Hospizarbeit findet in der Corona-Krise oft am Telefon statt

"Jetzt erst recht"

Ambulante Hospizdienste und stationäre Einrichtungen begleiten Menschen auf dem letzten Abschnitt des Lebensweges. Da braucht es persönlich Nähe. In Zeiten von Corona ist Kreativität gefragt.

Autor/in:
Katharina Rögner
Seniorin am Telefon / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Seniorin am Telefon / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

Es ist eine Arbeit der Nähe und persönlichen Begleitung: Hospize und ambulante Dienste betreuen schwer kranke und sterbende Menschen. Wohl niemand will in den letzten Stunden seines Lebens allein sein. Da bekommt das berühmte Handhalten eine ganz neue Bedeutung. Eine, die in Corona-Zeiten äußerst schwierig ist, wie Hospizreferent Tilmann Beyer von der Diakonie Sachsen bestätigt.

Verbindung herstellen – auch aus der Ferne

"Es ist ein Dilemma. Corona läuft der Hospizarbeit entgegen", sagt er. Da sei jetzt gerade im ambulanten Bereich Kreativität gefragt. Wenn Ehrenamtlichen die Arbeit am Patienten in Zeiten der Pandemie untersagt ist, dann können sie Menschen zumindest am Telefon weiter unterstützen. "Sie sehen ihre Aufgabe und den Sinn darin, jetzt zu helfen - so gut es eben geht", sagt Beyer. Und sie seien sehr motiviert. "Jetzt erst recht" - das würden ihm Hospizdienstmitarbeiter spiegeln.

Die ambulante Betreuung sei vor allem auf den Telefonkontakt verlegt, sagt Ansgar Ullrich, Koordinator beim Christlichen Hospizdienst Dresden. Da gelte es, "aus der Ferne möglichst eine enge Verbindung herzustellen". Zudem sei der Gesprächsbedarf bei den Angehörigen in der Krise noch mal größer, weil sie auf sich selbst zurückgeworfen seien. "Es braucht sehr viel mehr Zuspruch", sagt Ullrich.

Die 130 Ehrenamtlichen des ambulanten Dresdner Hospizdienstes, die zwischen 20 und 80 Jahre alt sind, arbeiten derzeit von zu Hause aus. "Es gibt so viele Gespräche am Telefon wie nie zuvor in unserer Arbeit", sagt Ullrich. Er nennt es das "Wiederentdecken des
Telefons". Zudem würden viele Briefe geschrieben, "echte Post" werde verschickt. "Unsere Rolle ist die Ermutigung untereinander", sagt Ullrich.

Einzeltelefonate helfen

Auch werde in der Corona-Krise die Nachbarschaft neu entdeckt. "Die Leute trauen sich plötzlich, um Hilfe zu fragen", sagt Ullrich. Die Hospizbetreuung der Patienten zu Hause werde von Angehörigen derzeit weniger bis kaum angefragt. "Wahrscheinlich wird viel mehr
über die Familien abgefangen", vermutet er.

2019 hat der Christliche Hospizdienst Dresden etwa 400 Patienten begleitet und rund 350 Trauernde. Derzeit bereitet sich der ambulante Dienst auf eine verstärkte Arbeit mit Trauernden vor. Nach dem Tod eines Angehörigen seien Familien auf sich selbst zurückgeworfen, jetzt in der Krise noch viel mehr. Gruppengespräche sind wegen der Ausbreitung der Corona-Pandemie nicht erlaubt. Da breche auch dort etwas weg, es gebe "große Not", betont Ullrich. Auch hier sollen Einzeltelefonate helfen.

Etwas anders sieht es im stationären Bereich aus. In den Hospizen sind nach einer Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen in Sachsen Besuche unter bestimmten Bedingungen zugelassen, wenn auch immer noch reduziert. "Patienten und Angehörige sind sehr verantwortungsvoll, sie haben viel Verständnis für die Situation", sagt die Pflegedienstleiterin des Stationären Hospizes "Siloah" im ostsächsischen Herrnhut, Kathrin Dwornikiewicz.

Pro Tag sei jetzt eine Besucherin oder einen Besucher pro Patient zugelassen. Wenn jemand im Sterben liegt, würden auch Ausnahmen gemacht, dann seien es manchmal mehr. "Es ist möglich, sich zu verabschieden", sagt Dwornikiewicz.

"Corona trifft Hospize ins Herz"

Das Herrnhuter Hospiz habe glücklicherweise ideale bauliche Voraussetzungen, erzählt sie. Besucher nutzten über die Balkone einen separaten Zugang zu den insgesamt zwölf Zimmern. Vor der Lockerung konnten über diese Balkone auch Gespräche im entsprechenden Abstand geführt werden.

"Hospizbewohnern, denen es bessergeht, raten wir aber von Besuchern ab, um kein zusätzliches Risiko einzugehen", sagt Dwornikiewicz. Sie sollen sich zudem nur im Garten der Einrichtung bewegen, möglichst nicht durch Herrnhut spazieren. Auch im stationären Bereich unterstützen normalerweise Ehrenamtliche die Betreuung. Und auch sie telefonieren derzeit viel.

Sachsens Diakoniechef Dietrich Bauer betont: "Die Corona-Pandemie trifft die Hospize ins Herz ihres Anliegens." Denn es sei eine Herausforderung, bei der geforderten Abstandsregelung "das letzte Stück eines zu Ende gehenden Lebensweges unter der engen und
intensiven Einbeziehung von Angehörigen und Freunden zu gestalten", sagt Bauer. Das Hospizpersonal trage daher in der aktuellen Krise eine "schwere und doppelte Verantwortung".


Quelle:
epd