Kardinal Marx trifft auf Söder bei Sommerempfang

Weder Streit noch Friedenspfeife

Nach zwei Jahren Corona-Pause gab es im Erzbistum München und Freising wieder einen Sommerempfang. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bemühte sich um die Katholiken und hatte auch freundliche Worte für Kardinal Marx.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Kardinal Reinhard Marx (r) und Markus Söder nehmen am Jahresempfang des Erzbistums München teil / © Sven Hoppe (dpa)
Kardinal Reinhard Marx (r) und Markus Söder nehmen am Jahresempfang des Erzbistums München teil / © Sven Hoppe ( dpa )

Es war ein lauschiger Abend im idyllischen Garten der Katholischen Akademie in Bayern, nachdem im Großen Saal die Reden absolviert waren. Rund 500 geladene Gäste folgten der erstmals nach 2019 wieder ausgeprochenen Einladung des Erzbistums München und Freising zum traditionellen Jahresempfang, zu Fassbier und Pilz-Lasagne.

Darunter abermals Bayerns Regierungschef. Gelegenheit, den nicht immer unkomplizierten Status der Beziehung zwischen ihm und dem Münchner Erzbischof in Augenschein zu nehmen.

Beide verbindet schwierige Geschichte

Die beiden Männer verbindet eine schwierige Geschichte. Als bayerischer Finanzminister mit Ambitionen auf höhere Ämter ärgerte Söder die katholische Kirche auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2016 mit der Behauptung, sie würde an der Bereitstellung von Unterkünften Geld verdienen. Sprüche wie "Barmherzigkeit kennt keine Miete" fielen da. Und das war beileibe nicht die einzige Provokation des Protestanten.

Markus Söder / © Fabian Sommer (dpa)
Markus Söder / © Fabian Sommer ( dpa )

Nach seiner Wahl zum bayerischen Regierungschef setzte Söder 2018 sogleich mehrere religionspolitische Akzente: Er verordnete den Behörden die Aufhängung von Kreuzen und holte sich dafür den Segen des emeritierten bayerischen Papstes Benedikt XVI. in Rom persönlich ab. Doch statt Beifall erntete er auf Kirchenseite deutschlandweit überwiegend scharfe Kritik. Auch von Marx, der davon sprach, dass der Staat eine christliche Prägung nicht befehlen könne.

Söder wollte daraufhin die Wogen glätten und bemühte sich beim Kardinal um einen Runden Tisch. Doch der ließ ihn kühl abblitzen.

Beobachter gewannen den Eindruck: Die beiden werden in diesem Leben keine Freunde mehr.

Vor drei Jahren pries der CSU-Chef bei Marxens Jahresempfang die wichtige Rolle der Kirche für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Marx konterte mit der Bemerkung, manchmal müssten Christen auch Unruhe stiften. Jesus sei nicht hingerichtet worden, weil er ein gesellschaftlicher Stabilitätsanker gewesen sei. Und diesmal?

Lob für Kirche und Marx

Söder gab den christlich grundierten Staatsmann, mit gleich mehreren Kabinettsmitgliedern im Schlepptau. Er dankte den Kirchen dafür, dass sie auch harsche Corona-Maßnahmen (zum Beispiel die Ausgangssperre an Heiligabend 2020) "ohne Murren und konstruktiv" mitgetragen hätten.

Kardinal Reinhard Marx (r) und Markus Söder nehmen am Jahresempfang des Erzbistums München teil / © Sven Hoppe (dpa)
Kardinal Reinhard Marx (r) und Markus Söder nehmen am Jahresempfang des Erzbistums München teil / © Sven Hoppe ( dpa )

Äußerte Bedauern für die vielen Austritte, wo doch die Kirche "dem Land und den Menschen unglaublich viel zu geben" habe. Und er zollte Marx mit Blick auf die Missbrauchsaufarbeitung Respekt dafür, dass dieser "viel auf sich genommen hat, sich der Verantwortung zu stellen und das Kirchenschiff in dieser unruhigen Zeit zu steuern".

Den einzigen leicht kritischen, aber eher wehmütig klingenden Akzent setzte der Ministerpräsident mit der Aussage, die Kirchen seien ihm in wichtigen gesellschaftlichen Debatten inzwischen zu leise, etwa wenn es um Abtreibung oder Beihilfe zum Suizid gehe. Wo doch dabei "die Stimme jedes Christen" gebraucht werde.

Stimmen von Christinnen und Christen braucht Söder auch selber, bei der nächsten Landtagswahl im Herbst 2023. Noch so ein desaströses Ergebnis wie 2018, als die CSU nur knapp über 37 Prozent landete und so eine Koalition mit den Freien Wählern eingehen musste, kann er sich nicht leisten. Aktuelle Umfragen sehen die Christsozialen zwischen 37 und 40 Prozent. Das ist weit entfernt vom Sommer 2020, als die CSU über Monate wieder an der absoluten Mehrheit kratzte, was ihrem Anspruch entspricht.

Kardinal nimmt Bälle nicht auf

Söder spielte Marx also, quasi in dessen Wohnzimmer, ein paar Bälle zu. Aber der Kardinal nahm sie nicht auf.

Stattdessen sprach er über seine Sicht auf die "Zeitenwende", die Lage der Religion 200 Jahre nach der Aufklärung, dass die Kirche, aber nicht nur sie, "einen Prozess der Reinigung und des Neuaufbruchs" benötige, um sich gegen politische Instrumentalisierung zu wappnen. Den von ihm eingeschlagenen Weg der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals bezeichnete er als alternativlos und weiterhin verbindlich für seine Erzdiözese, ohne konkreter zu werden.

Reinhard Kardinal Marx / © Lennart Preiss (dpa)
Reinhard Kardinal Marx / © Lennart Preiss ( dpa )

Die Chance, ein öffentliches Zeichen zu setzen, wie er denn nun zu Söder stehe, ob aus Fremdeln und anfänglicher Abneigung inzwischen wenigstens so etwas wie eine belastbare Arbeitsbeziehung geworden sei, ließ Marx verstreichen. Mit Absicht? Der Kardinal wirkte nicht so, als sei er zu einem lustvollen, kontroversen Disput aufgelegt.

Eher so, als handelte es sich für ihn um eine lästige Pflichtveranstaltung. Und als sei er mit Kopf und Herz ganz woanders.

Erzbistum München und Freising

Das Erzbistum München und Freising ist mit rund 1,61 Millionen Katholiken (Stand: Mai 2021) das größte unter den sieben bayerischen Bistümern und eine der bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 12.000 Quadratkilometern vorwiegend auf Oberbayern und ging hervor aus dem Hochstift Freising, das der heilige Bonifatius 739 errichtete. Nach der Säkularisation 1821 wurde der Bischofssitz nach Münchenverlegt und die Erhebung zum Erzbistum verfügt.

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Quelle:
KNA