Journalist Drobinski rügt Kirchenkritiker Drewermann

"Das gefährdet Menschen"

Eugen Drewermann war Priester, ist Psychotherapeut, Kirchenkritiker und Pazifist. Inzwischen ist er 81 Jahre alt; und auf Irrwegen, meint der Chef-Reporter der Zeitschrift "Publik-Forum", Matthias Drobinski, und erklärt warum.

 

Eugen Drewermann / © Rolf Zoellner (epd)
Eugen Drewermann / © Rolf Zoellner ( epd )

DOMRADIO.DE: Bekannt ist, dass Eugen Drewermann keine kirchliche Lehrerlaubnis mehr besitzt, dass er vor etwa 16 Jahren (20. Juni 2005) aus der Kirche ausgetreten ist und er zumindest früher kein Telefon hatte. Was macht er aktuell?

Matthias Drobinski  (KNA)
Matthias Drobinski / ( KNA )

Matthias Drobiniski (Chefreporter der Zeitschrift "Publik Forum"): Ein Telefon hat er immer noch nicht. Man muss eben Briefe schreiben, man kriegt handgeschriebene Briefe zurück, aber er hält schon zahlreiche Vorträge.

Unterstützt wird er von Menschen, die das Technische für ihn erledigen. Zum Beispiel zu Neujahr in Lahnstein bei der Max-Otto-Bruker-Gesellschaft. Das ist eine Gesellschaft für Vollwerternährung, ein bisschen esoterisch, sage ich jetzt mal, da kriegt er für den Videoauftritt 300.000 Klicks.

Er ist also nicht von der Bildfläche verschwunden, er ist weniger in den offiziellen Medien, aber durchaus präsent.

DOMRADIO.DE: Drewermann ist im Krieg geboren, hat Erinnerungen an die Zeiten im Luftschutzkeller, sagt er. Würden Sie sagen, daher stammt seine tiefe Abneigung gegenüber der militärischen Macht der USA?

Drobinski: Das sagen Leute, die ihn besser kennen. Es ist ja ein bisschen heikel, Psychologisierung zu machen. Aber bei meinen Recherchen habe ich das erlebt. Ich frage mich, wie kommt es, dass Eugen Drewermann sich so verändert hat?

Und das ist eine der Erklärungen, dass Leute sagen: Ja, da gibt es sicher ein Kriegstrauma und es sei völlig berechtigt, dass er sagt, er wolle nichts mit Waffen mehr zu tun haben. Leute sagen, dass daher auch etwas Antiamerikanisches kommt, der Trend, der NATO alles Böse zuzutrauen und Putin letztlich alles Gute. 

DOMRADIO.DE: Drewermann ist selber Pazifist, er ist für einen Austritt aus der NATO. Das mag einem angesichts des Krieges vielleicht seltsam vorkommen, aber es ist doch in seiner friedliebenden Art nur konsequent, oder?

Drobinski: Das halte ich erst mal für hoch respektabel. Was ich nicht für respektabel halte, ist, dass er "Russia Today" ein Interview gibt, dem russischen Propagandasender und dort nur über die NATO redet, über deren Verbrechen, aber kein einziges Wort über Putin, über die Militarisierung Russlands und den Angriffskrieg auf die Ukraine.

DOMRADIO.DE: Zur Corona-Pandemie hat er sich ebenfalls geäußert. Er ärgert sich, wenn man so sagen kann, über zwei Punkte: Zum einen seien die Kollateralschäden als Folge der Corona-Schutzmaßnahmen schlimmer als die Krankheit selber. So eine These provoziert, aber er begründet das zum Beispiel mit den isolierten Menschen in den Seniorenheimen, die im Jahr 2020 zum Beispiel keinen Besuch empfangen durften.

Die Eskalierungsstufen von Eugen Drewermanns Konflikt mit der Kirche

Es war eine Eskalation in mehreren Stufen: Aus den Medien erfuhr Eugen Drewermann 1991, dass ihm die Lehrbefugnis als katholischer Theologe entzogen werden sollte. Die Pressekonferenz, die Paderborns Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt (1926-2002) für den 8. Oktober 1991 angesetzt hatte, um kirchliche Maßnahmen gegen den Priester, Psychotherapeuten und Bestsellerautor anzukündigen, weckte auch international große Aufmerksamkeit.

Eugen Drewermann / © Jens Kalaene (dpa)
Eugen Drewermann / © Jens Kalaene ( dpa )

Drobinski: Es gibt ja immer Anknüpfungspunkte. Auch seine Kritik an der Selbstvergottung der Medizin, dass er sagt, wir haben verlernt zu akzeptieren, dass wir alle sterben müssen, sei erwähnt. Deswegen hängen wir uns an die Medizin und hoffen, dass sie uns erlöst.

Das sind ja alles Anknüpfungspunkte. Und auch das, was er zur Kritik an Menschen sagt, die sich nicht impfen lassen wollen, kann man ja durchaus akzeptieren. Aber er dreht es einfach um. Er sagt dann: Menschen, die sich nicht impfen lassen und eine Corona-Infektion durchmachen, sind besser geschützt als Geimpfte. Aber das stimmt nicht, da habe ich mir auch Expertise eingeholt.

Außerdem haben diese Menschen einfach die Infektion durchgemacht. Das hat er gesagt, als Omikron noch nicht die vorherrschende Variante war, sondern Delta. Das heißt, dass er auch Menschen letztlich aufforderte, sich nicht impfen zu lassen und ihnen die Individualität zusprach, zugleich den anderen aber die Individualität in einer Zeit absprach, wo das auch lebensgefährlich war.

Das ist eigentlich meine schärfste Kritik. Mit seiner Haltung zur NATO kann man sagen, das ist eine intellektuelle Frage. Da kann man sich intellektuell desavouieren, aber das gefährdet niemanden.

Aber ich glaube, wenn er in einem Video, was 300.000 Menschen anschauen, sagt, wenn ihr euch nicht impfen lasst und ein gutes Immunsystem habt, dann seid ihr besser geschützt, dann gefährdet das Menschen. Das finde ich kritikwürdig.

DOMRADIO.DE: Wobei er sagt: Ungeimpfte Menschen werden über die Maßen stigmatisiert, für die tritt er einfach ein, weil sie jetzt alleine gelassen werden. Er verwahrt sich aber gegen den Vorwurf, ein Verschwörungstheoretiker zu sein. Aber Sie sehen Ansätze davon?

Drobinski: Ja. Zum Beispiel behauptet er in einem Video, die Polizei in Hamburg sei in das Büro eines Forschers eingedrungen, der herausgefunden habe, dass nur ein Prozent der Menschen tatsächlich an Corona und nicht mit Corona gestorben sei. Die Polizei habe diese Unterlagen beschlagnahmt. Das ist eine Verschwörungstheorie.

Ich habe einen Professor getroffen, der sagt, dass das "Russia Today" in die Welt gesetzt habe. Das konnte ich nicht verifizieren, aber das wird einfach ungeprüft verbreitet.

Ich habe Drewermann gefragt, woher er die Information hat und ob er wirklich dazu steht. Darauf habe ich keine Antwort bekommen. Das heißt, er sagt nicht, er habe einen Fehler gemacht, sondern er lässt es dann unter den Tisch fallen. Und das, finde ich, geht nicht.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR