Journalistin berichtet von ihrem Abschied bei Benedikt XVI.

"Es war eine eigenartige Atmosphäre"

Christine Seuss ist Redakteurin bei Radio Vatikan. Sie hat sich bereits in der Hauskapelle des früheren Klosters Mater Ecclesiae vom verstorbenen Benedikt XVI. verabschiedet. Dabei hatten nicht nur die Besucher Tränen in den Augen.

Der Leichnam des emeritierten Papstes Benedikt XVI. ist aufgebahrt in der Hauskapelle des früheren Klosters Mater Ecclesiae im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Der Leichnam des emeritierten Papstes Benedikt XVI. ist aufgebahrt in der Hauskapelle des früheren Klosters Mater Ecclesiae im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der emeritierte Papst Benedikt ist seit diesem Montagmorgen im Petersdom aufgebahrt. Gibt es dort lange Schlangen von Menschen, die Abschied nehmen wollen?

Christine Seuss (Redakteurin bei Radio Vatikan): Ja, die Schlange auf dem Petersplatz ist wirklich sehr lang, sie ging zeitweise bereits in einer Schleife, und auf der Via della Conciliazione strömen immer mehr Menschen nach. Alles ist abgesperrt, man kommt nur nach Kontrollen rein. Aber es ist beeindruckend, wie viele Menschen kommen.

DOMRADIO.DE: Wie läuft das ab? Wie wird das organisiert?

Seuss: Ganz einfach, sobald man durch die Sicherheitskontrolle ist, reiht man sich in die Schlange ein und betritt über den Mittelgang die Basilika und geht vor bis zum aufgebahrten Benedikt. Viel Zeit für ein Verharren ist da natürlich nicht, vielleicht gerade die Zeit für ein kurzes Gebet. Aber eigentlich kann man kaum stehenbleiben.

Es ist ein ständiger Fluss, damit andere nachrücken können. Und dann geht es auf der anderen Seite der Basilika wieder raus. Aber es läuft alles sehr geordnet und würdig ab, würde ich sagen.

DOMRADIO.DE: Gibt es auch eine Möglichkeit für Vatikanmitarbeiter, gesondert Abschied zu nehmen?

Seuss: Ja, wir dürfen durch einen Seiteneingang und haben das Privileg, auch zum Gebet dicht beim Leichnam verharren zu dürfen. Das ist für alle sehr berührend. Viele kannten ihn ja schon seit vielen vielen Jahren.

DOMRADIO.DE: Was laufen sonst für Vorbereitungen auf dem Petersplatz?

Seuss: Die technischen Vorbereitungen haben schon begonnen. E wurde in den letzten Tagen auch schon ein Gerüst aufgebaut, damit die Fernsehteams besser arbeiten können.

Die Stühle für die Bestuhlung des Platzes und auch für den Vorplatz des Petersdoms stehen schon bereit, wo Papst Franziskus der Messe vorstehen wird und auch die offiziellen Delegationen Platz nehmen werden.

Ansonsten ist der Platz momentan vor allem voller Menschen, die sich von Benedikt verabschieden wollen.

Christine Seuss, Redakteurin bei Radio Vatikan

"Es war fast wie ein Familientreffen, denn man kannte doch viele Gesichter"

DOMRADIO.DE: Mitarbeiter des Vatikan konnten schon am Sonntag im Kloster Abschied von Benedikt nehmen. Wie war das denn?

Seuss: Ich war selbst da. Es war eine eigenartige Atmosphäre. Ich bin in der Dämmerung den Berg zur Residenz von Benedikt XVI., dem Kloster Mater Ecclesiae, gelaufen. Die Sicherheitskräfte haben mich ohne Probleme durchgelassen, aber nicht nur mich, denn da kamen wirklich einige hoch.

Wahrscheinlich waren es nicht nur Vatikanmitarbeiter, sondern auch Menschen, die in irgendeiner Beziehung zu dem Verstorbenen und zu Erzbischof Gänswein standen. Auffallend viele Ordensschwestern waren da.

Vielleicht war das auch gar nicht so geplant gewesen, dass am Ende doch so viele Leute angeströmt kamen, aber es hat sich auf dem Vorplatz des Klosters eine echte Schlange gebildet. Es war fast wie ein Familientreffen, denn man kannte doch viele Gesichter.

