Käßmann hält ihre erste Vorlesung als Professorin in Bochum

Antrittsbesuch bei alten Freunden

Die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann hat die Zuwanderung nach Deutschland als "Glücksfall" bezeichnet. In ihrer Antrittsrede als Gastprofessorin an der Ruhr-Universität Bochum sagte die Theologin am Mittwoch: "Menschen aus fremden Ländern bei uns vor Ort zu begegnen, ist eine Chance zur Bereicherung."

 (DR)

Die Theologiestudentin Sarah Randow gehörte zu einer Minderheit. Nur wenige Studierende der Bochumer Ruhr-Universität fanden so wie die angehende Pfarrerin mit den langen, blonden Haaren am Mittwoch den Weg in den größten Hörsaal der Universität, den Audimax. Doch war der 1.800 Plätze umfassende Vorlesungsraum trotzdem voll besetzt: Die ehemalige Hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann gab dort mit einem gut einstündigen Vortrag über Integration ihr Debut als Hochschullehrerin.



Zunächst für die Dauer eines Jahres wird die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, die nach einer Alkoholfahrt im Frühling 2010 alle kirchlichen Ämter niederlegte, an der im Betonstil der 60er Jahre gehaltenen Universität als Gastprofessorin tätig sein. Anschließend soll sie als Honorarprofessorin die Studierenden unterrichten.



Ein Abschied von der Öffentlichkeit soll damit freilich nicht einhergehen - auch wenn Käßmann aus Rücksicht auf den EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider nicht mit dem Bundesverteidigungsminister nach Afghanistan fahren wird. Als Professorin wird sie weiterhin im Rampenlicht stehen: Drei Bücher sind für dieses Jahr geplant, dazu zahlreiche Auftritte auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni in Dresden.



Und so war es auch das klassische Käßmann-Publikum der Kirchentage, das den Bochumer Audimax in großer Zahl bevölkerte. Vor allem Frauen mittleren und reiferen Alters saßen auf den roten Plüsch-Klappsitzen, und lauschten dem Idol. "Margot Käßmann ist eine ganz große Impulsgeberin und eine Persönlichkeit mit enormer Präsenz und Ausstrahlungskraft", hatte die Dekanin der evangelisch-theologischen Fakultät, Isolde Karle, die neue Professorin zuvor gewürdigt. Die enge Freundin der Ex-Bischöfin hat entscheidend dazu beigetragen, dass Käßmann an die Universität zurückkehrte, an der sie 1989 bei Konrad Raiser promovierte.



40 Bücher habe Käßmann geschrieben, in einfacher Weise schwierige Sachverhalte auf den Punkt gebracht und "Exzeptionelles geleistet", schwärmte Karle: von der "sozialethischen Bewertung von sogenannten Babyklappen" bis zu ihren "religionspädagogischen Beiträgen zur Religiosität und Erziehung von Kindern". So kann es klingen, wenn Bücher über das eigene Familienleben wissenschaftlich gewürdigt werden.



In ihrer Vorlesung setzte sich Käßmann dafür ein, die Integration in Deutschland positiver zu sehen. "Geschichten gelungener Integration" sollten künftig im Zentrum der Debatte stehen. "Die Deutschen könnten eigentlich stolz auf ihre Integrationsdebatte sein, offensiv damit umgehen, dass sich diese Gesellschaft bereit erklärt hat, Menschen aus anderen Nationen, Kulturen und Religionen aufzunehmen." Die deutsche Fußballnationalmannschaft sei ein gutes Beispiel dafür, sagte Käßmann, und hatte damit ihr Stammpublikum auf ihrer Seite.



Ein Abschotten sowohl der Zuwanderer als auch der einheimischen Bevölkerung führe zu Stagnation, Abwehr und Angst. "Deshalb ist nicht Abgrenzung, sondern Begegnung der Schlüssel zur Zukunft", sagte Käßmann. Am Ende werde es darum gehen, die richtige Balance zu finden "zwischen klaren gemeinsamen Grundlagen unserer Gesellschaft, die vor allem durch das Recht geprägt werden" und der "Freude und Offenheit für Vielfalt für das Verschiedene". Sonderlich wissenschaftlich war die Vorlesung der neuen Professorin nicht. Im Gegenteil: Wie beim Kirchentag forderte sie die Anwesenden zur Halbzeit auf, einmal kurz tief Luft zu holen. Und auch die neuen Erkenntnisse hielten sich in Grenzen - doch von ihrem Stammpublikum erhielt Margot Käßmann anhaltenden Applaus.



Und auch der Theologiestudentin Sarah Randow gefiel die Premiere ganz offenbar: "Margot Käßmann ist ein Phänomen", sagte die angehende Pfarrerin. "Und ich werde im nächsten Semester auf jeden Fall ihre Vorlesung besuchen."