Jesuit kritisiert Bibel-Verkauf von Donald Trump

"Ein Missbrauch der Bibel"

Für knapp 60 Dollar verkauft Donald Trump nun eine eigene Bibel. Kritiker vermuten darin eine Strategie gegen Finanzprobleme. Der Jesuit Godehard Brüntrup sieht eine gefährlichere Entwicklung, einen "offenen religiösen Nationalismus".

Donald Trump / © Matt Rourke (dpa)
Donald Trump / © Matt Rourke ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der bekannte US-Pastor Al Sharpton hat diesen Schritt am Donnerstag in einem Interview bei MSNBC mit Blasphemie verglichen. Sie als Priester gefragt, würden Sie da mitgehen? 

Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ (HfPH)
Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ / ( HfPH )

Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ (Jesuit und USA-Experte): Blasphemie ist vielleicht ein bisschen zu heftig. Allerdings ist es ein Schachzug, der die Religion in gewisser Weise vereinnahmt. Die religiösen Gefühle und Verpflichtungen, die Menschen empfinden, werden vereinnahmt, um sich selbst in ein gutes Licht zu stellen und mögliche Wähler und Wählerinnen zu gewinnen. 

DOMRADIO.DE: Kritiker vermuten, dass Trump diesen Schritt vor allem gegangen ist, um Gerichtskosten für seine aktuellen Prozesse zu zahlen. Vor kurzem hat er zum Beispiel auch eigene Turnschuhe auf den Markt gebracht. Das stützt natürlich so eine Vermutung. Von offizieller Seite wird das dementiert. Wie beurteilen Sie denn diesen Schritt? Was geht ihm durch den Kopf? 

Brüntrup: Ich glaube nicht, dass dahinter primär finanzielle Interessen stehen. Es wird ja auch nicht von ihm selber verkauft, sondern von einer Agentur, einer Gemeinschaft von ihm politisch Nahestehenden, die diese Firma gegründet haben. Es geht auch nicht direkt in seine Wahlkampfmittel. 

Ich bezweifle nicht, dass es auch gewisse finanzielle Interessen gibt. Aber es geht primär darum, die Gruppe der evangelikalen Christen, die sich in der jüngeren Generation vornehmlich begannen, von ihm abzuwenden, erneut zu mobilisieren für den Wahlkampf. Da ist dieser Spruch "Make America pray again" (Bringt Amerika wieder zum beten) etwas, was diese Gruppe mobilisiert. 

Die hatten sich etwas abgewendet, weil gerade die jungen Evangelikalen solche Themen wie Umweltschutz oder Fragen wie Homosexualität anders beginnen einzuschätzen als ihre Eltern und Großeltern. Und deshalb musste etwas getan werden, um diese Gruppe wieder zu mobilisieren. 

DOMRADIO.DE: Dass die Beziehung zu den Evangelikalen eine Rolle spielt, das wissen wir. Es aber auch, was manchmal ein wenig untergeht, die konservativen Katholiken spielen auch eine Rolle in diesem Wahlkampf. Wie wird das bei denen ankommen? 

Brüntrup: Die konservativen Katholiken haben ihn primär wegen seiner Unterstützung der Pro Life-Bewegung gewählt, also der kritischen Sicht auf Abtreibung. Und sie werden ihn auch weiterhin in dieser Richtung unterstützen. Allerdings hat er da den großen Nachteil in Anführungszeichen, dass er sein Ziel bereits erreicht hat, da der Oberste Gerichtshof dieses Urteil, was in Frage stand, bereits aufgehoben hat. Also auch da muss man etwas Neues finden. 

Dieses Jammern, dass Amerika weniger religiös ist, dass Amerika nicht mehr so stark im Christentum verwurzelt ist wie vor 50 Jahren, das wird gerade bei den älteren religiösen Menschen, auch bei den Katholikinnen und Katholiken, glaube ich, verfangen, wenn sie sowieso schon eine gewisse Tendenz haben, republikanisch zu wählen, die anderen nicht. 

DOMRADIO.DE: Nun sind in dieser Bibel nicht bloß die Texte des Alten und Neuen Testamentes zu finden, sondern auch die Gründungsdokumente der USA, die Verfassung, die Unabhängigkeitserklärung, die Bill of Rights. Eigentlich geht das ja nicht zusammen. Eigentlich gibt es ja auch in den USA eine klare Trennung von Kirche und Staat. Auf offizieller Ebene zumindest. Wie beurteilen Sie sowas? Ist das eine Verquickung von zwei Sachen, die eigentlich getrennt werden sollten? 