Dann wurde man in die kleine Kapelle vorgelassen, die natürlich auch sehr voll war. Dort konnte man in geringer Entfernung zu Benedikt niederknien oder sich hinsetzen, ein Gebet sprechen. Niemand hat einen allzu sehr gedrängt, wenn es ein bisschen länger gedauert hat, auch wenn immer wieder Gendarmen draußen gebeten haben, dass man nicht allzu lange brauchen sollte. Die Schlange war schon lang.

Übrigens hatten nicht nur die Besucher, sondern auch die Gendarmen und Schweizergardisten teils rote Augen. Also der Tod des emeritierten Papstes hat trotz seines hohen Alters doch große Trauer auch bei seinen ehemaligen Mitarbeitern verursacht.

Christine Seuss, Redakteurin bei Radio Vatikan

"Übrigens hatten nicht nur die Besucher, sondern auch die Gendarmen und Schweizergardisten teils rote Augen"

DOMRADIO.DE: War denn auch Erzbischof Gänswein vor Ort?

Seuss: Ja natürlich. Er stand vor dem Kloster. Ich muss wirklich bewundern, was er für eine Kraft gefunden hat. Er hat die Beileidsbekundungen entgegengenommen und sich wirklich auf liebenswürdige Weise mit den Menschen unterhalten, ganz besonders mit den Kindern, die mit ihren Eltern gekommen sind, auch wenn er sichtlich angeschlagen war.

Das waren jetzt natürlich harte Tage für ihn. Und auch im Petersdom steht er jetzt am Leichnam und nimmt weiterhin die Beileidsbekundungen entgegen, tröstet die Leute und empfängt hoffentlich damit auch selbst ein bisschen Trost.

Christine Seuss, Redakteurin bei Radio Vatikan

"'Herr, ich liebe dich', und zwar hat er das auf Italienisch gesagt, also 'Signore ti amo'"

DOMRADIO.DE: Erzbischof Gänswein hat den Papst intensiv begleitet, nicht nur, aber vor allem auch jetzt in den letzten Tagen. Was weiß man denn über die letzten Worte des verstorbenen Emeritus?

Erzbischof Georg Gänswein steht am aufgebahrten Leichnam des emeritierten Papstes Benedikt XVI. im Petersdom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Georg Gänswein steht am aufgebahrten Leichnam des emeritierten Papstes Benedikt XVI. im Petersdom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Seuss: Wie Erzbischof Gänswein uns gegenüber bestätigt hat, hat der emeritierte Papst Benedikt in seinen letzten Stunden nochmals ein Christus-Bekenntnis abgelegt. Seine letzten Worte waren demnach "Herr, ich liebe dich", und zwar hat er das auf Italienisch gesagt, also "Signore ti amo". Das war mitten in der Nacht, um 3 Uhr, bevor er dann um 9.34 Uhr am Silvestertag verschieden ist.

Die Worte hatte er zwar mit dünner Stimme ausgesprochen, sie seien aber klar verständlich gewesen, hat die Krankenschwester berichtet, die kurz danach auch Erzbischof Gänswein informiert hat.

Das seien seine letzten verständlichen Worte gewesen, denn danach sei er nicht mehr in der Lage gewesen, sich auszudrücken, hat Erzbischof Gänswein mitgeteilt.

DOMRADIO.DE: Wie wird das Requiem am Donnerstag ablaufen? Weiß man das schon?

Seuss: Das Requiem beginnt um 9.30 Uhr und Franziskus steht ihm vor. Das ist das einzig sichere bislang. Es handelt sich ja sozusagen um einen liturgischen Präzedenzfall.

Auch die Farbe des Gewandes, in dem Benedikt aufgebahrt wird, wurde im Vorfeld durch Beobachter diskutiert, also ob rot, wie für einen Papst vorgesehen, oder lila, wie für einen Bischof üblich. Wie man jetzt sieht, trägt Benedikt das für Päpste übliche Rot.

