Jüdischer Verbandschef Kantor tritt wegen Sanktionen zurück

Jahrzehntelanger Einsatz für jüdisches Leben in Europa

Moshe Kantor tritt mit sofortiger Wirkung als Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses zurück. Als russischer Unternehmer steht er auf einer Sanktionsliste. Die Organisation dankte Kantor für seine beispieloses Engagement.

Moshe Kantor ist als  Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses zurückgetreten / © Jonas Ekströmer/Tt (dpa)
Moshe Kantor ist als Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses zurückgetreten / © Jonas Ekströmer/Tt ( dpa )

Der auf einer britischen Sanktionsliste stehende russische Unternehmer und Milliardär Moshe Kantor tritt als Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses zurück. Das teilte der Dachverband am Freitag auf Anfrage mit und bestätigte so einen Bericht der "Jüdischen Allgemeinen". Der 68-Jährige lege sein Amt mit sofortiger Wirkung nieder, um eine ungestörte Weiterarbeit des Kongresses zu ermöglichen.

Europäischer jüdischer Kongress

Vor über 30 Jahren beschlossen die europäischen jüdischen Gemeinden, ihre Aktivitäten zu bündeln und ihre Bemühungen zu vereinen.

Der European Jewish Congress (EJC) wurde 1986 offiziell als neue und unabhängige Struktur gegründet. Zuvor wurden die Angelegenheiten der europäischen Juden vom europäischen Zweig des Jüdischen Weltkongresses (WJC) behandelt, der seinen Sitz zunächst in London hatte, bevor er 1980 nach Paris umzog.

Papst Franziskus und Moshe Kantor 2020 (EJC)
Papst Franziskus und Moshe Kantor 2020 / ( EJC )

Der Europäische Jüdische Kongress dankte Kantor zugleich für seinen "beispiellosen Beitrag über viele Jahre für ein blühendes jüdisches Leben in Europa". Kantor stand dem Verband seit 2007 vor. Zuletzt wurde er im Oktober 2020 einstimmig wiedergewählt. Das Exekutivkomitee des Kongresses will der Mitteilung zufolge in Kürze weitere Schritte erörtern. Wer Kantor nachfolgen könnte, ist unklar.

Britische Sanktionsliste

Die britische Regierung hatte Kantor zusammen mit sieben weiteren Personen am Mittwoch auf die Liste russischer Oligarchen gesetzt, die in besonderer Nähe zu Präsident Wladimir Putin stehen sollen. Kantor sei als größter Anteilseigner des russischen Chemie- und Düngemittelkonzerns Akron in wirtschaftlich wichtigen "Bereichen von strategischer Bedeutung" tätig, hieß es zur Begründung. Er profitiere von seiner Unterstützung der russischen Regierung.

Der Europäische Jüdische Kongress hatte zunächst bestürzt reagiert und zur Rücknahme der Entscheidung aufgerufen. Kantor setze sich seit Jahrzehnten für Europas jüdische Gemeinden und für den Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ein. Zahlreiche Regierungen und Staatschefs hätten ihn dafür mit höchsten Auszeichnungen geehrt. Auf Geschäftstätigkeiten des Philantropen ging die Pressemitteilung nicht ein.

Gründung World Holocaust Forum

Auch in der aktuellen Stellungnahme ließ der Europäische Jüdische Kongress die Frage nach der Stichhaltigkeit der britischen Vorwürfe unbeantwortet.

Der in Moskau geborene Wjatscheslaw Moshe Kantor baute nach dem Ende der Sowjetunion das Mineraldüngerunternehmen Azot in Nowgorod zu einem der führenden Agrarkonzerne Russlands, Akron, um. Kontakte in den Staatsapparat des damaligen Präsidenten Boris Jelzin ließen ihn in die Wirtschaftselite aufsteigen. 2005 rief er das World Holocaust Forum ins Leben.

Quelle:
KNA