Kardinal Woelki eröffnet die Antonius-Oktav in Bergisch Gladbach

"Lebendige Gemeinde sein"

Diese Woche sei nicht dazu da, Besucherrekorde zu brechen, sondern den eigenen Glauben in Gemeinschaft zu stärken. Das betonen jedenfalls diejenigen, die Jahr für Jahr zu spirituellen Erfahrungen in die Herkenrather Kirche einladen.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Kardinal Woelki nahm sich nach der Messe viel Zeit für das Gespräch mit Gemeindemitgliedern. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Kardinal Woelki nahm sich nach der Messe viel Zeit für das Gespräch mit Gemeindemitgliedern. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Die Antonius-Oktav gehört einfach dazu", stellt Ursula Wenzel fest. Die 79-Jährige meint damit, dass diese einwöchige Glaubensveranstaltung, die seit dem Jahr 1889 in St. Antonius Abbas belegt ist, aus dem Leben der Gemeinde nicht mehr wegzudenken, vielmehr so etwas wie ihr Markenkern, ihr Fixpunkt ist. Das heißt, ganz wesentlicher Bestandteil des kirchlichen Lebens am Ort, von enormer Strahlkraft und Bedeutung für die Herkenrather Gläubigen. 

Der Heilige Antonius Abbas lebte im dritten Jahrhundert und gilt auch als Mönchsvater (Abbas). / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der Heilige Antonius Abbas lebte im dritten Jahrhundert und gilt auch als Mönchsvater (Abbas). / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Seit über 50 Jahren, so berichtet die Seniorin weiter, sei sie nun in diesem Gladbacher Stadtteil verwurzelt. Und von da an habe sie auch den Wandel dieser Tradition mitverfolgt. Geblieben aber sei ihr Bedürfnis, daran teilzunehmen und die vielseitigen Anregungen dazu zu nutzen, über den eigenen Glauben nachzudenken. "Die Oktav setzt sehr unterschiedliche Impulse, weil es jeden Tag einen anderen Zelebranten gibt – nicht wie damals, als immer derselbe Geistliche eine ganze Woche lang predigte und dafür auch fremde Seelsorger vorübergehend ins Pfarrhaus einzogen." Zudem sei ein wichtiger Teil die schöne Musik. "In der Summe macht das jede Messe so besonders." Auch in diesem Jahr sei sie wieder jeden Tag mit dabei, versichert sie.

Maria Eicker

"Ich möchte dieses Glaubenserlebnis nicht mehr missen und empfinde es als Gewinn, dass wir gleich eine ganze Woche lang unseren Glauben in Gemeinschaft feiern und uns mit ihm auseinandersetzen."

Maria Eicker erzählt, dass sie mit der Antonius-Oktav groß geworden sei. "Schon als Kind hat sie mir Input gegeben, wie man den Glauben leben kann." Heute mit fast 63 Jahren sei es ihr ein Anliegen, ähnliche Erfahrungen auch anderen zu ermöglichen, aber sich nach wie vor auch selbst Gutes damit zu tun. "Ich möchte dieses Glaubenserlebnis nicht mehr missen und empfinde es als Gewinn, dass wir gleich eine ganze Woche lang unseren Glauben in Gemeinschaft feiern und uns mit ihm auseinandersetzen."

Für Dr. Georg Blasberg ist die Oktav eine "kleine Insel" im Verlauf des Jahres, "wo der Glaube in der Gemeinschaft eine deutlich zeit- und raumgreifende Rolle spielen kann". Oder so etwas wie Exerzitien im Alltag, wenn die Beschäftigung mit Glaubensthemen intensiver als sonst stattfindet und man sich gezielt dafür Zeit nimmt. 

Blasberg erinnert sich noch daran, als der Pfarrer am Ort für die Gesamtorganisation dieser Glaubenswoche zuständig war – das ist etwa 15 Jahre her – bis das schließlich so nicht mehr zu stemmen war und sich die Frage stellte: Wie überlebt die Antonius-Oktav? Die Initiative der Laien war gefragt, und die ließen sich nicht lange bitten. Denn die Vorstellung, sich von dieser alljährlichen Kraftquelle für den eigenen Glauben zu verabschieden, schien undenkbar. 

