Kardinal Zen offenbar in Hongkong festgenommen

Prominenter Regierungskritiker

Der ehemalige Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen, ist laut Medienberichten offenbar verhaftet worden. Grund sei seine Treuhandschaft eines Fonds für eine prodemokratische Bewegung.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Kardinal Joseph Zen Ze-kiun in Hong-Kong / © Andreas Meier (KNA)
Kardinal Joseph Zen Ze-kiun in Hong-Kong / © Andreas Meier ( KNA )

Stationen von Kardinal Joseph Zen Ze-kiun

Er war Bischof von Hongkong von 2002 bis 2009 und vollendete am 13. Januar diesen Jahres sein 90. Lebensjahr. Zen zählt zu den kirchenpolitisch prägenden katholischen Kirchenvertretern Asiens. Über seine Amtszeit hinaus gehört der Ordensmann der Salesianer Don Boscos zu den prominenten Kritikern der chinesischen Regierung und ihrer Religionspolitik, zuletzt zunehmend auch des Vatikan und seiner China-Politik.

Joseph Kardinal Zen im Juni 2019 in Hongkong / © dinosaur B (shutterstock)
Joseph Kardinal Zen im Juni 2019 in Hongkong / © dinosaur B ( shutterstock )

Mit seinen 90 Jahren hört Kardinal Joseph Zen Ze-kiun nicht mehr so gut; aber er spricht, und zwar ganz unchinesisch unverblümt. Das scheint den Behörden in Peking und Hongkong nicht zu gefallen. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge wurde der unbequeme Kardinal am Mittwoch offenbar gemeinsam mit anderen Aktivisten von der Nationalen Sicherheitspolizei festgesetzt. Ihnen wird angeblich vorgeworfen, geheim mit ausländischen Kräften zusammenzuarbeiten.

Treuhänder eines Fonds für prodemokratische Proteste

Im Kern soll es um Zens Tätigkeit als Treuhänder an der Verwaltung eines inzwischen aufgelösten humanitären Fonds für Demonstranten der prodemokratischen Proteste 2019 gehen. Damals hatten Zehntausende Bürger gegen die Verhängung einer Notstandsgesetzgebung in der chinesischen Sonderverwaltungszone protestiert. Die Menge trug wegen strömenden Regens und zur Erinnerung an den "Regenschirm-Revolution" genannten Aufstand 2014 bunte Regenschirme. Auch 2014 gehörte Zen zu den Sympathisanten.

Noch ist zu wenig bekannt über die jüngste Maßnahme von Hongkongs Behörden. Und doch darf über eine erste Duftmarke des neu bestimmten Regierungschef Hongkongs, John Lee, spekuliert werden. Als früherer Sicherheitschef der Verwaltungszone ist er bestens vertraut mit allem, was den Interessen der chinesischen Regierung in Peking zuwiderlaufen könnte.

Vatikan zeigt sich "sehr besorgt"

Vom Kardinal und auch aus der Diözese Hongkong lagen zunächst keine Reaktionen vor. Der Vatikan erklärte, man habe die Nachricht "mit Besorgnis zur Kenntnis genommen und verfolgt die Entwicklung der Situation sehr genau".

Kardinal Zen ist ein Freigeist im so höflichen China. Dennoch reibt man sich manchmal verwundert die Ohren angesichts seiner scharfen Töne. Zens Maxime für sein soziales Engagement lautet: "Beten ist nicht alles im Katholizismus - wir müssen zeigen, dass wir uns kümmern." Dieses Kümmern schließt auch drakonische Maßnahmen ein. Aus Protest gegen ein Gesetz zur Kontrolle kirchlicher Schulen in Hongkong trat der damals 79-Jährige 2011 trotz seines Bluthochdrucks und Diabetes in einen Hungerstreik.

Ordensmann der Salesianer

In seinem Kampf für die Interessen der papsttreuen Untergrundkatholiken benennt Zen stets Ross und Reiter. Er hat nichts zu verlieren. Zen, von 2002 bis 2009 Bischof von Hongkong, zählt zu den kirchenpolitisch prägendsten Vertretern der katholischen Kirche in Asien. Weit über seine Amtszeit hinaus gehört der Ordensmann der Salesianer Don Boscos zu den prominenten Kritikern der kommunistischen Führung in Peking und ihrer Menschenrechts- und Religionspolitik.

"Unfassbar. Wie kann der Vatikan in solch eine Regierung Hoffnungen setzen?", fragte er 2018 im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Ein geplantes Abkommen Roms mit dem ideologischen Erzrivalen in Peking bereitete dem Kardinal arge Bauchschmerzen. Es ging um nicht weniger als um eine Normalisierung der Beziehungen. Als das Abkommen kurz darauf tatsächlich kam, sprach er gar von "Verrat".

Seit Jahrzehnten ist die chinesische Kirche getrennt in eine staatstreue sogenannte Patriotische Vereinigung und eine "Untergrundkirche". Der Vatikan will das ändern - aber um welchen Preis? Kardinal Zen befürchtete, Rom lasse sich von Peking über den Tisch ziehen - und die papsttreuen Untergrundkatholiken dafür im Regen stehen: "Nach all diesen Jahren, in denen sie so viel gelitten haben. Rom hat ihnen immer gesagt: Haltet durch. Und jetzt soll es plötzlich heißen: Ergebt euch. Das ist eine Tragödie."

Zen wuchs in sehr armen Verhältnissen auf. Er stammt aus der Diözese Shanghai, wo er im Januar 1932 als Sohn eines christlichen Teehändlers geboren wurde. Als junger Mann trat er den Salesianern Don Boscos bei; unter anderem studierte er an den Ordenshochschulen in Turin und Rom. In Italien erlebte Zen auch die für ihn prägende Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965).

Benedikt XVI. ernannte ihn zum Kardinal

Von 1989 bis 1996 lehrte er Philosophie und Theologie, unter anderem in Shanghai. Dann ernannte ihn Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zunächst zum Bischofskoadjutor in Hongkong, also zum Helfer des dortigen Bischofs. 2002 rückte Zen dann selbst auf den Bischofssitz der 7,5-Millionen-Metropole mit ihren rund 350.000 Katholiken. 2006 nahm ihn Benedikt XVI. ins Kardinalskollegium auf.

Den früheren Papst und seinen aktuellen Nachfolger Franziskus nimmt Zen von seiner Vatikan-Kritik aus: "Schon auf Papst Benedikt haben sie dort nicht gehört. Und Papst Franziskus sagen sie heute auch nicht die Wahrheit." Zen ist überzeugt, dass "Leute in seinem Umfeld, wie Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, ein Abkommen um jeden Preis wollen. Da liegt der Fehler, nicht beim Papst."

Je älter der Kardinal wird, desto mehr wird er auch zu einem allgemeinen "Rom-Kritiker". Einstweilen steht für ihn allerdings der Schauplatz Hongkong im Zentrum.

Quelle:
KNA
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