Junge Bürger fühlen sich von Politik nicht gehört

Immer mehr ältere Wähler - Nimmt die Zukunftsorientierung ab?

Das Alter ist für den Ausgang einer Wahl ein wichtiger Faktor - die Generation der Menschen über 60 Jahre entscheidet heute die Wahlen und junge Menschen fühlen sich übergangen. Steht die Gesellschaft vor einem Generationenkonflikt?

Autor/in:
Christoph Arens
Wahlplakate der Parteien "SPD" mit einem Porträt des Bundeskanzlers Olaf Scholz, "CDU" und "Bündnis 90/Die Grünen" mit einem Porträt von Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, zur Bundestagswahl 2025 auf einer Wiese, am 25. Januar 2025 in Brohl-Lützing / © Julia Steinbrecht (KNA)
Wahlplakate der Parteien "SPD" mit einem Porträt des Bundeskanzlers Olaf Scholz, "CDU" und "Bündnis 90/Die Grünen" mit einem Porträt von Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, zur Bundestagswahl 2025 auf einer Wiese, am 25. Januar 2025 in Brohl-Lützing / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Wenn am 23. Februar Bundestagswahlen sind, könnte das Alter der Wähler eine bedeutende Rolle für den Wahlausgang spielen. Die Katholische Nachrichten-Agentur nennt wichtige Zahlen und Debatten, die sich um dieses Thema drehen.

Wie viele Wahlberechtigte gibt es bei der Bundestagswahl?

59,2 Millionen Deutsche sind wahlberechtigt. Aktuell sind 42,1 Prozent von ihnen 60 Jahre und älter, 13,3 Prozent sind 18 bis 29 Jahre alt. 2,3 Millionen oder vier Prozent sind potenzielle Erstwähler.

Wie sieht es bei den unterschiedlichen Altersgruppen mit der Wahlbeteiligung aus?

Ältere Menschen beteiligen sich besonders stark an Wahlen. 75 Prozent der über 70-Jährigen und 80 Prozent der 60- bis 69-jährigen Wahlberechtigten, aber nur 71 Prozent der 21- bis 24-Jährigen haben bei der Bundestagswahl 2021 ihre Stimme abgegeben. Auch bei früheren Wahlen war die Wahlbeteiligung zwischen 21 und 69 Jahren mit zunehmender Alter höher.

Was kann man zu den Parteipräferenzen der verschiedenen Altersgruppen sagen?

Bei der Bundestagswahl 2021 hatten FDP und Grüne mit jeweils 23 Prozent die höchsten Stimmanteile bei den Erstwählern. Es folgten SPD (15 Prozent), Union (10 Prozent), Linke (8 Prozent) und AfD (6 Prozent). Bei der jüngsten Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen führten die Grünen mit 23 vor der FDP mit 21 Prozent. 

Wahlplakat der Partei "Bündnis 90/Die Grünen" zur Bundestagswahl 2025, davor eine Gruppe Senioren, am 21. Januar 2025 in der Fußgängerzone in Bonn / © Julia Steinbrecht (KNA)
Wahlplakat der Partei "Bündnis 90/Die Grünen" zur Bundestagswahl 2025, davor eine Gruppe Senioren, am 21. Januar 2025 in der Fußgängerzone in Bonn / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Es folgten die SPD mit 15, die Union mit 10 und die Linke mit 8 Prozent. Die AfD kam auf 7 Prozent. Bei den Wählern über 60 sah die Reihenfolge anders aus: Die SPD führte mit 34 Prozent knapp vor der Union (33 Prozent), den Grünen (9 Prozent), FDP und AfD (jeweils 8 Prozent) sowie der Linken mit 4 Prozent.

Seit der Bundestagswahl 2021 hat sich allerdings viel verändert. Auch bei Jüngeren gewann die AfD deutliche Anteile. Wieviel genau?

Schon bei den Landtagswahlen in Bayern im Oktober 2023 gaben 16 Prozent der Erstwähler der AfD ihre Stimme, in Hessen waren es am selben Tag 15 Prozent. In Thüringen wurde die AfD im September 2024 mit 38 Prozent stärkste Partei bei den 18- bis 24-Jährigen, in Sachsen verbuchte sie in dieser Altersgruppe 31 Prozent, in Brandenburg bei den Erstwählern 30 Prozent.

Wie wird sich der demografische Wandel auf das Alter der Wähler auswirken?

Die Altersverteilung verschiebt sich gegenüber früheren Wahlen weiter zugunsten älterer Wahlberechtigter. So war bei der Bundestagswahl 1987 noch fast jede vierte wahlberechtigte Person unter 30 Jahre und jede siebte über 70 Jahre alt. Diese Entwicklung wird sich angesichts der Alterung der Bevölkerung fortsetzen. 

Der Dortmunder Soziologe Aladin El-Mafaalani verweist zudem darauf, dass schon bei der Bundestagswahl 2021 die Hälfte der Wähler über 53 Jahre alt war. Zunehmend bestimmten diejenigen, die selber nicht mehr berufstätig seien, über die Zukunft des Landes - eine historisch einmalige Situation.

