Die Reforminitiative Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland nimmt nach Ansicht von Kardinal Walter Kasper entgegen ihres Anspruchs nicht alle mit.
"Unter diesem Gesichtspunkt ist der Synodale Weg eben keine Synode, kein gemeinsames Miteinandergehen", sagte Kasper im Interview des Magazins "Cicero", dass in der am Donnerstag erscheinenden Juni-Ausgabe abgedruckt sein wird. Er bestreite dabei weder das synodale Prinzip noch die Reformbedürftigkeit der Kirche, so der Kardinal.
Es brauche einen Neuanfang. Aber eine erneuerte Kirche könne keine neue Kirche sein, sagte der 92-Jährige. Die Kirche stehe im Fluss der Tradition. "Die Kirche kann man nicht erneuern, wenn man mit der Reform der Strukturen anfängt. Natürlich brauchen wir auch strukturelle Erneuerung, aber diese muss aus einer inneren geistlichen Erneuerung kommen."
"Falsch, zu meinen, der Papst könne, wenn er nur wolle"
Das den Reformprozess mittragende Zentralkomitee der deutschen Katholiken habe sich als Sprachrohr in die Gesellschaft und Politik hinein große Verdienste erworben. "Dazu sollte es gerade heute dringend zurückkehren", so Kasper. Bei Glaubensfragen dürften aber die breite kirchliche Basis und die Stimme der anderen Ortskirchen nicht übergangen werden. "Da ist einiges schiefgelaufen. Wir Deutschen meinen oft, wir könnten das allein und den anderen sagen, wo es langgehen soll."
Die Stellung von Frauen in der Gesellschaft und in der Kirche ist nach Ansicht von Kardinal Walter Kasper zu "einem Megathema" geworden. Und es müsse dringend weiter diskutiert werden, sagte der 92-Jährige in dem Interview. In vielen Ortskirchen und auch in Rom habe sich vieles getan, und Frauen übernähmen Aufgaben, die zuvor nur Klerikern erlaubt waren, so Kasper. Zugleich erinnerte er an die Rolle des Papstes in dieser Frage: "Es ist freilich falsch, zu meinen, der Papst könne, wenn er nur wolle, allein entscheiden, ob in Zukunft auch für Frauen der Zugang zum Priesteramt möglich ist."
Wandel bei Homosexualität
Für solche grundlegenden Fragen brauche der Papst einen globalen, theologisch begründeten moralischen Konsens in der Gesamtkirche, sagte der Kardinal. "Ein solcher Konsens ist nicht nur unter den Bischöfen, sondern auch unter den Gläubigen und Theologen nicht absehbar." Auch in Deutschland gebe es weiter Zustimmung wie Ablehnung.
Bei der Frage der Homosexualität hat sich aus Sicht Kaspers in der westlichen Welt in den vergangenen Jahrzehnten ein Wandel vollzogen, der weitgehend zum Respekt unterschiedlicher Orientierungen geführt habe. "Dies hat sich aber weder in der katholischen Kirche im Westen noch in anderen Kulturen durchgesetzt", meinte der Kardinal. Als Beispiel nannte er die afrikanische Kirche. Dort sei das Thema der Vielehe viel virulenter. Die Kirche müsse diese Spannungen aushalten. Sie müsse sich der Moderne stellen, aber nicht unreflektiert dem Zeitgeist anpassen.
"Für Christen nicht hinnehmbar"
Nach Kaspers Einschätzung wollte Papst Franziskus beim Thema Zölibat und dem Zugang zum Priesteramt Lockerungen vorantreiben, aber auch keinen Bruch oder Riss der Kirche riskieren. "Meine Einschätzung ist, dass Franziskus durchaus etwas ändern wollte, aber der emeritierte Papst Benedikt hat damals zusammen mit Kardinal Robert Sarah erfolgreich interveniert", sagte Kasper. Der 92-Jährige ist emeritierter Kurienkardinal und ehemaliger Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen.
Kasper übte auch scharfe Kritik an US-Präsident Donald Trump. "Die Art, wie der gegenwärtige Präsident der USA mit Migranten umgeht, ist meines Erachtens für Christen nicht hinnehmbar", sagte der 92-Jährige in dem Interview. In Anspielung auf die politische Lage in Deutschland betonte er, dass Parteien, die das "C" in ihrem Namen führten, sich bewusst sein müssten, "dass das Christentum in seinen alttestamentlichen wie neutestamentlichen Ursprüngen ebenso wie Europa durch Migration entstanden ist".
Umgang der USA mit Migranten
Kritik in Form von parteipolitischer Instrumentalisierung hält Kasper aber ebenso für falsch. "Selbstverständlich hat jede Regierung das Recht und die Pflicht, die eigenen Bürger, das eigene Land und die eigene Kultur gegen unkontrollierte oder gar kriminelle Massenzuwanderung zu schützen", so der Kardinal.
Franziskus habe stets die notleidenden Menschen in den Blick genommen. Das sei Aufgabe eines jeden Papstes. "Der Klimawandel betrifft uns alle, besonders die Armen der Ärmsten, die Flüchtlingskrise ist eine Überlebensfrage für viele Millionen Menschen und deren Würde als Person", sagte Kasper. Zugleich habe Franziskus Gewalt und Unterdrückung in allen ihren Formen, also auch den Islamismus, verurteilt. Doch der Islam dürfe nicht mit dem Islamismus gleichgesetzt werden, betonte der Kardinal.