Brüntrup: Das ist vielleicht das Bemerkenswerteste an dem ganzen Vorgang. Hier wird ganz offen ein religiöser Nationalismus gefördert. Die Idee Amerikas beruht auf dem Hintergrund der negativen Erfahrungen derjenigen, die aus Europa nach Amerika eingewandert sind, vor 100 oder 200 Jahren. Die Idee Amerikas beruht darauf, dass man Nationalismus, die Frage der Nation und die Frage der Religion trennt. 

Godehard Brüntrup SJ

"Hier wird ganz offen ein religiöser Nationalismus gefördert."

Das ist eine gefährliche Mischung. Wenn man diese beiden starken Triebkräfte der Bindung, die Religion und die Nation vermischt, dann hat man eine explosive Mischung, die dazu führen kann, dass Menschen sich in anderen Bereichen vollkommen irrational verhalten. Für mich fast das Gravierendste an dem Ganzen, dass so unverhohlen das Christentum zur Nationalreligion erhoben wird. Und dann auch noch wahrscheinlich eine sehr konservative und fundamentalistische Auslegung des Christentums. 

DOMRADIO.DE: Was in den USA einfacher fällt als in anderen Ländern, da der Gründungsmythos der Nation auch eine Art Ersatzreligion für viele Menschen darstellt. 

Die Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika und ein weißes Kreuz vor blauem Himmel mit weißen Wolken. / © John Panella (shutterstock)
Die Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika und ein weißes Kreuz vor blauem Himmel mit weißen Wolken. / © John Panella ( shutterstock )

Brüntrup: Er hat auf jeden Fall religiöse Züge. Was man auch verstehen muss, das Land hat sonst nichts. Viele andere Länder haben einen ethnischen Zusammenhang, dass die meisten Einwohner und Einwohnerinnen doch aus einer bestimmten ethnischen Gruppe kommen. Amerika ist von Anfang an ein wunderbarer "melting pot". Und deshalb braucht man Mythen wie zum Beispiel die Gründungsmythen und auch Texte, die Unabhängigkeitserklärung, die Verfassung, die einen quasireligiösen Status bekommen. Oder auch die Flagge, auf die Kinder jeden Morgen in der Schule einen Eid leisten. 

Das hält das Land zusammen, weil es kaum andere Bindungskräfte gibt. Das würde ich auch gar nicht negativ sehen. Irgendwie muss man das Land ja zusammenhalten. Nur das ist quasi religiös. Und wenn das jetzt noch mit einer wirklichen Religion vermischt wird. Ist es zu viel des Guten. 

Godehard Brüntrup SJ

"Trump ist nicht zum Missionar geworden, sondern er instrumentalisiert die Bibel für einen politischen Zweck."

DOMRADIO.DE: Wenn jemand mit der Bibel Geld verdient, mit Gottes Wort für die eigene Tasche wirtschaftet. Wie ist das denn aus christlicher Sicht einzuordnen, wenn wir ja ins Evangelium schauen, sehen wir ja, dass Jesus die Händler aus dem Tempel gejagt hat?

Brüntrup: Da würde ich mal vorsichtig sein bei den Verlagen, die auch schon Bibeln herausgebracht haben, die wollen wir jetzt nicht alle aus der Kirche jagen. Es ist an sich nicht verwerflich, die Bibel für Geld zu verkaufen, wenn dahinter das Interesse steht, das Wort Gottes in der Welt zu verbreiten. Dann soll derjenige, der eine eine Arbeit dafür tut, auch einen gerechten Lohn erhalten. 

Aber das scheint hier nicht das Motiv zu sein. Trump ist nicht zum Missionar geworden, sondern er instrumentalisiert die Bibel für einen politischen Zweck, um bestimmte Wählergruppen zu erreichen. Und das ist sicherlich ein Missbrauch der Bibel, auch aus theologischer Sicht. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Die katholische Kirche in den USA

Die römisch-katholische Kirche ist die größte Glaubensgemeinschaft der USA, denn die Protestanten teilen sich in verschiedene Konfessionen. Ein knappes Viertel der US-Amerikaner ist katholisch, die meisten Katholiken leben im Nordosten und im Südwesten. Genaue Zahlen sind schwierig, weil in den USA der Wechsel einer Konfession sehr häufig vorkommt.

Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 (shutterstock)
Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 ( shutterstock )
Quelle:
DR