinem Platz aus blickt der bärtige Mann auf die Kirche «Heiliges Herz» auf der anderen Seite des Flusses Krueng Aceh. Das Gotteshaus ist sein Arbeitsplatz. Eka ist der Pfarrer der katholischen Gemeinde von Banda Aceh, der malerischen Hauptstadt der indonesischen Provinz Aceh. Wie ein Priester sieht Eka in seinem blau-weiß gestreiften Polohemd und einer blauen Schlabberhose zwar nicht aus. Aber er legt es auch nicht darauf an, seine Religionszugehörigkeit zu verleugnen - auch wenn Aceh fast zu hundert Prozent muslimisch ist und dort das islamische Schariarecht gilt.
«Wir werden in Ruhe gelassen und können ungehindert unseren Glauben leben», sagt der Priester. Seine Kirche ist weithin sichtbar. Sie steht an prominenter Stelle mitten in Banda Aceh, in Sichtweite der prachtvollen Großen Moschee Baiturrahma. Wegen des Wetterhahns auf dem Turm nennen die Leute sein Gotteshaus «Hühnerkirche», erzählt Eka mit einem fröhlichen Grinsen. «Das ist nicht böse gemeint, sondern zeigt einfach, dass wir dazugehören.»
400 Gläubige zählt die katholische Gemeinde von Banda Aceh, in der ganzen Provinz sind es 1.200, vor allem Chinesen. Außer Eka gibt es nur noch zwei weitere Priester. Auf die Frage, wie er «Gott» in seiner Muttersprache Bahasa Indonesia nennt, antwortet Eka mit Bestimmtheit: «Natürlich 'Allah'. Das ist normal in Indonesien. Niemand nimmt daran Anstoß, auch nicht hier in Aceh. Das ist anders als in Malaysia.»
Auch Indonesien, das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt, ist kein Hort des paradiesischen Miteinanders der Religionen. Zwar sind Ostern und Weihnachten offizielle Feiertage, und indonesische Bibeln übersetzen das Wort «Gott» mit «Allah». Aber es kommt auch immer wieder zur Gewalt gegen Christen. Solche Nachrichten stammen gewöhnlich aus Java, aus Sulawesi oder auch aus West-Papua - selten aber aus Aceh, ausgerechnet dem islamischsten Teil Indonesiens.
«Aceh ist tolerant», bekräftigt Pater Eka. Als einen weiteren Beleg führt er seine katholische Schule an. «Wir haben eine ganze Reihe von Muslimen unter unseren 300 Schülern.» Ein institutionalisierter Dialog der Religionen fehlt jedoch, räumt er ein: «Es gibt kein interreligiöses Forum.» Begegnungen mit Imamen oder auch den geistlichen Führern der Buddhisten und Hindus seien in Aceh zufälliger Natur. «Man trifft sich ab und zu bei offiziellen Anlässen.»
Trotzdem steht auch in Aceh die Toleranz auf dem Prüfstand. Mit Sorge beobachten die Minderheitsreligionen ebenso wie viele Muslime den Versuch islamistischer Kräfte, mit Unterstützung aus arabischen Ländern und muslimischen Hardlinern aus Jakarta in Aceh einen islamischen Gottesstaat zu errichten. Jüngstes Beispiel ist ein Gesetz, das die Steinigung von Ehebrechern vorsieht.
Aus ihrer Ablehnung solch drastischer islamischer Bestimmungen machen christliche Vertreter in Aceh keinen Hehl. Immerhin ist Kritik möglich in Indonesien - anders als offenbar in Malaysia. Das erfuhr die katholische Parlamentsabgeordnete Teresa Kok, die auf Grundlage eines Gesetzes über innere Sicherheit verhaftet wurde. Ihr Vergehen: Sie hatte im September 2008 eine Petition in ihrem Wahlkreis unterstützt, in der die örtliche Moschee gebeten wurde, die Lautsprecherübertragung der täglichen Gebete leiser zu stellen.
In Indonesien zeigt der Islam ein tolerantes Gesicht
Allah in der Hühnerkirche
Seit ein Gericht in Kuala Lumpur Ende Dezember in einem Urteil der katholischen Wochenzeitung "Herald" den Gebrauch von "Allah" für Gott erlaubte, eskaliert der Religionsstreit in Malaysia. Im benachbarten Indonesien, dem bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt, zeigt der Islam dagegen ein toleranteres Gesicht. Eine Reportage.
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