Junge Freiheit, 29.04.2011

Zersplitterte Landschaft - ...Seligsprechung von Johannes Paul II. täuscht über Niedergang katholischer Medien hinweg

Im Hörfunk hat das Kölner domradio mit beschränkten Mitteln Maßstäbe gesetzt. Es könnte der Nukleus für einen bundesweiten katholischen Sender sein, vorausgesetzt die anderen Diözesen ziehen mit. Was nicht geschieht. So bleibt es bei der medialen Flickschusterei.

 (DR)

von GERNOT FACIUS

Normal ist das nicht. Am 1. Mai sind ARD und ZDF vorübergehend in katholischer Hand. Wer will, kann die Seligsprechung des polnischen Papstes durch seinen deutschen

Nachfolger über Stunden auf allen Kanälen verfolgen. Das öffentlich-rechtliche

System gibt sich kirchenfreundlich, seine Chefs schicken eine Botschaft an die

Bischöfe: Seht her, wir erfüllen unseren Programmauftrag! Das war in der Vergangenheit

verschiedentlich bezweifelt worden. Es herrsche eine "Fokussierung auf Skandale und Sensationen", klagte "Medienbischof" Gebhard Fürst, dagegen werde das soziale und kulturelle Engagement der Kirchen unter der Rubrik "Religion ist Privatsache" abgeheftet.

Es schien, als wollte der Episkopat darauf mit einer eigenen Medienoffensive reagieren. Ober einen katholischen digitalen TV-Kanal wurde nachgedacht, auch um das Feld nicht "fundamentalistischen Gruppen zu überlassen" (Fürst). Über eine "Machbarkeitsstudie" ist man nicht hinausgekommen. Das Unternehmen scheiterte nicht nur am angeblich knapper werdenden Geld. Es spielte noch etwas anderes mit: Die Öffentlich-Rechtlichen drohten mehr oder weniger konkret mit Liebesentzug, stellten für den Fall einer neuen Konkurrenz die kirchlichen Sendeplätze in Frage. Die Bischöfe ließen sich davon beeindrucken, ihre hochfliegenden Pläne schrumpften auf Mini-Maß. In einer "Internet-Offensive" sollen nun - das Zauberwort heißt "Vernetzung" - die diversen Mediendienstleistungen unter dem Dach eines Katholischen Medienhauses zusammengeführt werden. Doch selbst diesem Minimalprogramm steht die ausgeprägte Neigung (oder soll man sagen: der Egoismus) jedes der 27 Bistümer im Wege, eigene Projekte zu entwickeln. Das biedere offizielle katholisch.de fristet mit seinen Nachrichten und Glaubensinformationen eher ein Nischendasein. Zum Leidwesen der Bischöfe suchen "unabhängige" Portale, darunter anonyme Erscheinungen wie kreuz.net, das sich dem Kampf gegen die ,,Altliberalen" in der Kirche verschrieben hat (worunter selbst Joachim Kardinal Meisner und der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig

Müller subsumiert werden) und deutliche Sympathien für die Pius-Brüder erkennen lässt, die Aufmerksamkeit der Gläubigen. Hier wird Vielfalt sichtbar, aber in negativem Sinne. Das österreichische kath.net bedient wie kathnews.de aus dem Westerwald ein traditionalistisches, aber romtreues Publikum. Vorgeführt wird eine gespaltene Kirche.



Es bleibt bei der medialen Flickschusterei



Im Hörfunk hat das Kölner Domradio mit beschränkten Mitteln Maßstäbe gesetzt. Es könnte der Nukleus für einen bundesweiten katholischen Sender sein, vorausgesetzt die anderen Diözesen ziehen mit. Was nicht geschieht. So bleibt es bei der medialen Flickschusterei. Immerhin haben die Verantwortlichen im Printbereich gelernt, dass es ohne Kooperationen

nicht mehr geht. Nach den Daten des "Religiösen Trendmonitors" von Allensbach erreichen katholische Medien vor allem die kirchennahen oder der Kirche kritisch verbundenen "Katholiken, ein Milieu, das immer k1einer wird. Die Kirchenzeitungen befinden sich seit Jahren, und nicht erst nach dem Horrorjahr 2010 mit den Nachrichten über die Missbrauchsaffären, im Sinkflug: Etwas mehr als 660.000 werden noch gedruckt, 36 Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. Ihre Macher halten nun Ausschau nach neuen Zielgruppen, zum Beispiel Familien. Christian Klenk von der Katholischen Universität Eichstätt sieht darin, wie in einem lebendigen. "kritischen Journalismus" eine "letzte

Chance". In die Liga des Qualitätsjournalismus ist, sieht man von dem kurzlebigen Publik ab, mit Ausnahme des Rheinischen Merkur kein kirchliches Medienprodukt aufgestiegen. Aber der RM, obwohl mit vielen Millionen Euro aus Kirchen(steuer)mitteln alimentiert. war

bis zu seinem traurigen Ende im Herbst 2010 keine klassische Kirchenzeitung, er firmierte als politisches Wochenblatt. "wer die Hintergründe nicht kennt, kam womöglich gar nicht auf die Idee, dass neun Diözesen und die Deutsche Bischofskonferenz den Kreis der Gesellschafter bildeten", so Klenk. Auf der Internetseite kath.net kommentierte der Jesuit Eckhard Bieger: "Wenn es den Katholizismus als Kultur und politische Kraft nicht mehr gibt, ist es folgerichtig, die katholische Wochenzeitung in der linksliberalen Zeit aufgehen zu lassen, so wie auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sich von keinem anderen linksliberalen Milieu mehr deutlich unterscheidet."



Zukunft des "Rheinischen Merkur" ist ungewiss



Erst wenn es dezidierte Positionen zu Bildung, Geburtenentwicklung, Rente etc. aus einem weltanschaulich katholischen Blickwinkel gebe, "wird es eine Basis für eine katholische Wochenzeitung geben". Darauf wird das Publikum freilich lange warten müssen. Die Zeit-Leute bemühen sich um mediale Aufmerksamkeit für ihr "Christ & Welt"-Produkt. Doch die alte RM-Leserschaft bleibt auf Abstand. Spätestens 2012 wird absehbar sein, ob die Hamburger die Geduld aufbringen, das Experiment weiterzuführen.