Käßmann zum Abschluss des Reformationsgedenkens

"Ich brauche keine Einheitskirche"

Gemeinsam in der Verschiedenheit vereint: So stellt Margot Käßmann sich die Zukunft der beiden großen Kirchen vor. Im domradio.de-Interview erklärt sie, was für sie Ökumene bedeutet und was ihr am Reformationstag wichtig ist.

Pfarrer beim Brotbrechen / © Harald Oppitz (KNA)
Pfarrer beim Brotbrechen / © Harald Oppitz ( KNA )

domradio.de: Es war ein ökumenisch angelegtes Jubiläum. In einem Zeitungsbeitrag haben Sie aber gesagt, dass Sie eine Einheitskirche genauso langweilig fänden, wie eine Einheitspartei. Was meinten Sie damit?

Margot Käßmann (Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum): Ökumene heißt für mich, dass wir verschieden sein können. Ich bin lutherisch durch und durch: Ich finde an der lutherischen Kirche zum Beispiel gut, dass sie keinen Zölibat kennt; dass das Kirchenverständnis eines ist, wonach nicht die Kirche das Heil vermittelt; dass die Frauen ordinieren. Ich respektiere dennoch römische Katholiken, die ihren Glauben auf andere Weise in ihrem jeweiligen Kirchen- und Amtsverständnis ausdrücken. Ich glaube, dass wir uns im Kern, also im Glauben an Jesus Christus und die Bibel, auf die wir uns beziehen, nahe sind. Für mich bedeutet Ökumene nicht, alles gleich und einheitlich zu machen, sondern in der Verschiedenheit das Gemeinsame zu sehen. Ich wünsche mir auch, dass wir offiziell zusammen das Abendmahl feiern können - aber ich brauche keine Einheitskirche, in der wir alle gleich sind.

domradio.de: Sie waren auch Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017 und haben das ganze Jahr intensiv begleitet. Jetzt geht das Jahr zu Ende - im Rückblick: Was waren die wichtigsten Themen?

Käßmann:  Für mich gab es drei Punkte, die zentral waren: Wir haben dieses Jahr international gefeiert: Es waren zum Beispiel Christen aus Brasilien, Tansania und Indonesien beteiligt. Das hat einen Unterscheid gemacht, etwa zum deutsch-nationalen Luther-Reformationsjubiläum von 1917. Wir sehen, dass sich der Horizont unserer Kirche deutlich geweitet hat.

Außerdem haben wir nicht anti-katholisch gefeiert, sondern ökumenisch mit Christen aus allen Kirchen und Konfessionen. Das war mir wichtig, denn die Reformationsgeschichte ist unsere gemeinsame Geschichte.

Dann haben wir es uns dieses Mal nicht leicht gemacht und sind in satte christliche Gegenden gegangen, sondern wir haben im Kernland der Reformation - in Mitteldeutschland gefeiert - wo Christen eine Minderheit sind. Dort hat sich gezeigt, dass es hier wesentlich schwerer ist, Glauben zu leben und das Christsein zum Gespräch zu bringen.

domradio.de: Welcher Impuls geht vom Reformationsjahr an die Ökumene? 

Käßmann: Ich denke, dass wir nicht dahinter zurückkommen, dass wir die Reformationsgeschichte als unsere gemeinsame Geschichte ansehen. Luther wird nicht mehr als der Kirchenspalter angesehen, sondern durchaus auch als ein Gottsucher und Vater im Glauben, weil Luther auch ein Mensch war, der Fragen hatte, die auch Katholiken haben, wie etwa: Wie ist mein Verhältnis zu Gott? Was bedeutet mein Leben vor Gott? Wie kann ich als Christ verantwortlich in der Welt leben? Ich denke, dass sich da Wesentliches angenähert hat. Es gibt auch keine gegenseitigen Schuldzuweisungen mehr, sondern wir haben Versöhnungsgottesdienste gefeiert und gesagt, dass wir einander viel angetan haben, aber auch den Menschen, die darunter gelitten haben. Aber dass wir unsere Verschiedenheit heute so in Frieden leben können, ist ein Zeichen dieses Reformationsjubiläums und wird uns für die Zukunft stärker verbinden.

domradio.de: Worüber haben Sie denn heute im Gottesdienst gepredigt ?

Margot Käßmann (EKD-Botschafterin): Ich habe den normalen Predigttext für heute genommen, bezugnehmend auf das Evangelium, in dem Jesus die Jünger aussendet und ihnen sagt, dass sie den Glauben bekennen sollen, ungeachtet aller Schwierigkeiten, die auf sie zukommen. Dazu habe ich gesagt, dass wir in Deutschland - anders als in anderen Ländern - in einem Staat mit Glaubensfreiheit leben. Fröhlich und zuversichtlich bekennen wir als Christen unseren Glauben hier indes nicht. Wenn ich gefragt werde, was Martin Luther heute zu irgendwelchen Themen sagen würde, kann ich das zwar meistens nicht beantworten, aber ich weiß bestimmt, dass er sagen würde: "Bekennt offen Euren Glauben und steht dazu!" - Ich habe mich gefreut, dass die Gemeinde dann gelacht hat, als ich Luther zitiert habe: "Macht’s Maul auf!"

Das Interview führte Hilde Regeniter.

 

Die Theologin Margot Käßmann / © Hendrik Schmidt (dpa)
Die Theologin Margot Käßmann / © Hendrik Schmidt ( dpa )
Quelle:
DR
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