Christine Seuss, Redakteurin bei Radio Vatikan

"Er trägt das für Päpste übliche rot"

Generell soll es, auch dem Wunsch Benedikts entsprechend, schlicht und feierlich sein. Aber es ist nichts in Stein gemeißelt. Da muss das liturgische Amt mit Feingefühl einen Weg finden.

Wichtig zu wissen für alle, persönlich teilnehmen wollen, ist folgendes: Es werden keine Karten ausgegeben, sondern man geht einfach auf den Petersplatz, durchläuft die Sicherheitskontrolle und nimmt dort Platz.

DOMRADIO.DE: Rechnet man damit, dass auch viel Prominenz aus aller Welt nach Rom kommt?

Seuss: Ja, sicher. Die einzigen offiziellen Delegationen kommen aus Deutschland und Italien, also auch die Staatspräsidenten Steinmeier und Mattarella haben sich angekündigt.

Aus Deutschland kommen natürlich auch noch viele andere Persönlichkeiten aus Kirche, Politik und Gesellschaft, unter anderem Bischof Bätzing und der bayerische Ministerpräsident Söder.

Aber andere Delegationen können in privater Form teilnehmen. So haben einige Staatsoberhäupter bereits angekündigt, dass sie anreisen werden, unter anderem der polnische Präsident und auch das belgische Königspaar. Aber natürlich werden noch viele weitere bekannte Trauergäste aus Politik und Gesellschaft erwartet.

DOMRADIO.DE: Bei der letzten Beerdigung eines Papstes, bei der von Johannes Paul II., war Rom im Ausnahmezustand. Aber das läßt sich mit der Situation jetzt gar nicht vergleichen, oder?

Seuss: Ja, das stimmt. Am Begräbnis von Johannes Paul II. haben 300.000 Menschen auf dem Petersplatz und 700.000 in Rom verteilt über die Maxi-Bildschirme teilgenommen. Das war der Wahnsinn damals. Die Autos parkten auf dem Autobahnring rund um Rom und in der Nähe des Vatikans kam man nirgendwo mehr durch.

Jetzt beim Begräbnis für Benedikt rechneten die Behörden in Rom mit etwa 60.000 Teilnehmern auf dem Platz. Aber um ehrlich zu sein glaube ich, und das glauben auch die diensthabenden Polizisten auf dem Platz, dass es eher 100.000 werden.

Überhaupt werden wohl mehr als die ursprünglich geschätzten 100.000 Menschen in diesen drei Tagen dem aufgebahrten Benedikt die letzte Ehre erweisen.

Papst Johannes Paul II. und Joseph Ratzinger (KNA)
Papst Johannes Paul II. und Joseph Ratzinger / ( KNA )

Also ein bisschen Ausnahmezustand ist es schon. Deshalb sind die römischen Behörden jetzt auch schon mit einem Krisenplan zugange. Zum Beispiel wird der Luftraum über dem Petersplatz am 5. Januar komplett gesperrt. Natürlich werden auch Metalldetektoren eingesetzt werden, durch die die Menschen gehen müssen. Die Seitenstraßen der Via Conciliazione, die auf den Petersdom zuführt, sind auch schon gesperrt und werden am Donnerstag weiträumig abgesperrt.

Schon jetzt sieht man Freiwillige des Zivilschutzes. Am Donnerstag werden dann 500 im Einsatz sein und den Leuten auch für Fragen und Informationen zur Verfügung stehen.

Man wird lange Anstehzeiten mit einrechnen müssen, wenn man an der Messe teilnehmen will und natürlich auch die Sicherheitskontrolle durchlaufen. Aber es ist einfach schön zu sehen, wie viele Menschen dem Papst die letzte Ehre erweisen möchten.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Das geistliche Testament von Papst Benedikt XVI.

Am Tag seines Todes, dem Silvestertag 2022, hat der Vatikan das Geistliche Testament von Papst Benedikt XVI. veröffentlicht, das er bereits am 29. August 2006 verfasste. Die Katholische Nachrichten-Agentur dokumentiert den Text in der Originalfassung (in alter Rechtschreibung):

Papst Benedikt XVI. am 9. September 2006 in München. / © Markus Nowak (KNA)
Papst Benedikt XVI. am 9. September 2006 in München. / © Markus Nowak ( KNA )
Quelle:
DR