Joachim Kardinal Meisner im großen WJT-Interview

"Über den Tellerrand der Ortskirche hinausschauen"

Nach dem großen Eröffnungsgottesdienst des Weltjugendtags (WJT) und einem anschließenden Popkonzert am Dienstagabend stand in Sydney am Mittwochvormittag die Spiritualität im Vordergrund. An mehr als 300 Orten im Großraum Sydney versammelten sich die rund 200.000 Pilger zu Katechesen. Mit dabei: 600 jugendliche Pilger aus dem Erzbistum und der Kölner Erzbischof (zur Bildergalerie). domradio-Redakteur Johannes Schröer traf einen bewegten und von der Jugend beindruckten Kardinal zum Interview.

Kardinal Meisner im Gespräch mit der Jugend in Australien 2008 / © dr (DR)
Kardinal Meisner im Gespräch mit der Jugend in Australien 2008 / © dr ( DR )

domradio: Herr Kardinal, gestern war in Sydney die große Eröffnungsmesse und Sie waren dabei. Wie ist es Ihnen ergangen als dann ihr Name plötzlich erwähnt wurde?
Kardinal Meisner: Das gehört zu unserer großen Familie als Kirche und ich habe mir in dem Moment gedacht: Jetzt ist der Kölner Weltjugendtag Geschichte. Ich weiß natürlich auch schon, wo der nächste Weltjugendtag stattfinden wird. Denn ich saß neben dem Erzbischof von Toronto, der unser Vorgänger war und neben dem Nachfolger von Sydney. Daraufhin habe ich mir gedacht, ob ich demnächst nicht mal alle Bischöfe, die einen Weltjugendtag bei sich hatten, einlade nach Köln, mit einer großen Tour auf dem Rhein.

domradio: Viele vergleichen jetzt auch Köln mit Sydney. Wie ist das, wenn viele sagen, dass die Stimmung in Köln nicht getoppt werden kann? Wie erleben sie Sydney?
Kardinal Meisner: Ich genieße es, auch weil ich jetzt keine große Verantwortung habe. Ich bin frei und froh, dass Köln so ein gutes Fundament hatte für Sydney. Der Kardinal von Sydney hat auch gestern bestätigt, dass die Kölner viel geholfen haben durch ihre Erfahrung und ihren Zusammenhalt. Zum anderen muss ich sagen, dass dieser gehobene geistliche Grundwasserspiegel, der in Köln spürbar ist, auch in der Weltkirche tragend ist.

Der Erzbischof von Melbourne hat mir ein Kompliment gemacht: „Eminenz, was waren das für Glaubenszeugen, die unsere Gemeinden und die Familien, in denen sie untergebracht waren, mit Freunde erfüllt haben! Sie wurden schon eingeladen zum Gegenbesuch, und sie werden kommen." Das ist auch der Sinn dessen: dass wir über unseren Tellerrand der Ortskirche hinausschauen in die Weltkirche.

domradio: Der Papst freut sich auf die Jugend, die Jugend freut sich auf den Papst. Können Sie schon sagen, was er sagen wird, was er für Impulse geben wird?
Kardinal Meisner: Ich weiß nur, dass er positive Impulse geben wird. Im Übrigen muss man dem Papst auch Ruhe lassen und nicht dauern fragen, was er uns sagen will. Ich bin jedenfalls gespannt. Es wird wie immer erste Klasse sein.

domradio: In Altenberg feiern auch viele Jugendliche, die nicht nach Australien kommen konnten. Können sie denen einen Gruß schicken?
Kardinal Meisner: Ich bin wirklich sehr bewegt, dass in Altenberg junge Menschen zusammengefunden sind, um den Weltjugendtag in der Erzdiözese Köln mitzufeiern. Eigentlich spielen ja Grenzen und Entfernungen bei uns Christen keine Rolle. Ich habe von verschiedenen Bischöfen gehört, dass sie auch ein solches Treffen angeregt haben. Dass es jetzt bei uns gelungen ist, das ist mir einen ganz besondere Freude und auch ein Zeichen der Nachwirkungen von 2005.

domradio: Spielt der Ort des Weltjugendtages überhaupt eine Rolle?
Kardinal Meisner:
Australien ist ein Erdteil, auf dem noch nie ein Weltjugendtag stattgefunden hat. Weltjugendtage sind ja immer Tage der Welt, nicht nur eines Kontinentes oder eines Landes. Deshalb darf man eigentlich den Papstbesuch zum Weltjugendtag in Köln nicht als Deutschlandbesuch deuten. Er ist zu seiner Jugend gekommen, und da die Jugend sich noch nicht auf dem Mond treffen kann, trifft man sich halt immer in einem bestimmten Land. Aus diesem Grund ist es auch heute kein Sydney-Besuch, sondern ein Besuch bei der Jugend, die aus aller Welt hier zusammen kommt.

domradio: Wie ist denn Ihre persönliche WJT-Geschichte?
Kardinal Meisner: Ich habe das erste Mal 1975, also nachdem ich Bischof geworden war, das sozialistische Lager verlassen dürfen. Wir sind da fast an unserem eigenen Mief erstickt, da uns die Kommunisten nicht raus gelassen haben. Deshalb bin ich auch als deutscher Bischof 1984 zum ersten Weltjugendtag nach Rom gereist. Ich habe in meinem Leben noch nie soviel Beichte gehört wie dort. Es war wirklich ein Einbruch des Heiligen Geistes.

domradio: Wie steht es denn mit dem Heiligen Geist und der Bewahrung der Schöpfung?
Kardinal Meisner: Das ist das große Thema, das wahrscheinlich Papst Johannes Paul II. mit seiner katholischen Intuition schon gespürt hat: der gemeinsame Zugang zur Zivilisation der Liebe und damit zur Bewahrung der Schöpfung. Ein Beispiel: Was ist denn, wenn einer die Keuschheit nicht bewahren kann, wenn er seinen eigenen Körper, der ein Mikrokosmos ist, nicht in Ordnung halten kann - wie will er es denn dann im Makrokosmos tun?