Kardinal Rodriguez über die Rückkehr von Ex-Präsident Zelaya

"Jeder sollte in seinem Heimatland leben können"

Nach zwei Jahren im Exil ist Manuel Zelaya in das lateinamerikanische Land zurückgekehrt. Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga sieht darin die Chance für eine Versöhnung der Nation, die seit dem Sturz des Präsidenten im Juni 2009 innerlich gespalten ist.

 (DR)

KNA: Herr Kardinal, wie bewerten Sie die Rückkehr von Ex-Präsident Zelaya nach Honduras?

Rodriguez: Es ist gut, dass er wieder zurück ist. Ich komme gerade aus Rom und war selbst noch nicht wieder in Honduras, aber ich habe gelesen, dass Zelaya von seinen Anhängern empfangen wurde und jetzt wieder in seiner alten Heimatstadt lebt. Jeder Bürger sollte in seinem Heimatland leben können.



KNA: Was können Sie über die aktuelle politische Situation in Ihrem Land sagen?

Rodriguez: In der Zeit, als Zelaya im Exil war, gab es viele Spannungen zwischen seinen Anhängern und dem Rest der Nation. Es war nicht möglich, die beiden Lager miteinander zu versöhnen. Jetzt, nach seiner Rückkehr, müssen die Probleme gelöst werden. Es muss die notwendigen Reformen im Rahmen der Gesetze und der Verfassung geben. Ein wichtiger Schritt ist auch die Wiederanerkennung unseres Landes durch die Organisation Amerikanischer Staaten. Der Sturz Zelayas galt bislang als Hindernis, aber mit seiner Rückkehr dürfte dieses Problem gelöst sein.



KNA: Glauben Sie, dass es nun verstärkt Unruhen im Land geben wird?

Rodriguez: Nein, die Konflikte werden eher abnehmen. Zelayas Anhänger sollten nun den demokratischen Weg gehen und sich in einer politischen Partei organisieren. In einer Demokratie dürfen Konflikte nicht mit Gewalt gelöst werden, sondern im Rahmen demokratischer Teilhabe.



KNA: Wie hat sich die Situation der Kirche seit dem Sturz Zelayas verändert?

Rodriguez: Es gab auch innerhalb der Kirche eine Spaltung, denn natürlich gab es unter den Katholiken Anhänger und Gegner Zelayas. Unsere Aufgabe jetzt ist es, die Menschen wieder miteinander zu versöhnen. In jeder Nation sollte die Kirche als Brücke fungieren und versuchen, die Menschen zu vereinen, statt sie zu trennen.



KNA: Vor welchen Herausforderungen steht Ihr Land in den kommenden Jahren?

Rodriguez: Die wichtigste Aufgabe muss es sein, das organisierte Verbrechen zu bekämpfen. Das Drogengeschäft ist in der Zeit der politischen Unruhen gewachsen, der illegale Handel hat sich ausgeweitet. In der Vergangenheit wurden tonnenweise Drogen beschlagnahmt. Einige der blutigen Massaker, die es gegeben hat, sind das Ergebnis von Zusammenstößen der großen Drogenkartelle. Manche dieser Gangs nutzen für ihre Geschäfte Jugendliche, weil sie als Minderjährige nicht verurteilt werden können. Diese Jugendlichen werden dafür bezahlt, dass sie andere Menschen umbringen. Eine zentrale Aufgabe des derzeitigen Präsidenten und der Autoritäten muss es sein, diese Gewalt zu bekämpfen.



KNA: Wie hat sich Ihre persönliche Situation verändert? Nach dem Sturz Zelayas haben Sie Morddrohungen erhalten.

Rodriguez: Ja, das ist immer noch so. Es gibt Menschen, die nie die richtigen Informationen erhalten haben. Sie glauben, dass ich in eine Verschwörung zum Sturz des Präsidenten verwickelt war. Natürlich war ich das nicht; ich wusste gar nichts von seiner Absetzung. Zu der Zeit war ich in Rom, bei einer Sitzung der italienischen Caritas. Das kann auch jeder, der möchte, in meinem Pass nachlesen. Trotzdem bekomme ich immer noch besonderen Polizeischutz. Ich habe zwar keine Angst, schließlich bin ich in der Hand Gottes. Aber eine gewisse Vorsicht kann ja nicht schaden.



Das Gespräch führte Inga Kilian.