Alle ziehen an einem Strang

Inzwischen liegt die alleinige Verantwortung für das beliebte Format, das nun regelrecht als Festwoche gestaltet wird, bei Eicker und Blasberg, die sich auch sonst an der einen oder anderen Stelle in ihrer Kirche engagieren und jedes Jahr im Vorfeld gezielt Gemeindemitglieder aus den Reihen der jeweiligen Gruppierungen ansprechen, um sie zum Mitmachen bei diesem Projekt zu gewinnen. Dazu zählen Mitglieder des Ortsausschusses, Musiker, der Kirchenchor, Lektoren, Messdiener, Küster und Pfarrer Christoph Bernards. Alle ziehen dabei an einem Strang.

Georg Blasberg

"Ganz wichtig ist uns, dass jeder dieser Tage von der täglichen Feier der Eucharistie geprägt ist."

Eicker und Blasberg sind im Kirchenvorstand aktiv, betonen aber, dass die Ausrichtung der Antonius-Oktav keineswegs qua Amt erfolgt, sondern eher einem persönlichen Herzensanliegen entspricht. "Es geht uns um das innere Erleben derer, die da sind, und wie wir zusammen lebendige Gemeinde sein und den Auftrag erfüllen können, das Evangelium zu bezeugen, damit Gottes Botschaft in der Welt wirken kann. Das ist es, was uns umtreibt", unterstreicht Blasberg. Und dass man sich immer wieder neu auf den Weg machen müsse, alte Gewohnheiten zu hinterfragen und neue Wege zu suchen, wie lebendiges Gemeindeleben trotz zunehmender Bedeutungslosigkeit von Kirche und wegbrechender Strukturen gelingen könne. "Ganz wichtig ist uns, dass jeder dieser Tage von der täglichen Feier der Eucharistie geprägt ist. Und die Predigt darf dann auch schon mal länger dauern." 

Kardinal Woelki segnet die Antoniuskerzen, die an Gemeindemitglieder verteilt werden. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Kardinal Woelki segnet die Antoniuskerzen, die an Gemeindemitglieder verteilt werden. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Sie machten die Erfahrung, dass die Kombination von theologischem Impuls und berührender Musik auf großes Interesse stoße und den Menschen viel gebe. Am Patroziniumstag selbst – Antonius Abbas oder auch Antonius der Große lebte im dritten Jahrhundert in Ägypten, soll über 100 Jahre alt geworden sein und wird in der Kirche am 17. Januar gefeiert – werden das Antoniuswasser und Rosinenweckchen gesegnet. Auch das ist Teil der Antonius-Oktav. Die Gläubigen nehmen die Brötchen dann mit nach Hause, bringen diese aber vor allem – wie auch die gesegneten Antoniuskerzen – zu Gemeindemitgliedern, die nicht zum Gottesdienst kommen können, um darüber Kontakt zu ihnen zu halten und Verbundenheit zu zeigen.

Auftakt der Oktav mit Kardinal Woelki

Den Auftakt der Antonius-Oktav, die die Verantwortlichen diesmal unter die Überschrift "Lebendige Gemeinde sein" gestellt hatten, machte nun Rainer Maria Kardinal Woelki, der den Herkenrathern bei den alltäglich zu bewältigenden Herausforderungen Mut zusprechen wollte und in seiner Predigt zunächst daran erinnerte, dass Gott in der Taufe zu jedem sein "Ja" gesagt und damit eine tiefe Freundschaftsbeziehung – ja, mehr noch – eine Liebesbeziehung begonnen habe, die niemals ende, aber auch nach einer Antwort verlange. "Liebe will gelebt, praktiziert werden. Gott bittet geradezu jeden Tag einen jeden von uns darum, ihn zu lieben, ihm unsere Antwort auf sein großes Liebes- und Freundschaftsangebot, das er uns in der Taufe gemacht hat, zu geben", sagte Woelki wörtlich. 

