Kapuzinerbruder sieht die WM in Katar kritisch

"Es darf dieses Jahr stiller sein"

Die WM in Katar löst bei vielen Fußball-Fans verhaltene Stimmung aus. Nicht nur die Hitze, sondern auch die Menschenrechtslage im Land werfen Schatten auf das Ereignis. Die Zurückhaltung sei angemessen, meint Bruder Paulus Terwitte.

WM-Trophäe vor dem FIFA World Cup 2022 Logo / © fifg (shutterstock)
WM-Trophäe vor dem FIFA World Cup 2022 Logo / © fifg ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was halten Sie denn ganz grundsätzlich von dem Austragungsort Katar, wo die Fußball-WM bald beginnt?

Bruder Paulus Terwitte OFMCap: Ich wundere mich, dass man in einer so heißen Region des Erdballs eine Fußballweltmeisterschaft ausführen lässt. Ich finde, das ist schon eine Zumutung für die Spieler. Außerdem halte ich das Klimatisieren der Stadien für eine Energieverschwendung sondergleichen. Darum hatte ich mir gedacht, dass sich der Staat Katar einmal in der Weltöffentlichkeit präsentieren will. Damit wird der Fußball schon missbraucht, wie ich finde.

Br. Paulus Terwitte OFMCap / © Sven Moschitz (privat)
Br. Paulus Terwitte OFMCap / © Sven Moschitz ( privat )

DOMRADIO.DE: Es ist noch ein sehr junger Staat, der durch Bodenschätze reich geworden ist. Man muss einer solchen Gesellschaft vielleicht auch ein bisschen Zeit geben, damit sie sich an das gewöhnen kann, was sich der Westen teilweise über Jahrhunderte mühsam erarbeitet hat. Wie sehen Sie das?

Br. Paulus: Ich glaube schon, dass man jeder Gesellschaft seine Zeit lassen sollte, sich zu entwickeln. Auch in Europa hat der Weg aus den autoritären Systemen in die Demokratie sehr lange gedauert.

Aber gleichzeitig muss das Rad nicht ständig neu erfunden werden. Das ist dann schon sehr betrüblich, wenn man sieht, dass Menschen von der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeit ferngehalten werden. Wenn Menschen diskriminiert werden. Wenn es immer noch Herrscherfamilien gibt, wie es sie bei uns im Mittelalter gab. Da finde ich schon, dass man von außen her sagen darf, dass es schon Weiterentwicklungen gibt.

DOMRADIO.DE: Sie haben die Fußballspieler erwähnt, die unter der Hitze leiden. Aber die stehen auch unter politischen Druck. Sollte man den Sport so sehr politisieren?

Bruder Paulus

"Wir leben ja auch unter ethisch fragwürdigen Umständen und insofern glaube ich, sollten wir auch Feiertage zulassen."

Br. Paulus: Jeder, der sich in dieser Welt bewegt, bewegt sich in einem Rahmen: Was dürfen wir, was dürfen wir nicht? Man kann sich fragen, ob es überhaupt etwas Gutes gibt im Schlechten, in all diesen Dingen, die wir von Katar hören, ob da etwas Gutes stattfinden kann.

Da müssen wir auch ganz ehrlich sein, da müssen wir uns an die eigene Nase fassen. So wie wir in Deutschland oder in Europa leben, ist das auch nicht alles so ethisch toll. Wir reden über Klimawandel. Wir reden über Nachhaltigkeit. Wie kaufen wir ein? Welche Transportwege nutzen wir für unsere billigen Bekleidungen und wo werden die hergestellt?

Wir leben ja auch unter ethisch fragwürdigen Umständen. Insofern glaube ich, sollten wir auch Feiertage zulassen. Deswegen soll es mir Recht sein, wenn das Fußballfest gefeiert wird, damit die Menschen wieder menschenrechtsstärker werden oder humanistischer werden oder das Zusammensein gefeiert wird als etwas, was das menschliche Herz befreit.

Aber die Restriktionen, die der Presse auferlegt wurden und anderes, was berichtet werden darf und was nicht, macht mich wieder skeptisch, was dann wirklich möglich ist.

DOMRADIO.DE: Fußball-Deutschland ist bei Großereignissen immer sehr präsent. Man schaut gemeinsam, hängt Fähnchen ans Auto, macht Tippspiele im Büro und diskutiert dann am nächsten Morgen über Tore, Fouls und rote Karten. Wie soll man sich dieses Jahr verhalten?

Bruder Paulus

"Das öffentlich zurückhaltende Verhalten der Deutschen zu dem, was in Katar auch dort in der Gesellschaft geschieht, finde ich passend."

Br. Paulus: Ich glaube, das darf dieses Jahr stiller sein. Die Gastwirte machen es uns auch vor. Die Public Viewings sind teilweise abgesagt, auch natürlich wegen der Temperaturen hier in Deutschland. Aber ich finde es gut, es verhaltener zu feiern, sodass nicht deutlich wird, dass unsere Gesellschaft jetzt mitfiebert, um einer anderen Gesellschaft Beifall zu klatschen.

Aber einzelne Gruppen und Fangruppen sollten sich das durchaus gönnen, sich mit Fußball und sich aneinander zu freuen. Aber ich finde es gut, dass diese öffentliche Begehung nicht so stattfindet. Das öffentlich zurückhaltende Verhalten der Deutschen zu dem, was in Katar auch dort in der Gesellschaft geschieht, finde ich passend.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Hilfswerk missio Aachen zeigt Ausbeutung in Katar die rote Karte

Das katholische Hilfswerk missio Aachen will vor Beginn der Fußball-WM auf die Ausbeutung von Migrantinnen im Gastgeberland Katar aufmerksam machen. In einer Online-Petition fordert missio Außenministerin Annalena Baerbock auf, sich beim Emir von Katar für die Belange von Frauen in dem Golfstaat einzusetzen. Die Stimmen aller Unterzeichnerinnen und Unterzeichner will das Hilfswerk im November kommenden Jahres der Grünen-Politikerinnen übergeben. "Denn wir verfolgen das Thema weiter, auch wenn die WM beendet ist und die Fernsehteams weitergezogen sind", so missio.

Vor der Fußball-WM 2022 in Katar / © Christian Charisius (dpa)
Vor der Fußball-WM 2022 in Katar / © Christian Charisius ( dpa )
Quelle:
DR