Eine Möglichkeit für mehr Generationengerechtigkeit wäre es, das Wahlalter herabzusetzen. Wie weit ist die Debatte darüber gekommen?

Bei der Europawahl im Juni 2024 durften Jugendliche ab 16 Jahren erstmals an überregionalen Wahlen teilnehmen. Der Bundestag hatte 2022 das Mindestwahlalter für das aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament von 18 auf 16 Jahre gesenkt.

Auch in sechs Bundesländern dürfen inzwischen 16-Jährige über die Zusammensetzung der Landesparlamente mitentscheiden: in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Brandenburg. 

Wahlplakat der Partei "CDU" zur Bundestagswahl 2025, am 21. Januar 2025 in der Fußgängerzone in Bonn / © Julia Steinbrecht (KNA)
Wahlplakat der Partei "CDU" zur Bundestagswahl 2025, am 21. Januar 2025 in der Fußgängerzone in Bonn / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Um das Wahlalter auch bei Bundestagswahlen abzusenken, bedürfte es einer Änderung des Grundgesetzes. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass junge Bundesbürger im Strafrecht erst ab 21 Jahren als Erwachsene gesehen werden. 1972 hatte die sozial-liberale Regierung von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt.

Ist das Alter bei Wahlen wirklich so entscheidend - zumal ja in allen Altersgruppen große Unterschiede bei Parteipräferenzen bestehen? 

Der Soziologe El-Mafaalani argumentiert, dass in einer alternden Bevölkerung die Zukunftsorientierung abnimmt. Die Älteren seien von langfristigen Herausforderungen wie dem Klimawandel oder der Bildungskrise deutlich weniger betroffen. Politische Entscheidungen beträfen vor allem die Jüngeren.

Der Berliner Ökonom Marcel Fratzscher betont, dass selten ein Wahlkampf so sehr von einem Verteilungskampf zwischen Jung nach Alt geprägt sei wie der gegenwärtige: 

"Die Parteien versprechen vor allem eines: eine Umverteilung in Bezug von Geld, Freiheit und Chancen von Jung zu Alt", schrieb er in der "Zeit" mit Blick auf Versprechungen wie Steuersenkungen für Unternehmen und Spitzenverdiener, die Sicherung von Renten und die Pflegeversicherung. 

Dabei seien deutlich höhere Investitionen in Bildung, Qualifizierung und Innovation unverzichtbar, wenn die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig werden und gute Arbeitsplätze langfristig gesichert werden sollten. 

"Eine Diskussion über die Verbesserung des Bildungssystems, die Verringerung der Zahl der Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher oder über Weiterbildung und lebenslanges Lernen fehlt im Wahlkampf weitgehend." 

Was sagen Vertreter der jungen Menschen?

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) fordert die Politik auf, im aktuellen Wahlkampf auf junge Menschen zuzugehen. Sie spielten für die Parteien im Wahlkampf eine sehr geringe Rolle. Ihre Perspektiven kämen auch in den Wahlprogrammen kaum vor, "obwohl sie die Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft sind.

Gibt es auch Gegenargumente?

Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek sieht für einen Generationenkampf keine Anzeichen. Bei den wichtigsten Zukunftssorgen fänden sich eher geringfügige Differenzen zwischen den Generationen. 

So werde die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme und die Sicherung der Rente nicht nur von den Jüngeren, sondern auch von der Älteren mehrheitlich als Problem benannt, um das sich die Politik kümmern müsse. Nur eine Minderheit sehe stärkere Konflikte zwischen beiden Gruppen.

Ein Gegeneinander zwischen den Generationen sieht auch Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso), nicht. Lebenslagen und Interessen von Senioren seien alles andere als einheitlich. Auch ihr Wahlverhalten sei vielfältig und bei weitem nicht nur von "Seniorenthemen" bestimmt. 

Ohnehin sieht sie Jung und Alt in einem Boot. "Für Ältere ist die Frage immer wichtiger: Welche Welt hinterlasse ich?" Sie hätten ein große Sensibilität für die Interessen jüngerer Menschen und seien auch zu Verzicht bereit, "wenn sie wissen, den Jüngeren geht es dadurch besser".

Zustrombegrenzungsgesetz

Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Union zielt auf drei Bereiche ab: Es sieht vor, dass das Ziel einer Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland für das Aufenthaltsrecht wieder zur Maßgabe werden soll. Dieser Passus war erst 2023 von der damaligen Ampel-Koalition abgeschafft worden.

Auch soll der Familiennachzug zu sogenannten subsidiär Schutzberechtigten bis auf weiteres beendet werden. Subsidiärer Schutz greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland dennoch ernsthafter Schaden droht.

Symbolbild: Migranten gehen über das Gelände einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber / © Patrick Pleul (dpa)
Symbolbild: Migranten gehen über das Gelände einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber / © Patrick Pleul ( dpa )
Quelle:
KNA