Zum Auftakt der Antonius-Oktav kam der Kölner Erzbischof nach Herkenrath. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Zum Auftakt der Antonius-Oktav kam der Kölner Erzbischof nach Herkenrath. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Später griff auch er das Motto der Oktav auf, betonte die missionarische Berufung der Kirche und bezog sich auf Papst Franziskus, der schon bei Amtsantritt 2013 in seinem Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" den Wunsch äußert, die Kirche in einen Zustand permanenter Mission zu versetzen, um mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung zu dienen. Und das Ziel einer solchen Evangelisierung bestehe in der persönlichen Begegnung des Menschen mit Jesus Christus, der seinen Jüngern aufgetragen habe, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen, so der Kölner Erzbischof. Immer wieder brauche es neue Herausforderungen von außen und innovative Kräfte im Inneren, um eingefahrene Denk- und Handlungsmuster aufzusprengen und verkrustete Strukturen aufzubrechen, erklärte er. 

Rainer Maria Kardinal Woelki

"Nicht ein endloser Richtungsstreit, nicht ermüdende Selbstbeschäftigung, nicht lange Phasen eines lethargischen Wartestandes und jahrelange Trauerarbeit über vergangene, vermeintlich bessere Zeiten sind es, die etwas in Bewegung bringen."

Bereits die ersten Christen hätten gemeinsam mit dem Apostel Paulus, dem größten Missionar aller Zeiten, der die Gemeinden im Glauben habe stärken wollen, zum Aufbruch eingeladen. "Wer aufbricht, ist noch nicht angekommen, aber er hat eine Vorstellung von dem, worum es geht", so der Kardinal. "Nicht ein endloser Richtungsstreit, nicht ermüdende Selbstbeschäftigung, nicht lange Phasen eines lethargischen Wartestandes und jahrelange Trauerarbeit über vergangene, vermeintlich bessere Zeiten sind es, die etwas in Bewegung bringen. Es ist die Aufforderung und das Vermächtnis des auferstandenden Herrn, in die ganze Welt aufzubrechen, um überall das Evangelium zu verkünden." Woelki betonte: "Das allein ist das Ziel der Kirche. Dazu allein gibt es sie." Das mache ihr Wesen, ihre Berufung und Sendung aus. 

Die Musik - hier mit Flötist Christian Wiedemann und Dr. Georg Blasberg an der Orgel - spielt bei der Oktav eine zentrale Rolle. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Musik - hier mit Flötist Christian Wiedemann und Dr. Georg Blasberg an der Orgel - spielt bei der Oktav eine zentrale Rolle. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Was im Übrigen auch schon Papst Paul VI. vor 50 Jahren in seiner Enzyklika "Evangelii nuntiandi" thematisiert habe, zumal es bei der Verkündigung der christlichen Botschaft um das Heil des Menschen gehe. Diese Botschaft, zitierte er Paul VI., verdiene es, dass der Glaubensbote ihr seine ganze Zeit und alle seine Kräfte widme. Gottes großer Wunsch sei es, fuhr Woelki fort, dass jeder Mensch in jeder Generation genau davon erfahre, "weil dies seine tiefste Bestimmung ist. So wie Licht leuchtet und sich ausbreitet, so will sich diese Botschaft ausbreiten – durch uns."

Noch lange nach dem Gottesdienst stand der Gast aus Köln für einen persönlichen Austausch zur Verfügung und teilte seine Vorstellungen von einer Neuevangelisierung der Kirche und alternativen Formen des Gemeindelebens. Dabei machte er seinen Gesprächspartnern Mut, in kleinen Gruppen und an sorgfältig gewählten Orten auch mal etwas Neues auszuprobieren, dafür unter Umständen etwas Altes aufzugeben und sich für eine gute Idee gezielt Mistreiterinnen und Mitstreiter zu suchen, um mit einem solchen Neuaufbruch dann in die große pastorale Einheit auszustrahlen.

Quelle:
DR

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