Kardinal Meisner kritisiert Boykott der Papst-Bundestagsrede

"Kleinkariert und engstirnig"

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat den von Abgeordneten geplanten Boykott der Papstrede im Bundestag kritisiert. Dies sei "kleinkariert und engstirnig", sagte der Erzbischof am Mittwoch in Köln. Solche Parlamentarier seien "kein Qualitätsmerkmal für die hehre Vertretung unseres Volkes".

Kardinal Meisner: Gute Ratschläge für die Presse / © Boecker
Kardinal Meisner: Gute Ratschläge für die Presse / © Boecker

Nach den Worten des Kardinals hat Benedikt XVI. im Bundestag die Möglichkeit, "unserem Volk eine helfende Rede zu halten". Der Papst werde "in seiner warmen Art" für das Christentum werben und deutlich machen, dass dieses nicht störend für Europa sei, sondern seine Wurzel. Benedikt XVI. spricht am kommenden Donnerstag zu den Parlamentariern im Rahmen seiner Deutschlandvisite, die vom 22. bis 25. September stattfindet. Meisner äußerte sich beim diesjährigen Medienempfang des Erzbistums Köln.



Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sagte am Mittwoch der "Passauer Neuen Presse: "Es gehört sich, einen solchen Gast mit der notwendigen Freundlichkeit, mit Respekt und Noblesse aufzunehmen". Der Freiburger Erzbischof erinnerte daran, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert Benedikt XVI. als Deutschen und Staatsoberhaupt des Vatikan eingeladen habe, um im Reichstag zu sprechen. Die Rede ist für kommenden Donnerstag angesetzt.



Reinelt: "Ein schiefes parlamentarisches Selbstverständnis"

Der Dresdner Bischof Joachim Reinelt sprach von einem "schiefen parlamentarischen Selbstverständnis". Der "Leipziger Volkszeitung" (Donnerstag) sagte er, er finde es "beschämend", wenn Abgeordnete ihre Kritik an der ersten Rede eines Papstes vor dem Parlament damit zum Ausdruck brächten, indem sie dieser Ansprache "bereits im Vorfeld mit Ignoranz und Feindseligkeit begegnen". Eine kritische inhaltliche Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen nannte Reinelt akzeptabel. Eine "platte Demonstration von Ignoranz und schlechtem Stil durch angekündigte Abwesendheit" sei jedoch blamabel.



Auch der Kirchenhistoriker und Kardinal Walter Brandmüller kritisiert das angekündigte Fernbleiben zahlreicher Abgeordneter von der Rede Papst Benedikts XVI. im Bundestag. Die Bundestagsabgeordneten müssten sich der Wirkung dieses Protests im Ausland bewusst sein, sagte Brandmüller der "Bild"-Zeitung (Onlineausgabe). "Sie verstärken dadurch das Bild vom "hässlichen Deutschen", das leider immer noch existiert", sagte der 82-Jährige. Diese "Affäre" spreche nicht gegen den Papst, sondern sei eine Blamage für Deutschland.



Papstbruder Georg Ratzinger reagiert auf das angekündigte Fernbleiben von Abgeordneten mit Gelassenheit. Auch wenn derzeit öffentlich ein pessimistischer Ton angeschlagen werde, hoffe er auf eine positive Schlussbilanz. Er selbst werde seinen Bruder jedoch nicht begleiten.



Lammert: Bundestag wird bei Papstrede überfüllt sein

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) rechnet trotz der Proteste mit einem großem Interesse an der Bundestagsrede des Papstes. Es gebe keinen Anlass zu zweifeln, dass das Parlament bei der Rede von Benedikt XVI. nicht nur gut gefüllt, sondern überfüllt sein werde, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in einem Interview der Internetseite katholisch.de. "Ich stelle mit einem gewissen Amüsement fest, dass die Zahl der Beteiligungswünsche die Zahl der kritischen Einwände um ein Vielfaches überbietet."



Zugleich sagte Lammert: "Mit zunehmender Annäherung an den Termin des Besuches wächst bei mir die Besorgnis, dass die Eigendynamik der Erwartungen alle realistischen Maße sprengt." Zu glauben, innerhalb von drei Tagen könne die Kirche in Deutschland beziehungsweise die Weltkirche von Grund auf erneuert werden und alle tatsächlichen oder vermeintlichen Fragen gelöst werden sei "erkennbar wirklichkeitsfremd", sagte der Katholik.



Nahles: Respekt zollen

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte mit Blick auf Kritik am Auftritt des Papstes auch aus den Reihen ihrer Partei: "Ich bin der Ansicht, dass der Deutsche Bundestag in keiner Weise missbraucht wird." Die Katholikin sagte der "Rhein-Zeitung Koblenz/Mainz" (Donnerstagsausgabe), sie freue sich auf die Papstrede. "Es hat noch nie ein Papst im Bundestag geredet. Das ist etwas Besonderes." Sie fügte hinzu: "Genauso wie wir Staatsgästen wie George W. Bush oder Wladimir Putin im Bundestag zugehört haben, sollten wir auch dem Papst den Respekt zollen und ihm zuhören."



Aus ihrer Sicht sei der Papst eine der wichtigen Stimmen in der Welt, sagte die Sozialdemokratin. Im übrigen sei niemand gezwungen, "katholisch zu sein oder das zu glauben, was der Papst verkündet", konstatierte Nahles.



Die Kritiker der für den 22. September geplanten Papstrede im Bundestag argumentieren, dass die weltanschauliche Neutralität des Staates nicht mit der Rede eines Kirchenoberhauptes vor den Volksvertretern zu vereinbaren sei. Der Sprecher der Laizisten in der SPD, Rolf Schwanitz, rechnet damit, dass mindestens jeder dritte sozialdemokratische Parlamentarier der Ansprache des Papstes fernbleiben wird. Auch aus den Reihen der Grünen und der Linken gab es Kritik am Papstauftritt.